Internetsucht
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Was ist Internet-Sucht?
Die Frage, was Internet-Sucht eigentlich ist, ist nicht so leicht zu beantworten. Zudem verändern sich Inhalte und Formate im Internet sehr schnelllebig. Wonach aber sind Internet-Süchtige süchtig? Der Begriff zieht sich auf eine Vielzahl an internet-bezogenen Verhaltensweisen, die in eine Abhängigkeit münden können. Dazu zählen vor allem das suchtartige Nutzen von Foren, Computerspielen, Shopping etc. Die Suchtpotenziale sind dabei sehr unterschiedlich. Vor allem Online-Rollenspiele, Online-Glücksspiel, Communities sowie Erotikportale können erhöhtes Suchtpotenzial aufweisen.
Das Internet spricht unterschiedlichste Bedürfnisse des Menschen an – nach Kommunikation, Anerkennung, Zuwendung, Liebe, Glück, Sex etc. Auf Plattformen von sozialen Medien, beim Chatten, Online-Gaming oder auch Online-Erotik-Konsum scheinen vieler dieser Wünsche leicht zu erfüllen. Die virtuelle Welt bietet so viele Möglichkeiten. Die eigene Identität kann mitunter „aufgepolstert“ werden, Beziehungen scheinen leicht zu knüpfen zu sein. Aber auch unangenehme Überraschungen hat das Internet zu bieten und Phänomene wie Cybermobbing bzw. Gewalt im Internet sind schon lange keine Seltenheit mehr. Internet-Sucht kann auch zusammen mit anderen Suchtformen auftreten z.B. Alkoholmissbrauch, Nikotinsucht,, Konsum illegaler Drogen sowie in Zusammenhang mit unterschiedlichen psychische Erkrankungen.. Ausprägungen und Varianten der Internet-Sucht sind derzeit Gegenstand aktiver Forschung.
Dieses Suchtverhalten kann mit der Zeit dazu führen, dass andere ursprünglich positive empfundene Lebensbereiche an Attraktivität verlieren oder ganz an Bedeutung verlieren.
Wie wird die Diagnose Internet-Sucht gestellt?
Internet-Sucht wird momentan im ICD-10 lediglich als „Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle, nicht näher bezeichnet“ (F63.9) abgebildet. Die WHO setzt sich allerdings dafür ein, dass sie künftig einen „eigenen Platz“ im Codierungssystem der Erkrankungen bekommt. Computerspielsucht, die als Form bzw. Ausprägung der Internet-Sucht gesehen werden kann, wird im ICD-11 bereits als eigene Erkrankung anerkannt.
Kennzeichen für Internet-Sucht
Zu den möglichen Warnsignalen/Symptomen zählen:
- Fokussierung/Craving: „Online“ zu sein, wird zum Lebensmittelpunkt. Ein intensives Verlangen nach dem Internet tritt auf. Man beschäftigt sich stark damit, auch während anderer Aktivitäten.
- Kontrollverlust: Die Zeit, die im Internet verbracht wird, ist nicht mehr aktiv zu kontrollieren. Immer öfter, immer mehr lautet nun das Motto, um die Bedürfnisse zu befriedigen.
- Entzugssymptome: Unfreiwilliges Offline sein führt zu Entzugssymptomen wie etwa Reizbarkeit, Unruhe, Gefühlsinstabilität, Konzentrations- oder Schlafstörungen. Das Vorhandensein körperlicher Entzugserscheinungen ist wissenschaftlich allerdings umstritten.
- Alleine ist die Sucht nicht bewältigbar: Aus eigenem Antrieb ist es nicht mehr möglich, das problematische Internet-Verhalten zu ändern. Professionelle Hilfe ist nötig. Allerdings wird die Sucht oft verleugnet z.B. durch Verharmlosung oder Rechtfertigungen.
- Vermeintliche Problemlösung über Mediennutzungsverhalten: Internet-Konsum wird zunehmend zur Stimmungs- und Gefühlsregulation eingesetzt. Irgendwann wird dieses Verhalten fast die einzige Möglichkeit mit Problemen etc. umzugehen.
- Zu Beginn fühlt man sich besser, im Lauf der Zeit schlecht: Anfangs fühlt sich das Verhalten angenehm an – nach dem „Belohnungsprinzip“, aber im Verlauf der Suchtentwicklung wird es zunehmend belastend empfunden.
- Probleme mit dem sozialen Umfeld nehmen zu: Durch exzessives Online-Verhalten kommt es zu Vernachlässigung sozialer Kontakte bis hin zu Verlust des Arbeitsplatzes oder Schwierigkeiten in der Schule.
- Verschlechterung bestehender Erkrankungen: Aber auch sonstige oftmals schon zuvor bestehende psychische Erkrankungen können sich verschlechtern.
Zudem sind auch körperliche Folgen möglich: Mangelernährung, Schlafentzug, Schäden am Bewegungsapparat, Sehprobleme bis hin zur totalen Erschöpfung.
Für die Diagnosestellung wird die Krankengeschichte erhoben. Je nach individuellem Befinden bzw. Symptomen sowie möglicherweise bestehenden Erkrankungen sind weitere Erhebungen sowie Untersuchungen (z.B. klinisch-psychologische Diagnostik) notwendig.
Wie erfolgt die Behandlung von Internet-Sucht?
Zunächst ist wichtig, das Vorliegen einer möglichen zuvor bereits bestehenden psychischen Erkrankung (z.B. Angststörungen, Depressionen, ADHS, soziale Phobie) in den Blick zu nehmen. Und zwar, da das Suchtverhalten möglicherweise als vorerst vermeintliche „Problemlösungsstrategie“ dafür verwendet wird und es wichtig ist, die bereits bestehenden Krankheiten gut zu behandeln sowie andere Problemlösungsmechanismen zu entwickeln.
In der Suchtbehandlung geht es meist um das Vermeiden der Substanz/des Auslösers, um das Erkennen der sich hinter der Sucht verborgenen Bedürfnisse und darum, Wege zu finden, mit diesen Bedürfnissen umzugehen. Aber beim Internet-Konsum ist Abstinenz im Alltag sehr schwer möglich. In der Behandlung geht es daher um die Einschränkung des Gebrauchs. Um Kontrolle über das eigene Internet-Verhalten wiederzugewinnen. Unter anderem zählen hierzu Zeitmanagement und das Erlernen von Bewältigungsstrategien. Dabei kommt vor allem Psychotherapie zum Einsatz. Auch klinisch-psychologische Beratung/Behandlung findet Anwendung.
Die Kontrolle über das Leben wiedererlangen
Zur Therapie gehören folgende Inhalte:
- Analyse des Internet-Verhaltens sowie von Interaktionsstrategien mit der Umwelt – auch um herauszufinden, welche Bedeutung das Verhalten für die Person hat.
- Psychoedukation – Verständnis für das Störungsbild entwickeln.
- Gefühlsregulation und Wahrnehmen eigener Bedürfnisse.
- Ressourcenorientierung: persönliche Stärken zur Genesung nutzen.
- Problemlösungsstrategien erarbeiten.
- versuchen Risikofaktoren zu minimieren oder den Umgang damit schulen (z.B. „Verführungssituationen“ gegensteuern),
- Aufarbeitung von den Folgen der Sucht (z.B. Arbeitsplatzverlust etc.),
- Vermittlung von Medienkompetenz.
Betroffene sollen Lebensqualität und Kontrolle über ihren Alltag Schritt für Schritt wiedergewinnen. Jede/jeder hat eine andere Lebensgeschichte sowie Risikofaktoren, aber auch Ressourcen. Daher richtet sich die Behandlung individuell nach der jeweiligen Person. Voraussetzung für eine Psychotherapie bzw. klinisch-psychologische Beratung/Behandlung ist die Therapiemotivation. D.h. Betroffene möchten an ihrer „Sucht“ arbeiten, sie lindern und haben dafür auch Gründe parat. Meist geht der Therapiemotivation eine lange Leugnungsphase voraus. Es kann auch während der Behandlung zu Rückfällen kommen. Eine Gruppenpsychotherapie kann sinnvoll sein. In dieser kann es helfen, mit anderen Betroffenen zu reden. Begleitende psychische Erkrankungen werden je nach Ausprägung behandelt (mitunter auch medikamentös).
Was können Angehörige tun?
Angehörige sollten sich Unterstützung und Beratung holen und nach Möglichkeit in die Therapie miteingebunden werden. Sie können Betroffene unterstützen, jedoch auch selbst Hilfe in Anspruch nehmen. Denn die Situation ist auch für viele Angehörige bzw. nahe stehende Menschen sehr belastend. Auch Selbsthilfegruppen für Angehörige können hilfreich sein. Nähere Informationen finden Sie auch unter Angehörige von psychisch Erkrankten.
Kann man einer Internet-Sucht vorbeugen?
Unterschiedliche Faktoren können das Risiko, an einer Internet-Sucht zu leiden erhöhen:
- Kindes- und Jugendalter,
- starke berufliche Internet-Nutzung,
- bestehende psychische Erkrankung (z.B. Angststörungen, Depressionen, ADHS, soziale Ängste, etc.),
- substanzabhängige Sucht (z.B. Alkohol),
- starke Ängstlichkeit, geringes Selbstbewusstsein, erhöhte Stressanfälligkeit,
- Neigung zur sozialen Isolation und erhöhte Kränkbarkeit,
- geringe emotionale Stabilität sowie gering ausgeprägte Selbstregulierungsfähigkeiten,
- hohe Impulsivität,
- Krisen/Probleme bzw. Vernachlässigung z.B. in der Familie,
- häufiges Online-Gaming im Multiplayer-Modus.
Welche Fähigkeiten werden in der Suchtprävention vermittelt?
Vorbeugung beginnt am besten im Kinder- bzw. Jugendalter im Sinne einer passenden Medienerziehung.
Skills (Fertigkeiten), die (Risikogruppen) in der Suchtprävention vermittelt werden:
- Umgang mit dem Internet: Selbstkontrolle, Abstinenz von besonders „verführerischen“ Internet-Applikationen.
- Gefühle und Gedanken erkennen, die zu unpassender Kompensation führen könnten.
- Umgang mit Stress und Gefühlen: Erlernen von Coping-Strategien, Umgang mit Gefühlen und mit schwierigen Situationen im Alltag.
- Stärkung von positiven vorhandenen Ressourcen.
- Stärkung des Selbstbewusstseins.
- Schulung der sozialen Kompetenz und von Kommunikation „offline“.
- Schlafhygiene .
- Aktive und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung.
- Soziales Eingebundenen.
- Gesunde sportliche Aktivitäten
Diese Skills betreffen generell Verhaltenssüchte. Die Prävention speziell der Internet-Sucht ist zum Teil noch Gegenstand aktiver Forschung.
Auch die Verbesserung der Eltern-Kind-Interaktion kann sich vorbeugend auswirken:
- qualitativ hochwertige Zeit mit dem Kind verbringen,
- Verbesserung der psychischen Gesundheit der Eltern, falls diese beeinträchtigt ist.
Nähere Informationen hierzu finden Sie unter Jugendliche & Neue Medien.
Links zu Suchtpräventionsstellen finden Sie hier.
Wohin kann ich mich wenden?
Haben Sie den Verdacht, an Internet-Sucht zu leiden oder möchten Sie jemandem aus Ihrer Umgebung helfen, sind Sie bei folgenden Ansprechstellen richtig:
- Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie
- Psychotherapeutin/Psychotherapeut
- klinische Psychologin/klinischer Psychologe
Unter Gesundheitssuche finden Sie hilfreiche Informationen zur Arzt- bzw. Therapeutensuche.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Informationen finden Sie unter Abhängigkeit: Leistungen und Kosten.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 7. Januar 2019
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Dominik Batthyány