Notfall: Psychiatrische Krise
Inhaltsverzeichnis
Psychiatrische Krise: Was ist das?
Bei einem psychiatrischen Notfall tritt eine psychiatrische Störung akut auf oder verschlimmert sich bis hin zu einem medizinischen Notfall. Auch ein akutes körperliches Leiden (z.B. Gehirnblutung, Stoffwechselstörung) kann zu psychiatrischen Symptomen führen. Dabei kommt es zu einer unmittelbaren Gefährdung von Leben und Gesundheit der betroffenen Person (sowie ggf. auch seiner Umgebung). Daher muss bei einem psychiatrischen Notfall sofort eine ärztliche Versorgung stattfinden.
Zu akuten psychiatrischen Notfällen zählen etwa:
- Konkrete Suizidpläne/Suizidversuch,
- hochgradige Erregung (z.B. bei Menschen, die an Manie, Schizophrenie, Depression oder emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung leiden),
- Aggressivität/Gewalttätigkeit im Rahmen einer psychischen Erkrankung,
- akute Angst-/Panikstörung,
- paranoide Gedanken und Halluzinationen („Verfolgungswahn“) und daraus entstehendes Verhalten,
- Stupor,
- Katatonie (psychiatrisches Syndrom mit Verharren in bestimmten Haltungen, Wiederholen von Lauten oder Grimassieren – begleitend von Störungen der Gefühlswelt),
- schwere Vergiftungen, die psychiatrische Symptome auslösen (z.B. mit Alkohol, Medikamenten und/oder Drogen),
- Delir.
Auch z.B. bei geäußerten Suizidgedanken ohne konkrete Pläne sowie akuten Belastungsreaktionen kann eine Notfallbehandlung notwendig sein.
Woran erkenne ich eine psychiatrische Krise?
Bei einer psychiatrischen Krise kann oft nur schwer Kontakt zur betroffenen Person hergestellt werden. Im Gespräch wirken Betroffene meist abwesend und legen teils auch ungewöhnliches Verhalten an den Tag. Zudem kann sich eine psychiatrische Krise durch folgende Kennzeichen äußern:
- Störungen des Bewusstseins (z.B. Benommenheit, Verwirrtheit, keine Reaktion auf Ansprechen bei starrem Blick),
- Störung des Realitätsbezugs: Wahrnehmung, Denken und Handeln sind nicht realitätsnah und wirken „komisch“, z.B. „wirres“ Reden, Halluzinationen und Wahnvorstellungen,
- unkontrolliertes (aggressives) Verhalten,
- überflutende Gefühle, z.B. von Angst oder Trauer,
- Ankündigung von selbst- oder fremdgefährdendem Verhalten (z.B. Suizidabsichten) sowie
- „Nervenzusammenbruch“ (akute Belastungsreaktion) etc.
Hinweis
Bei einem psychiatrischen Notfall droht Lebensgefahr (z.B. bei Gefahr der Selbstschädigung oder eskalierender Gewalt). Eine akute Verschlechterung eines Krankheitszustandes mit unter Umständen nicht rückgängig zu machenden Folgen ist möglich. Daher ist bei einem psychiatrischen Notfall rasche medizinische Hilfe unumgänglich! Rufen Sie die Rettung unter 144 bzw. im Falle von akuter Gefahr für die Sicherheit die Polizei unter 133.
Wie kann ich Erste Hilfe leisten?
So können Sie einem Menschen in einer psychiatrischen Krise „Erste Hilfe“ leisten:
- Betroffene in Notsituation ansprechen: Versuchen Sie, Ruhe zu bewahren und die Lage zu erfassen. Sprechen Sie die betroffene Person an. Betroffene sollten Raum bekommen, selbst zu erzählen, wie es Ihnen geht. In jedem Fall ist die Privatsphäre der Person zu akzeptieren.
- Rasch Hilfe holen: Rufen Sie die Rettung unter 144 oder die Polizei unter 133 bei Risiko einer Selbst- oder Fremdgefährdung.
- In Kontakt bleiben bis die Rettung kommt: Versuchen Sie die Betroffene/den Betroffenen nicht alleine zu lassen! Bleiben Sie wenn möglich mit ihr/ihm in Kontakt, ermöglichen Sie jedoch auch einen Rückzugsraum. Vermeiden Sie Zurechtweisungen. Versuchen Sie diejenige/denjenigen zu beruhigen und gegebenenfalls noch weitere Hilfe zu holen. Nehmen Sie die Person und ihre Wahrnehmung ernst, stellen Sie diese nicht in Frage. Die Rettungsleitstelle kann Ihnen auch über das Telefon Anweisungen geben, die Sie befolgen sollten.
Hinweis
Es ist manchmal schwierig, selbst einen klaren Kopf in dieser Situation zu bewahren. Gefühle wie Ohnmacht und Verzweiflung können so stark mitempfunden werden, dass man selbst fast handlungsunfähig wird. Vor allem, wenn man zu der betreffenden Person ein nahes Verhältnis hat. Diskutieren Sie jedoch nicht lange – holen Sie Hilfe. Manchmal kann es sein, dass das Hilfsangebot abgewiesen wird. Das gilt in den wenigsten Fällen Ihnen persönlich. Holen Sie dennoch Hilfe! Einfühlsam zu sein und gleichzeitig konsequent Hilfe zu organisieren, muss kein Widerspruch sein.
Versuchen Sie zudem, bei Menschen, die aggressiv sind, ruhig zu bleiben und sorgen Sie für Ihre Sicherheit, halten Sie Abstand. Zeigen Sie klar Ihre Grenzen.
Weitere Informationen finden Sie in der Broschüre von HPE (Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter) „Psychiatrische Krisen. Erkennen. Handeln. Vorbeugen.
Was kann ich tun, wenn ich selbst in einer psychiatrischen Krise bin?
Es geht Ihnen psychisch sehr schlecht? Kontaktieren Sie umgehend die Rettung unter der Nummer 144. Wenn jemand für Sie Hilfe holt, haben Sie Vertrauen, dass man Ihnen helfen möchte.
Sie sehen sich nicht mehr aus einer ausweglosen Situation hinaus, haben vielleicht auch Angst, sich etwas anzutun? Hilfsmöglichkeiten sowie rasche Ansprechstellen finden Sie unter Suizidgedanken? Holen Sie sich Hilfe. Es gibt sie.
Was ist der Unterschied zur psychosozialen Krise?
Im Unterschied zur psychiatrischen Krise besteht bei einer psychosozialen Krise keine unmittelbare Gefährdung. Sie ist jedoch ebenso sehr belastend und kann zu einem Notfall werden. Eine psychosoziale Krise wird durch belastende Lebensereignisse und/oder veränderte Umstände ausgelöst. Betroffene können diese momentan nicht mit ihren üblichen Problemlösungsstrategien bewältigen. In der Folge haben sie Schwierigkeiten, ihr Berufsleben sowie ihr soziales Leben zu meistern. Durch rechtzeitiges Handeln können so manche Folgeerkrankungen (z.B.posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen) oder gefährliche Situationen (z.B. Suizid, Gewalthandlung) vermieden werden. Nähere Informationen finden Sie unter Erste Hilfe leisten bei psychosozialen Krisen.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 5. August 2021
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prim. Dr. Wolfgang Grill