Standard-Bikarbonat
Synonyme: Bikarbonat (BIK)
Die Höhe von Bikarbonat (HCO3) im Blut ist eine Labormessgröße, die im Rahmen der Blutgasanalyse im arteriellen bzw. Kapillarblut bestimmt wird. Der Bikarbonatwert spiegelt die Fähigkeit des Blutes wider, einen Überschuss an Wasserstoff-Ionen auszugleichen (zu puffern). Abweichungen des Bikarbonatwertes im Blut bedeuten daher eine Störung im Säure-Basen-Haushalt.
- Base excess (BE)
- Basenabweichung
- ctO2
- FO2Hb
- Kohlendioxidpartialdruck (PCO2)
- O2-SAT
- Oxyhämoglobinfraktion (FO2H)
- p50
- pCO2
- pH arteriell/ kapillar (PHA/C)
- pH-Wert
- pO250
- Sauerstoffgehalt (O2CT)
- Sauerstoffhalbsättigungsdruck (PO250)
- Sauerstoffkonzentration
- Sauerstoffpartialdruck (PO2)
- Sauerstoffsättigung berechnet (O2SAT)
- Sauerstoffsättigung gemessen (O2S)
- sO2
Inhaltsverzeichnis
Warum wird Bikarbonat im Blut bestimmt?
Die Höhe des Bikarbonatwertes im Blut ist eine Labormessgröße der sogenannten
- Blutgasanalyse – einer labordiagnostischen Methode zur Beurteilung der Oxygenierungsleistung der Lungen sowie des Verhältnisses zwischen Säuren und Basen im Blut (sogenannter Säure-Basen-Haushalt).
Für die Blutgasanalyse kommt arterielles bzw. Kapillarblut zum Einsatz. Bei Verwendung von venösem Blut für diese Laboruntersuchung kann zwar eine Beurteilung des Säure-Basen-Haushaltes erfolgen, nicht jedoch des Sauerstoffstatus des Körpers.
Bikarbonat ist eine der Formen, in welcher Kohlendioxid im Blut vorkommt:
- gelöstes Kohlendioxid (Kohlendioxidpartialdruck),
- Kohlensäure (H2CO3) sowie
- Bikarbonat (HCO3).
Dabei ist die Regulation des Kohlendioxidgehaltes im Blut für ein Gleichgewicht im Säure-Basen-Haushalts des Körpers wichtig. Die Regulation dieses Säure-Basen-Gleichgewichts erfolgt vor allem durch die folgenden beiden Organe:
- die Lungen (reagieren schnell auf ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt): Ausscheidung von Säuren durch Abatmung von Kohlendioxid (CO2); sowie
- die Nieren (reagieren träger auf ein Ungleichgewicht im Säure-Basen-Haushalt): durch die Ausscheidung von Wasserstoffionen regulieren die Nieren den Bikarbonathaushalt, welches das wichtigste Puffersystem des Körpers darstellt.
Für die Messung der Blutgase kommen hoch automatisierte Blutgasanalysesysteme zum Einsatz, wobei es zur Kalkulation des Bikarbonatwertes die folgenden zwei Möglichkeiten gibt:
- Das sogenannte „aktuelle Bikarbonat“ wird aus dem pH-Wert sowie dem Kohlendioxidpartialdruck berechnet.
- Das sogenannte „Standard-Bikarbonat“ berechnet sich aus Hämoglobinwert (roter Blutfarbstoff), Sauerstoffsättigung sowie Basenüberschuss.
Wie ist das Ergebnis der Bikarbonatmessung im Blut zu interpretieren?
Zur Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts des Körpers müssen immer die folgenden Laborwerte in Zusammenschau beurteilt und interpretiert werden:
- pH-Wert des Blutes,
- pCO2-Wert des Blutes,
- Bikarbonatwert (HCO3) bzw. Basenüberschuss (BE) des Blutes.
Da die Höhe des Bikarbonatwertes im Blut vor allem durch die Nieren reguliert wird, bezeichnet man das Bikarbonat auch als
- sogenannte metabolische Komponente (bzw. nicht-respiratorische Komponente) des Säure-Basen-Haushalts, welche in erster Linie durch die Funktion der Nieren bestimmt wird.
Dabei bedeuten erhöhte Bikarbonatwerte auf der einen Seite eine Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts in Richtung
- „Alkalose“ (Basenüberschuss bzw. Säureverlust).
Auf der anderen Seite bedeuten erniedrigte Bikarbonatwerte eine Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts in Richtung
- „Azidose“ (Basenverlust bzw. Säureüberschuss).
Blutgasanalyse (BGA)
Bei der Blutgasanalyse handelt es sich um eine einfache und rasch durchführbare labordiagnostische Methode zur Beurteilung der folgenden Körperfunktionen:
- Die Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff durch die Lungen (sogenannte „Oxygenierung“) sowie
- das Verhältnis zwischen Säuren und Basen im Blut (sogenannter Säure-Basen-Haushalt).
Zur Durchführung einer Blutgasanalyse muss von der Patientin bzw. dem Patienten arterielles bzw. Kapillarblut gewonnen werden. Dabei wird
- arterielles Blut durch Punktion einer Arterie (z.B. der Arteria radialis am Handgelenk) gewonnen;
- Kapillarblut wird beim Erwachsenen zumeist aus dem Ohrläppchen und bei Neugeborenen sowie Säuglingen aus der Ferse ebenfalls durch Punktion der Haut nach Hyperämisierung (Steigerung der Hautdurchblutung mittels nikotinsäureester-haltigen Salben) gewonnen.
Zur Sammlung des Blutes für die Blutgasanalyse kommen spezielle Abnahmegefäße zum Einsatz, die Lithium-Heparin zur Verhinderung der Blutgerinnung enthalten.
Die Analyse von Blut-pH-Wert (Säure-Basen-Haushalt) und Blutgasen muss immer sofort nach der Gewinnung des Untersuchungsmaterials erfolgen. Idealerweise sollte das Blut sogar noch Körpertemperatur haben. Ein Versand der Blutproben auch innerhalb eines Krankenhauses ist nicht möglich, da dies die Messwerte verfälschen würde. Aus diesem Grund sollte die Blutgasanalyse immer in der unmittelbaren Nähe der entsprechenden Analysegeräte durchgeführt werden – v.a. in
- pulmologischen bzw.
- intermediär- sowie intensivmedizinischen Einrichtungen.
Die Blutgasanalyse selbst erfolgt mithilfe spezieller, hoch automatisierter Blutgasanalyse-Messgeräte. Von diesen Messgeräten wird je nach Gerätetyp eine Reihe von Messwerten erhoben, die in folgenden Gruppen zusammengefasst werden können:
- Zu den Messwerten des Sauerstoffstatus zählen
- Sauerstoffpartialdruck (pO2),
- Sauerstoffsättigung (sO2),
- Hämoglobin (roter Blutfarbstoff), Hämatokrit,
- Oxyhämoglobinfraktion (FO2Hb),
- Sauerstoffgehalt (ctO2) u.v.m.
- Zu den Messwerten des Säure-Basen-Haushalts gehören
- pH-Wert des Blutes,
- Kohlendioxidpartialdruck (pCO2),
- Bikarbonat (HCO3),
- Gesamt-CO2 (tCO2),
- Basenabweichung (B.E.),
- CO2-Bindungskapazität etc.
Neben diesen Messwerten können mittels moderner Blutgasanalysegeräte oft auch eine Reihe weiterer Laborwerte bestimmt werden, die vor allem in der Notfallmedizin wichtig sind:
- Elektrolyte (Natrium, Kalium, Chlorid, Calcium etc.),
- Glukose (Blutzucker),
- Laktat etc.
Zu den medizinisch-klinischen Einsatzgebieten der Blutgasanalyse zählen die folgenden Bereiche und Fragestellungen:
- Beurteilung der sogenannten „respiratorischen Funktion“ (sprich: der Atmung),
- Überwachung einer Beatmungstherapie,
- Bestimmung des Schweregrades von Störungen im Bereich des Säure-Basen-Haushaltes (sogenannte „Azidose“ bzw. „Alkalose“).
Eine Störung der Oxygenierung des Blutes wird unter dem Begriff der „respiratorischen Insuffizienz“ zusammengefasst, wobei hier unterschiedliche Faktoren bzw. deren Kombination als Ursachen infrage kommen können:
- Erkrankungen der Lunge,
- Störungen der sogenannten „Atempumpe“ (Atemmuskulatur, Atmungssteuerung durch Gehirn und Rückenmark) sowie
- Erkrankungen des Herzens (z.B. Herzinsuffizienz und Lungenödem).
Je nach erkranktem Organ und Schwere der Störung kann es zu einer akuten (meist lebensbedrohlichen) bzw. chronischen Ateminsuffizienz kommen, wobei im Hinblick auf die Therapie in erster Linie eine Behandlung der Grunderkrankung (sogenannte „kausale“ Therapie) erfolgen sollte. Als symptomatische Therapiemaßnahme wird bei respiratorischer Insuffizienz meist eine Beatmungsbehandlung (Mund/Nasen-Masken) durchgeführt.
Sowohl für die Diagnose einer respiratorischen Insuffizienz als auch die weitere Überwachung einer Beatmungsbehandlung kommt der Blutgasanalyse ein hoher Stellenwert zu.
Die Blutgase (Sauerstoff und Kohlendioxid) hängen aber auch unmittelbar mit dem Säure-Basen-Haushalt zusammen. Insbesondere werden durch die Abatmung von Kohlendioxid Säuren aus dem Körper ausgeschieden:
- sogenannte „respiratorische Komponente“ des Säure-Basen-Haushalts.
Weiters gibt das überwiegend durch die Nieren gesteuerte Bikarbonatsystem, das die
- sogenannte „metabolische Komponente“ des Säure-Basen-Haushalts darstellt.
Je nach dem Verhältnis zwischen Säuren und Basen im Körper sowie dem Einfluss der respiratorischen sowie metabolischen Komponente(n) des Säure-Basen-Haushalts werden in der Medizin die folgenden Störungen unterschieden:
- Azidose (Säurenüberschuss im Körper):
- metabolische Azidose (z.B. bei diabetischem Koma oder Niereninsuffizienz);
- respiratorische Azidose (z.B. respiratorische Insuffizienz);
- Alkalose:
- metabolische Alkalose (z.B. durch Säureverlust bei Erbrechen von Magensaft, hormonproduzierenden Nebennierenrindentumoren etc.);
- respiratorische Alkalose (z.B. durch sogenannte „Hyperventilation“ – übermäßiges Atmen meist infolge psychischer Störungen).
Auch für die Abklärung dieser Störungen des Säure-Basen-Haushalts kommt der Blutgasanalyse eine große Bedeutung zu. Dies betrifft sowohl die Diagnostik als auch die Überwachung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Rahmen therapeutischer Maßnahmen.
Weitere Informationen
LOINC: 1960-4, 1961-2
Referenzwerte
Männer bis 18 Jahre | Männer über 18 Jahre | Frauen bis 18 Jahre | Frauen über 18 Jahre | Einheit |
---|---|---|---|---|
22–26 mmol/L | 22–26 mmol/L | 22–26 mmol/L | 22–26 mmol/L | mmol/L (Millimol pro Liter) |
Hinweis
Die an dieser Stelle angeführten Referenzwerte dürfen nicht für die Interpretation eines Laborbefundes verwendet werden, da es sich hierbei um einen exemplarischen Näherungsbereich aus der medizinischen Fachliteratur für diese Labormessgröße in der jeweils untersuchten Körperflüssigkeit handelt. Die labormedizinischen Referenzwerte können sich von Richtwerten oder Grenzwerten für Diagnose und Therapie von Krankheiten unterscheiden.
Grundsätzlich hängen Referenzwerte von Alter und Geschlecht der Patientinnen und Patienten ab. Darüber hinaus können auch tageszeitliche Schwankungen bzw. eine Reihe von biologischen Rhythmen die Laborergebnisse beeinflussen. Außerdem hängen die Laborergebnisse auch von der vom jeweiligen medizinischen Labor eingesetzten Untersuchungsmethode ab (nicht alle Labors verwenden die gleiche Methode). Daher werden von der Ärztin oder vom Arzt nur die auf dem jeweiligen Laborbefund ausgewiesenen Referenzwerte für die medizinische Interpretation herangezogen. Mehr Informationen finden Sie unter: Was sind Referenzwerte?
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 25. November 2024
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Gerhard Weigl, Facharzt für Medizinische und Chemische Labordiagnostik, Zusatzfach: Zytodiagnostik