ADHS oder Autismus? Rat auf Draht warnt vor Selbstdiagnosen über Social Media
„Oft werden nur kurze Videos oder Bilder gezeigt, die emotional viel stärker wirken als geschriebener Text“, sagt Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht. „Solche Beiträge können bei Jugendlichen, die sich aktuell in einer Krise befinden oder sich psychisch nicht gesund fühlen, diesen Zustand noch verstärken. Zudem sind die Inhalte in diesen Beiträgen nicht immer fachlich korrekt und durch diverse Selbsttests werden Falschinformationen verbreitet und Diagnosen aufgestellt, die nicht stimmen“. Problematisch sei auch, dass sich dadurch destruktive Gruppen bilden könnten, in denen es nur darum gehe zu zeigen, wer am meisten leide oder wem es am schlechtesten gehe. „Das kann leicht in eine Abwärtsspirale führen“, warnt Satke.
Die Expertin rät Jugendlichen, die sich nicht sicher sind, ob sie eine psychische Erkrankung haben, sich einer erwachsenen Person anzuvertrauen – z.B. Eltern, Lehrer:innen, Schulpsychologin oder Schulpsychologe – oder sich Hilfe bei einer Beratungseinrichtung wie Rat auf Draht zu holen.
Keine Selbstdiagnose stellen
Keinesfalls sollten Selbstdiagnosen, Checklisten und Online-Fragebögen aus dem Internet als valide Diagnose betrachtet werden. Auch Ratschläge aus diversen Beiträgen oder Videos eigenen sich dafür nicht. „Social Media Plattformen oder das Internet können keine professionelle Hilfe oder Psychotherapie ersetzen. Eine genaue Diagnose kann nur mit entsprechenden Untersuchungen von Fachleuten gestellt werden. Therapeutische und medizinische Maßnahmen können erst dann in die Wege geleitet werden, wenn die richtige Diagnose gestellt wurde“, weiß Satke.
Informationen gut für Enttabuisierung
Dennoch habe die Thematik nicht nur negative Aspekte: „Social Media Plattformen können für die Informationsbeschaffung zum Thema psychische Erkrankungen, ADHS oder Autismus eine nützliche Ressource sein. Sie tragen zur Enttabuisierung und Entstigmatisierung solcher Erkrankungen bei und schaffen ein breiteres öffentliches Bewusstsein dafür. Außerdem können sie Betroffenen Mut machen, nicht aufzugeben“, sagt Satke. Wenn User:innen merken würden, dass eine Person, deren Inhalte sie mögen, die gleichen Probleme hat, könne auch die eigene Selbstreflexion angeregt werden. Scham und Schuldgefühle, über psychische Erkrankungen zu sprechen, könnten zurückgehen. „Das kann ein wichtiger Impuls sein, um sich ein Beratungsangebot zu suchen oder gar eine Therapie zu beginnen“, sagt Satke.
Kritisch sein, auf seriöse Quellen achten
Meist seien die Inhalte auf Social Media auch leicht verständlich und niederschwellig erklärt. Satke: „Wichtig dabei ist allerdings, sich richtig zu informieren und nur seriösen Quellen zu vertrauen, die auch wissenschaftliche Evidenzen liefern. In vielen Beiträgen oder Videos wird mit dem Thema nicht achtsam umgegangen, es fehlen wichtige Fakten und oft werden Alltagsbeobachtungen und tatsächliche Diagnosekriterien vermischt.“
Rat auf Draht ist eine Initiative von SOS Kinderdorf und ORF und bietet für Kinder und Jugendlich mit der Hotline 147 telefonische Beratung, Online-Beratung und Chat.
Weitere Informationen:
- Psyche
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- WohlfühlPOOL - Coaching für Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen (FGÖ)
- Studie zur Jugendgesundheit zeigt hohe psychische Belastungen
Letzte Aktualisierung: 24. April 2023
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal