Thromboseneigung
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Thromboseneigung: Was ist das?
Thromboseneigung wird im medizinischen Sprachgebrauch als Thrombophilie bezeichnet. Bei dieser kommt es leichter zu Thrombosen. Eine Thromboseneigung kann angeboren (vererbt) sein oder im Lauf des Lebens durch unterschiedliche Umstände entstehen („erworben“).
Damit das Blut ungehindert fließen, auf Veränderung der Zusammensetzung sowie Verletzungen der Gefäßwand reagieren kann, benötigt es ein Gleichgewicht zwischen Fibrinolyse (macht das Blut flüssiger) und Gerinnung (macht das Blut dicker). Im Körper darf es niemals zu einer unkontrollierten Aktivierung der Blutgerinnung kommen. Unkontrollierte Blutgerinnung würde die Gefäße verstopfen, und das wäre ein lebensbedrohlicher Zustand. Ebenso sollte es nicht zu einer übermäßigen Hemmung von Blutgerinnseln kommen – gefährliche Blutungen wären die Folge.
Zur Blutgerinnung werden Blutgerinnungsfaktoren benötigt. Das sind von der Leber gebildete Eiweißstoffe und wichtige Bestandteile der Blutflüssigkeit (Blutplasma). Die meisten Blutgerinnungsfaktoren sind am Zustandekommen der Blutgerinnung (bei der Bildung des Blutgerinnsels) beteiligt. Es gibt aber auch Gerinnungsfaktoren im Blut, die einen gegenteiligen Effekt haben – gerinnungshemmende Stoffe. Diese sind unter anderem für die Kontrolle der Blutgerinnung verantwortlich. Nähere Informationen finden Sie unter Blutgerinnung in der Laborwerte-Tabelle.
Welche Formen & Ursachen von Thromboseneigung gibt es?
Fachleute unterscheiden im Allgemeinen eine angeborene/vererbte von einer im Lauf des Lebens entstehenden/erworbenen Thromboseneigung. Für diese kann es verschiedene Ursachen geben.
Angeborene Thromboseneigung
Zu den Ursachen für eine angeborene Thromboseneigung zählen ein Mangel oder eine genetische Mutation von Gerinnungsfaktoren:
- Mangel an Protein C
- Mangel an Protein S
- Mangel an Antithrombin
- Faktor-V-Leiden (Mutation im Gen von Faktor V)
- Mutation im Gen von Prothrombin
Erworbene Thromboseneigung
Zu den Ursachen einer im Lauf des Lebens erworbenen Thromboseneigung zählen:
- Antikörper gegen Antiphospholipid: Diese können alleine oder auch in Zusammenhang mit bestimmten Autoimmunerkrankungen auftreten (z.B. Systemischer Lupus erythematodes). Die Antikörper gegen Antiphospholipid sind nicht vererbbar. Aber eine familiäre Neigung zu Autoimmunerkrankungen ist ein möglicher Risikofaktor für die Bildung dieser Antikörper. Diese können auch nur vorübergehend auftreten – zum Beispiel im Rahmen einer Infektion.
- Erhöhte Aktivität von Faktor VIII: Treten nach einer Thrombose sechs Monate lang erhöhte Werte des Gerinnungswertes Faktor VIII auf, ist das Thromboserisiko dadurch geringfügig erhöht. Jedoch ist die Faktor-VIII-Aktivität etwa auch bei Entzündungen, Tumoren, Stress, Diabetes, Schwangerschaft erhöht.
- Krebserkrankungen
- Funktionsstörungen der Blutplättchen (Thrombozyten)
- Gefäßveränderungen (z.B. Entzündungen)
Zudem können folgende Faktoren das Thromboserisiko erhöhen:
- Große operative Eingriffe (z.B. Hüftgelenksersatz-OP, Operationen an Gefäßen)
- Übermäßige Viskosität („Zähflüssigkeit“) des Blutes
- Hormonelle Verhütungsmittel
- Hormontherapie bei Frauen und Männern
- Immobilität/Bettlägerigkeit/langes Sitzen (z.B. im Flugzeug, bei langen Autofahrten, am Computer)
- Nierenerkrankungen
- Adipositas (ab einem BMI größer als 40)/vor allem in Kombination mit hormonellen Verhütungsmitteln und Rauchen
- Rauchen
Was ist eine APC-Resistenz?
Bei einer APC-Resistenz kommt es zu einem verlangsamten Abbau von Faktor V durch aktiviertes Protein C. Dadurch erhöht sich die Thromboseneigung. Die APC-Resistenz kann angeboren oder erworben sein.
Zu den unterschiedlichen Ursachen zählen:
- Mutationen im Gen von Faktor-V-Leiden
- Protein-S-Mangel
- Erhöhte Wirkung von Östrogen (z.B. durch„Pille" oder gegebenenfalls Schwangerschaft)
- Antiphospholipid-Antikörper
- Krebs
Wie wird die Diagnose einer Thromboseneigung gestellt?
Je nach betroffenem Körperteil oder Organ sind die Symptome einer Thrombose sehr unterschiedlich. Manchmal wird eine Thrombose gar nicht bemerkt, kann jedoch trotzdem eine gefährliche Embolie nach sich ziehen. Nähere Informationen finden Sie unter Tiefe Venenthrombose: Ursachen und Symptome und Lungenembolie. Kommt es zu Gefäßverstopfungen in den Arterien bzw. nachfolgend auch im Gehirn, kann ein Schlaganfall daraus entstehen. Nähere Informationen finden Sie unter Schlaganfall.
Die Ärztin/der Arzt wägt nach persönlichen Risikofaktoren ab, ob eine genaue Laborabklärung auf Thromboseneigung („Thrombophiliescreening“) sinnvoll ist. Dies ist z.B. der Fall
- nach Thrombose während der Schwangerschaft oder in Zusammenhang mit der Verwendung von hormonellen Verhütungsmitteln bei unter 50-Jährigen,
- bei wiederkehrenden oder untypischen Thrombosen (z.B. Sinusvenenthrombose) und Thromboseneigung in der Familie bei über 50-Jährigen.
Es erfolgt eine gründliche Erhebung der Krankengeschichte, eine körperliche Untersuchung und eine Blutabnahme für eine Laboruntersuchung. Die Ärztin/der Arzt veranlasst bei Bedarf auch weiterführende Untersuchungen. Bei Thrombosen der Arterien werden weiterführende Abklärungen auf Thromboseneigung vor allem dann durchgeführt, wenn ohne vorher bzw. sonstige erkennbare Ursache ein Herzinfarkt oder Hirninfarkt (ischämischer Schlaganfall) auftritt.
Wurde bei einer Person eine Thromboseneigung festgestellt, kann es empfohlen werden, auch direkte Familienangehörige (blutsverwandt) zu testen. Die Ärztin/der Arzt berät darüber, ob dies sinnvoll erscheint. In ca. sechzig Prozent der Fälle mit familiärer Thromboseneigung kann durch Untersuchungen die vererbte Ursache festgestellt werden. Dies erfolgt mittels genetischem Test.
Welche Labortests werden durchgeführt?
Labortests bei vererbter Thromboseneigung:
- Antithrombin III
- Protein C
- Protein S
- Thrombinzeit
Zudem werden Gentests (DNA-Tests) durchgeführt – auf Faktor-V-Gen und Prothrombin-Gen.
Labortests bei erworbener Thromboseneigung:
- Thromboplastinzeit (Quick-Wert)
- Cardiolipin, IgG-Antikörper
- Cardiolipin, IgM Antikörper
- Lupus-Antikoagulantien
- Beta-2-Glycoprotein, IgG-Antikörper
- Faktor-VIII
Weitere Informationen finden Sie unter Blutgerinnung in der Laborwerte-Tabelle.
Wie erfolgt die Behandlung einer Thromboseneigung?
Thrombosen infolge einer Thromboseneigung werden wie jede andere behandelt – vor allem mittels Blutverdünnung (Antikoagulation). Die Dauer der Behandlung richtet sich nach der genauen Ursache. Bei herkömmlichen Thrombosen, die nicht aufgrund einer vererbten Thromboseneigung auftreten, verabreicht die Ärztin/der Arzt zuerst Heparin als Spritze bzw. Infusion. In der Folge kommt der Wirkstoff Phenprocoumon (Marcumar® Tabletten) oder direkte orale Antikoagulantien (DOAC/ Wirkstoffe Rivaroxaban, Dabigatran, Apixaban, Edoxaban) zum Einsatz. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sichern den Therapieerfolg und sorgen für eine ausgewogene Einstellung der Blutgerinnung. Diese dienen auch dazu, Nebenwirkungen, z.B. Blutungen, möglichst gering zu halten.
Besonderheiten der Therapie bei vererbter Thromboseneigung
Bei angeborenem Mangel oder Störungen von Blutgerinnungsfaktoren können die jeweiligen betroffenen Faktoren im Bedarfsfall (z.B. Thrombose) über Infusion zugeführt werden. Bei der Behandlung von Thrombosen in Arterien werden ggf. zusätzlich Medikamente verabreicht, die die „Verklumpung“ von Blutplättchen hemmen (Thrombozytenaggregationshemmer, z.B. Aspirin®).
Bei Patientinnen/Patienten mit dem Nachweis einer Faktor-V-Leiden-Mutation hängt die Therapie davon ab, wie ausgeprägt die Genmutation ist. Geben beide Eltern das veränderte Gen weiter, nennt man das homozygot. Gibt nur ein Elternteil das veränderte Gen weiter, wird dies als heterozygot bezeichnet. Liegt eine heterozygote Mutation vor und bestehen keine Symptome, ist meist keine spezielle Therapie notwendig. Jedoch muss eine Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln oder Hormontherapie sehr genau abgewogen werden. Zudem sind in Hinblick auf Operationen spezielle Vorsichtsmaßnahmen notwendig. Liegen weitere Risikofaktoren vor, kann eine vorbeugende Therapie mit Gerinnungshemmern zum Einsatz kommen. Bei Patientinnen/Patienten mit dem Nachweis einer homozygoten Faktor-V-Leiden-Mutation wird nur in Einzelfällen eine vorbeugende gerinnungshemmende Therapie zur Blutverdünnung empfohlen. Die Ärztin/der Arzt informiert über die am besten geeignete Vorgehensweise.
Liegt ein angeborener Mangel an Antithrombin oder ein homozygoter Protein-C-Mangel vor, wägt die Ärztin/der Arzt individuell ab, ob blutverdünnende Medikamente notwendig sind. Tritt jedoch eine Thrombose auf, ist in diesem Fall eine möglicherweise lebenslange Therapie mit Phenprocoumon sinnvoll.
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind in jedem Fall wichtig. Vor allem in besonderen Lebenssituationen (z.B. Kinderwunsch, Krebsdiagnose oder Operation) ist zusätzlich eine Beratung durch die Ärztin/den Arzt notwendig. Bei Unsicherheiten, wann dies angebracht ist, wenden Sie sich an Ihre behandelnde Ärztin/Ihren behandelnden Arzt.
Wohin kann ich mich wenden?
Die Abklärung einer Thromboseneigung ist meist an das Auftreten eines Blutgerinnsels gekoppelt und wird daher in der Regel im Spital eingeleitet. Um das familiäre Risiko festzustellen, können Sie sich an eine Allgemeinmedizinerin/einen Allgemeinmediziner wenden. Diese/dieser überweist im Anlassfall an eine Fachärztin/einen Facharzt für Labormedizin oder Medizinische Genetik.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
- Recht auf Behandlung
- Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte
- Was kostet der Spitalsaufenthalt
- Rezeptgebühr: So werden Medikamentenkosten abgedeckt
- Reha & Kur
- Heilbehelfe & Hilfsmittel
- Gesundheitsberufe A-Z
sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 11. November 2021
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Rene Hauer, Facharzt für Medizinische und Chemische Labordiagnostik