„Sportsucht“: Zwanghaftes Sporttreiben
Inhaltsverzeichnis
„Sportsucht“ – Was ist das?
Unter „Sportsucht" wird exzessives bzw. krankhaftes (pathologisches) Sporttreiben verstanden. Dabei leiden Betroffene unter dem inneren Zwang, sich sportlich zu betätigen. Der Wettkampfgedanke oder die Leistung stehen dabei nicht zwingend im Vordergrund.
Zwanghaftes Sporttreiben kann als Verhaltensauffälligkeit beschrieben werden, unter der Sport missbräuchlich verwendet wird. Auch bei Krankheit, Schmerzen oder Verletzungen wird das Training ohne Kompromiss „durchgezogen“ und kann mit schweren gesundheitlichen Folgen einhergehen.
Hinweis
Sehr viele Menschen haben ein hohes Bedürfnis nach Sport und intensivem Training. Sie sind deswegen allerdings nicht abhängig. Denn: Menschen, die regelmäßig und leidenschaftlich Sport betreiben, haben – als Basis und Voraussetzung hierfür – generell eine hohe Bindung bzw. Selbstverpflichtung an den Sport. Nur ein sehr geringer Anteil aller Sportlerinnen/Sportler kann als „sportsüchtig“ bezeichnet werden.
Welche Formen von „Sportsucht” gibt es?
Prinzipiell kann zwischen der primären und der sekundären „Sportsucht” unterschieden werden.
Primäre Sportsucht
Bei der primären „Sportsucht” wird der Sport wegen des Sporttreibens an sich ausgeübt und nicht etwa, weil man dadurch Gewicht abnehmen möchte. Die Sportausübung ist sozusagen intrinsisch, also von innen heraus motiviert.
Hinweis
Bei der (primären) „Sportsucht” handelt es sich um eine Verhaltenssucht. Es existiert keine offizielle Definition, auch gibt es keine anerkannte Krankheitsdiagnose entsprechend der Kriterien nach ICD-11 oder DSM-5.
Sekundäre Sportsucht
Unter der sekundären „Sportsucht” wird das zwanghafte Sporttreiben in Verbindung mit einer Essstörung verstanden. Betroffene mit einer sekundären „Sportsucht” werden weniger der sportlichen Leistung wegen zum Sporttreiben motiviert, sondern vielmehr stehen Faktoren wie Kalorienverbrauch und Gewichtsreduktion im Vordergrund.
Wer ist von „Sportsucht” betroffen?
Anzutreffen sind „Sportsüchtige“ eher im Freizeit- und Breitensport und hierbei vermehrt im Ausdauerbereich. Häufig beschrieben wird insbesondere die Laufsucht („running addiction“, „obligatory runners“). Ein auffälliges Sportverhalten kann jedoch in allen Sportdisziplinen auftreten, im Fitness- und Funsport ebenso wie beim Krafttraining.
Wann wird das Sportausmaß bedenklich?
Eine wesentliche Ausprägung der „Sportsucht“ besteht darin, dass der Drang nach Bewegung nicht mehr selbst kontrolliert werden kann. Der Sport wird zum zentralen Lebensinhalt. Wird gerade nicht trainiert, dreht sich dennoch alles um den Sport. So wird das Training mitunter genauestens geplant und dokumentiert, Sportvorhaben werden organisiert und Ausrüstungen wie Schuhe, Shirts etc. angehäuft.
Wird das selbstauferlegte Sportpensum nicht erreicht, kann es sogar zu Entzugssymptomen, etwa Schuldgefühlen, Angst, Gereiztheit und Depressionen kommen. Die/der „Sportsüchtige“ kann keinen Kompromiss eingehen und muss das Hobby auf Kosten vieler anderer Aktivitäten ausleben. Da sich das Trainingspensum nach und nach ausweitet, werden Familie, Freunde und soziale Kontakte vernachlässigt, mitunter sogar der Beruf.
Wie entsteht „Sportsucht”?
Die genauen Abläufe und Erklärungsmuster der „Sportsucht“ sind Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, vieles ist jedoch noch unerforscht. Nach wie vor werden unterschiedliche Mechanismen diskutiert.
Möglicherweise tragen körpereigene Glückshormone zur Entwicklung einer Abhängigkeit bei. Das Belohnungssystem im Gehirn gewöhnt sich an den Sport und verlangt nach immer mehr. Ähnlich einer Drogensucht muss die Dosis nach und nach gesteigert werden, um ein „High“ („Hoch“) zu erleben.
Die Motivstruktur ist vermutlich vielschichtig: Ein mögliches Motiv der „Sportsucht“ könnte das Streben nach einem perfekten Körper sein. Diskutiert wird zudem das Motiv der Realitätsflucht, bei der das Absinken in den Sport dem Vergessen des Alltags dient. Ein weiterer Erklärungsansatz nennt mögliche Selbstwertdefizite, bei denen Sport als Kompensation von Frustration oder Misserfolgen sowie zur Steigerung des Selbstbewusstseins dient.
Zudem können Betroffene auch in eine „Sportsucht” „hineingleiten“, wobei dies wieder umkehrbar ist. Es wird in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Suchtbindungsmodell“ gesprochen. Ausgangspunkt ist die zunächst gelungene Bindung an eine Sportart, wie etwa Laufen. So kann sich z.B. eine ambitionierte Hobbyläuferin/ein ambitionierter Hobbyläufer bis zum Höhepunkt der Wettkampfsaison sehr stark auf den Sport fokussieren (Sportfokussierungsphase). Ist dieser Saisonhöhepunkt vorbei, kann sich auch die Fokussierung auf den Sport wieder legen. In einer Phase der „Sportsucht“ kann eine Athletin/ein Athlet etwa durch ein einschneidendes Lebensereignis geraten (z.B. Trennung in einer Partnerschaft oder der Tod eines geliebten Menschen), wodurch das Gefühl des Kontrollverlusts entstehen kann. Mit Sport glauben Betroffene dieses Ungleichgewicht ausgleichen zu können.
Magersucht und Sport („Anorexia athletica”)
Von der „Sportsucht“ abzugrenzen ist eine besondere Form der Magersucht, die Anorexia athletica („Sportmagersucht“). Darunter versteht man krankhaftes Untergewicht, das u.a. im Leistungssport beobachtet wird. Das Untergewicht ist einerseits Folge des hohen Ausmaßes an Bewegung und einer nicht ausreichenden Energiezufuhr über die Nahrung. Andererseits wird das Untergewicht bewusst in Kauf genommen, um eine bessere Leistung oder Klasse zu erreichen. Beobachtet wird Anorexia athletica vor allem in Sportarten, bei denen das Körpergewicht eine wesentliche Rolle spielt, wie Judo, Skispringen, Ballett und Rudern.
Weitere Informationen finden Sie unter „Sportsucht“: Symptome & Folgen.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 28. Juli 2020
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Mag. Dr. Clemens Ley, MA