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Hämophilie

Den meisten Menschen ist Hämophilie unter dem umgangssprachlichen Begriff „Bluterkrankheit“ bekannt. Bei dieser kommt es zu einer Störung der Blutgerinnung. Das Blut gerinnt viel langsamer, als es sollte. Die Wundheilung ist dadurch verzögert. Zudem kann es zu Blutungen im Körper kommen (innere Blutungen). Diese können etwa durch einen Sturz ausgelöst werden.

Die inneren Blutungen können aber auch ohne sichtbare Ursache auftreten, zum Beispiel an Gelenken, Muskeln oder in Organen. Die Behandlung besteht in dem Ersatz von fehlenden Faktoren für die Blutgerinnung (Gerinnungsfaktoren). Erfahren Sie mehr zu Ursachen, Diagnose, Therapie und den Alltag mit Hämophilie.

Welche Ursachen hat eine Hämophilie?

Eine Hämophilie wird fast immer vererbt. Meist ist die Ursache ein Fehler im Gen des betroffenen Gerinnungsfaktors. Gerinnungsfaktoren sind von der Leber gebildete Eiweißstoffe und wichtige Bestandteile der Blutflüssigkeit (Blutplasma). Die Gene für die Gerinnungsfaktoren liegen auf dem X-Chromosom. Zellen von Frauen enthalten zwei X-Chromosomen, Zellen von Männern nur ein X-Chromosom (und ein Y-Chromosom).

Hat nun eine Frau ein defektes Gen auf einem X-Chromosom, genügt es meist, wenn das zweite nicht betroffen ist. Dann läuft die Blutgerinnung normal ab. Zwei defekte Gene bei Frauen sind sehr selten. Ist jedoch bei einem Mann ein Gen für den Gerinnungsfaktor defekt, fehlt die Möglichkeit des Ersatzes. Daher erkranken Männer häufiger an Hämophilie.

Welche Formen von Hämophilie gibt es?

Es gibt verschiedene Formen von Hämophilie. Die bekanntesten sind Hämophilie A und Hämophilie B. Bei diesen fehlt ein Eiweiß im Blut. Bei Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII, bei Hämophilie B der Gerinnungsfaktor IX. Hämophilie A kommt häufiger vor. Bei Hämophilie B sind ausschließlich Männer betroffen. Jedoch kommt es bei ca. einem Drittel der weiblichen Überträgerinnen des defekten Gens während Geburten oder Operationen zu gesteigerten Blutungen.

Welche Schweregrade von Hämophilie gibt es?

Es werden drei Schweregrade von Hämophilie unterschieden:

  • Leichte Hämophilie: Es gibt kaum Beschwerden im Alltag. Oft wird die Diagnose erst im Jugend- oder Erwachsenenalter gestellt. Blutungen nach einer Operation oder Verletzung halten länger an als bei Menschen ohne Hämophilie.
  • Mittelschwere Hämophilie: Es kommt hin und wieder zu länger andauernden Blutungen nach Verletzungen oder Operationen. Selten kommt es zu Blutungen ohne ersichtliche Ursache.
  • Schwere Hämophilie: Innere Blutungen können auftreten und auch Schmerzen verursachen. Sie treten auch ohne erkennbare Ursache auf – vor allem in Hüft-, Knie-, Sprung-, Hand-, Schulter- oder Ellenbogengelenk. Oder in Arm- und Beinmuskeln. Besonders kritisch sind Gehirnblutungen oder Blutungen im Bauch- oder Rachenraum. Bereits im Säuglings- oder Kleinkindalter zeigen sich Symptome (z.B. kommt es sehr leicht zu blauen Flecken und Blutungen in Muskeln oder Gelenken nach dem Laufenlernen).

Welche Folgen hat eine schwere Hämophilie?

Hat bereits einmal eine Einblutung in ein Gelenk stattgefunden, ist es leichter anfällig für weitere Blutungen. Wiederholen sich diese Blutungen, kann es zu Verformungen, Versteifungen oder Zerstörung von Gelenken kommen. Das nennt man Hämarthrose. Ist diese fortgeschritten, sind massive Bewegungseinschränkungen der Arme und Beine möglich.

Bei stärkeren Blutungen in den Muskeln kann es zu Nervenschädigungen kommen. In seltenen Fällen treten Gehirnblutungen auf. Das führt unter anderem zu Konzentrations- und Gleichgewichtsstörungen sowie zu Schwierigkeiten beim Denken. Schwere Blutungen im Gehirn sind lebensbedrohlich. Auch andere Blutungen – zum Beispiel in Organen, dem Mund-Rachen-Bereich oder in der Bauchhöhle sind kritisch. Sie können zu großem Blutverlust und Organschädigungen führen.

Wie wird die Diagnose einer Hämophilie gestellt?

Die Ärztin/der Arzt erhebt zuerst ausführlich die Krankengeschichte (Anamnese), um unter anderem zu klären, ob Hämophilie bereits in der Familie bekannt ist. Zudem nimmt die Ärztin/der Arzt eine genaue körperliche Untersuchung vor. Gegebenenfalls veranlasst die Ärztin/der Arzt noch weitere Untersuchungen. Anhand der Symptome (wie länger dauernde Blutungen nach Verletzung oder etwa Gelenksblutungen) lässt sich in der Folge bereits eine Verdachtsdiagnose stellen.

Laborbefunde bestätigen die Diagnose: Bei Hämophilie A ist die aPTT erhöht, die PTZ normal und der Faktor VIII:C erniedrigt. Bei Hämophilie B ist die APTT erhöht, die PTZ normal und die Faktor-IX-Aktivität erniedrigt. Weitere Informationen zu diesen und weiteren möglichen Laborabklärungen finden Sie unter Laborwerte-Tabelle.

Da Hämophilie zumeist erblich bedingt ist, wird zudem eine genetische Familienberatung empfohlen. Nähere Informationen finden Sie unter Genetische Tests.

Wie erfolgt die Behandlung einer Hämophilie?

Die Therapie einer Hämophilie besteht in der Gabe der fehlenden Gerinnungsfaktoren durch eine Spritze in die Vene. Es werden dabei zwei Arten unterschieden:

  • Bedarfsorientierte Therapie: Der fehlende Gerinnungsfaktor wird nur im Bedarfsfall gespritzt (z.B. zur Blutstillung, vor Operationen oder Zahnbehandlungen).
  • Vorbeugende Therapie: Diese wird bei einer schweren Hämophilie empfohlen. Der fehlende Gerinnungsfaktor wird dabei regelmäßig (alle paar Tage) in die Vene gespritzt. Nach einer Schulung können das Betroffene selbst lernen. Kinder mit schwerer Hämophilie erhalten zwei- bis dreimal wöchentlich vorbeugend den fehlenden Gerinnungsfaktor in die Vene gespritzt. Eltern werden im Umgang mit der Erkrankung geschult und können auch lernen, den Gerinnungsfaktor selbst zu verabreichen. Nähere Informationen zur Wirksamkeit von vorbeugender Therapie finden Sie auf www.gesundheitsinformation.de.

Menschen mit Hämophilie entwickeln oft im Lauf ihrer Erkrankung Antikörper gegen den Gerinnungsfaktor. Dies wirkt sich erschwerend auf die Behandlung mit dem jeweiligen Gerinnungsfaktor aus. Eine sogenannte Desensibilisierung kann dagegen wirken.

Bei leichter Hämophilie verschreibt die Ärztin/der Arzt z.B. auch Tabletten. Etwa die Wirkstoffe Tranexamsäure (oder Desmopressin). Treten Schmerzen auf, können schmerzhemmende Medikamente helfen. Dabei wird darauf geachtet, dass diese die Blutgerinnung nicht beeinflussen (z.B. Ibuprofen). Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“©) darf nicht zum Einsatz kommen, da es die Blutungsneigung verstärkt. Es sind regelmäßige Therapiekontrollen notwendig.

Hinweis

Auch bei leichten Gerinnungsstörungen ist vor jeder Operation oder Zahnbehandlung eine gemeinsame Vorausplanung mit der Ärztin/dem Arzt wichtig.

Alltag mit Hämophilie

Durch die Therapie mit Gerinnungsfaktoren ist es Betroffenen heutzutage möglich, ein nahezu normales Leben zu führen. Auch wenn es etwas dauert, bis man gelernt hat, mit der Verabreichung der Medikamente umzugehen. Bereits Kinder – vor allem mit schwerer Hämophilie – lernen durch Schulungen und Erfahrung, mit der Krankheit zu leben und was bei akuten Blutungen zu tun ist. Für Eltern ist es nicht leicht, einerseits ihre Kinder zu schützen und ihnen andererseits auch Tätigkeiten zu ermöglichen. Jugendliche können meist schon selbst die Verantwortung für den Umgang mit der Erkrankung übernehmen. In der Pubertät kommt es jedoch verständlicherweise immer wieder zu Problemen und Konflikten diesbezüglich mit den Eltern. Diese vergehen jedoch meist mit der Zeit wieder. Selbsthilfegruppen unterstützen Betroffene und Angehörige bei der Bewältigung des Alltags mit Hämophilie.

Sport ist für Menschen mit Hämophilie möglich. Jedoch sollte darauf geachtet werden, dass die Gelenke nicht zu stark beansprucht werden und ein nicht zu hohes Verletzungsrisiko besteht. Auch berufliche Tätigkeiten bis hin zu handwerklichem Arbeiten sind in der Regel kein Problem. Es ist individuell unterschiedlich, welche Tätigkeiten passend erscheinen. Je nachdem wie stark die Blutungsneigung ist und wie gut die Behandlung wirkt.

Hinweis

Besprechen Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt, welche Sportarten bzw. Alltagstätigkeiten geeignet sind.

Alle Impfungen müssen bei Menschen mit Hämophilie unter die Haut (subkutan) verabreicht werden – auch wenn dies der Herstellerangabe entspricht (meist werden Impfungen in den Muskel verabreicht). Zudem sollten Patientinnen/Patienten mit Hämophilie gegen Hepatitis A und B geimpft sein.

Bei der Österreichischen Hämophilie-Gesellschaft können Sie einen Hämophilie-Ausweis bestellen, den Sie immer ausgefüllt und auf dem aktuellen Stand mit sich führen sollten!

Wohin kann ich mich wenden?

Bei ersten Symptomen, die auf Hämophilie hinweisen, wenden Sie sich umgehend an (Kinder-)Ärztin/-Arzt oder an die nächstgelegene Ambulanz bzw. in Notfällen an den Notruf (144). Ist die Diagnose gestellt, gibt es einen festgelegten Behandlungs- sowie Notfallplan und diesbezügliche Ansprechstellen.

Patientinnen/Patienten sollten immer an ein Hämophilie-Behandlungszentrum angebunden sein, das mit niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten zusammenarbeitet. Sind Blutsverwandte in Ihrer Familie von Hämophilie betroffen, lassen Sie sich von einer Humangenetikerin/einem Humangenetiker über Ihr persönliches Risiko informieren.

Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?

Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:

sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.

Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.

Letzte Aktualisierung: 11. November 2021

Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal

Expertenprüfung durch: Dr. Rene Hauer, Facharzt für Medizinische und Chemische Labordiagnostik

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