Wenn Männer „schwanger“ sind (Couvade-Syndrom)
Was ist das Couvade-Syndrom?
Beim sogenannten Couvade-Syndrom handelt es sich um eine Form einer Scheinschwangerschaft, bei der Männer schwangerer Frauen schwangerschaftstypische Beschwerden an sich selbst feststellen. Dies können einerseits körperliche Symptome wie z.B. Übelkeit, Erbrechen, Sodbrennen, Appetitveränderungen, Zahnschmerzen, Atemprobleme oder Rückenschmerzen sein; andererseits klagen betroffene Männer auch über psychische Veränderungen wie z.B. Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Ängste oder Depressionen. Auch eine Gewichtszunahme ist typisch. Die Beschwerden der Männer treten meist zu Beginn und gegen Ende der Schwangerschaft ihrer Partnerin auf und legen sich danach wieder.
Der Begriff „Couvade“ (französisch couver: hegen, bemuttern) stammt aus der Ethnologie (Völkerkunde) und bezeichnet Rituale traditioneller Kulturen, mit denen sich Väter auf die Geburt eines Kindes einstimmen. In manchen Kulturen werden die Symptome einer Schwangerschaft von den Männern rituell ausgelebt bzw. nachgeahmt. Eine Deutung ist, dass damit die Beziehung des Vaters zum Kind unterstrichen werden soll. Der Begriff „Couvade“ wurde in der Psychologie von den Forscherinnen/Forschern übernommen, um das Syndrom einer „Co-Schwangerschaft“ zu bezeichnen.
Im Unterschied zu solch traditionellen Ritualen werden die schwangerschaftstypischen Beschwerden beim Couvade-Syndrom jedoch von den betroffenen Männern nicht vorsätzlich nachgeahmt. Der Zusammenhang mit der Schwangerschaft der Partnerin wird häufig nicht bewusst wahrgenommen.
Hormonelle Veränderungen
Untersuchungen zeigten, dass sich bei manchen Männern während der Schwangerschaft ihrer Partnerin nicht nur körperliche Symptome einstellen, sondern sich auch bestimmte Hormonwerte verändern. So steigen die Hormone Prolaktin und Östrogen an, wenn auch in weit geringeren Mengen als bei Schwangeren. Auch der Spiegel des Steroidhormons Cortisol kann vorübergehend ansteigen.
Der Spiegel des Sexualhormons Testosteron hingegen kann bei manchen Männern während der Schwangerschaft ihrer Partnerin etwas sinken. Dies muss jedoch nicht immer auf die Schwangerschaft zurückzuführen sein: Auch Männer, die viel Zeit mit ihrem Kind verbringen oder die in langen Partnerschaften leben, haben eher niedrigere Testosteronspiegel als alleinstehende Männer.
Was ist die Ursache des Couvade-Syndroms?
Vermutet wird, dass die genannten hormonellen Veränderungen insgesamt die Entwicklung einer engen Bindung zum Baby unterstützen und fürsorgliches Verhalten fördern. Sie scheinen also eine Art biologisches Programm für die „Brutpflege“ zu sein und gleichzeitig verantwortlich für die schwangerschaftsähnlichen Symptome. Dies ist jedoch wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen.
Ebenso unklar ist, wie die Schwangerschaft der Frau überhaupt zu den hormonellen Veränderungen ihres Partners führt. Vermutet wird eine Wechselwirkung zwischen psychischen Prozessen und dem Hormonspiegel: Auch für Männer stellt eine Schwangerschaft eine besondere Zeit dar, voller Veränderungen, Erwartungen und unterschiedlichster Erlebnisse. Und diese wiederum können ihrerseits den Hormonhaushalt beeinflussen. Auch biochemische Signalstoffe, die von der werdenden Mutter ausgesendet werden, könnten damit in Zusammenhang stehen.
Psychosomatische Ursache?
Eine andere Theorie besagt, dass die psychischen Herausforderungen einer Schwangerschaft das Couvade-Syndrom auslösen und es sich um rein psychosomatische Beschwerden handelt. Schwangerschaft und Geburt sind für Männer besondere Situationen, die eine Veränderung im Leben bewirken. Die Geburt eines Kindes bedeutet auch für Männer neue Verantwortungen und Aufgaben. Besonders bei sehr engen und vertrauensvollen Partnerschaften kann es zu einer unbewussten Nachahmung der Symptome der schwangeren Frau kommen. Auch Neid auf die Rolle der Mutterschaft wurde als Ursache untersucht.
Rund um das Couvade-Syndrom sind viele Fragen offen. Es kann auch einfach ein Hinweis darauf sein, dass sich Männer auf die Geburt und die neuen Aufgaben mit dem Kind und der Partnerin psychisch einstellen. Väterliches Engagement wirkt sich jedenfalls positiv auf die Eltern-Kind-Bindung und die spätere Entwicklung des Kindes aus.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 11. Mai 2020
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Mag.a Dr.in Karin Windsperger