Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
Inhaltsverzeichnis
Welche Ursachen hat der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel?
Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel entsteht durch frei bewegliche, kalkhaltige Ablagerungen in einem Bogengang des Vestibularorgans (Gleichgewichtsorgan) im Innenohr. Diese Ablagerungen werden Otokonien oder Otolithen genannt.
Es gibt jeweils drei Bogengänge in beiden Innenohren
- den posterioren (hinteren – am häufigsten betroffen),
- den anterioren (vorderen) und
- den lateralen (seitlichen) bzw. horizontalen (waagrechten) Bogengang.
Sinneszellen der Bogengänge registrieren Drehbewegungen des Kopfes und leiten diese Bewegungsinformationen an das Gehirn weiter. Die Bogengänge sind mit einer Flüssigkeit (Endolymphe) gefüllt. Ablagerungen, die sich in der Endolymphe eines Bogengangs frei bewegen können, führen bei bestimmten Bewegungen zu einer fehlerhaften Aktivierung dieser Sinneszellen.
Der Drehschwindel entwickelt sich durch Aussendung widersprüchlicher Lage- bzw. Bewegungsinformationen verschiedener Körperstrukturen an das Gehirn.
Durch die Ablagerungen werden Drehbewegungsinformationen vom betroffenen Bogengang an das Gehirn gesendet, die mit den Informationen folgender Strukturen nicht übereinstimmen:
- den nicht betroffenen Anteilen des erkrankten Gleichgewichtsorgans desselben Innenohrs,
- dem Gleichgewichtsorgan des anderen Innenohrs,
- den Augen und
- dem Bewegungsapparat.
Häufig tritt der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel beim Aufrichten oder Drehen im Bett nach dem Schlafen bzw. nach langem Liegen (z.B. krankheitsbedingt) auf. Auch nach einem Unfall (v.a. Schädelprellung) kann ein benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel entstehen. Zudem kann er nach einem akuten Labyrinthausfall (vorübergehender Funktionsverlust des Gleichgewichtsorgans) auftreten.
Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel kommt häufiger vor:
- im höheren Lebensalter,
- bei Bluthochdruck, Hyperlipidämie (erhöhten Blutfettwerden) und Migräne oder
- nach einem Schlaganfall.
Diese Tatsache könnte auf einen Einfluss von Durchblutungsstörungen bei der Entstehung des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels hinweisen.
Vitamin-D-Mangel scheint einen Risikofaktor für das wiederholte Auftreten des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels sowie eventuell auch für die Entstehung dieser Krankheit darstellen. Ein Knochenabbau mit Freiwerden von Kalziumverbindungen bei Osteopenie oder Osteoporose könnte bei der Entwicklung dieser Krankheit eine Rolle spielen. Zudem werden der Einfluss von Virusinfektionen bzw. eine genetisch bedingte Anfälligkeit für die Entstehung des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels diskutiert.
Welche Symptome können auftreten?
Der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel entwickelt sich beim Einnehmen einer bestimmten Position des Kopfes. Welche Kopfposition den Schwindel auslöst, hängt vom betroffenen Bogengang ab. Dabei tritt ein bis dreißig Sekunden nach dem Positionswechsel ein immer intensiver werdender Drehschwindel auf, der nach einigen Sekunden wieder schwächer wird und dann meist verschwindet. Ein Drehschwindelanfall dauert in der Regel eine halbe Minute. Die Dauer der Schwindelattacken kann jedoch auch kürzer bzw. länger (maximal einige Minuten) betragen.
Dabei werden schnelle Augenbewegungen (Nystagmus) ausgelöst, wodurch manche Betroffene eine ruckartige Drehung der Umgebung wahrnehmen. Zusätzlich leiden viele Betroffene unter starker Übelkeit und Erbrechen. Je häufiger die den Drehschwindelanfall auslösende Position eingenommen wird, desto schwächer wird in vielen Fällen das Schwindelgefühl. Zwischen den Schwindelanfällen können leichte Gleichgewichtsstörungen bestehen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Ärztin/der Arzt kann durch die typischen Beschwerden eine Verdachtsdiagnose stellen. Ein Lagerungs- bzw. bewegungsabhängiger Drehschwindel kann u.a. auch durch eine Schädigung des Hirnstamms oder des Kleinhirns (zentraler Lagerungsschwindel) sowie niedrigen Blutdruck entstehen. Durch eine sorgfältige Untersuchung kann die Ärztin/der Arzt andere Ursachen jedoch ausschließen.
Dabei führt sie/er bestimmte Lagerungsmanöver durch, um einen positionsabhängigen Schwindel und einen typischen Nystagmus nachweisen zu können. Eventuell setzt die Ärztin/der Arzt der/dem Betroffenen dabei eine Brille auf, deren Gläser ein Fokussieren der Augen verhindern (Frenzelbrille). Dadurch kann sie/er die Augenbewegungen während des Manövers besser beurteilen. Ergänzend wird zum Ausschluss einer neurologischen Erkrankung eine klinisch neurologische Untersuchung durchgeführt.
Selten ist bei unklaren Untersuchungsergebnissen die Durchführung einer bildgebenden Diagnostik (z.B. Sonographie der hirnversorgenden Arterien, CT, MRT) notwendig.
Wie erfolgt die Behandlung des Drehschwindels?
Die Behandlung des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels kann meist ambulant durchgeführt werden. Nur bei schwerer Beeinträchtigung durch den Schwindel bzw. starkes Erbrechen ist ein Spitalsaufenthalt nötig.
Lagerungsmanöver
Zur Behandlung wird ein Lagerungsmanöver (z.B. Befreiungsmanöver nach Epley) durchgeführt, mit dem die Ablagerungen aus dem Bogengang hinausbefördert werden. Je nach betroffenem Bogengang werden unterschiedliche Manöver angewandt.
Die Durchführung des Manövers ist ungefährlich und sehr effizient, für die Betroffene/den Betroffenen aber meist unangenehm. Es können ein ausgeprägtes Schwindelgefühl sowie Übelkeit und Erbrechen ausgelöst werden. In manchen Fällen verabreicht die Ärztin/der Arzt daher vor der Behandlung ein Antivertiginosum (Medikament, welches das Schwindelgefühl abschwächt), selten ein Benzodiazepin (Beruhigungsmittel). Bei vielen Betroffenen reichen ein bis drei Lagerungsmanöver aus, um die Beschwerden zu beseitigen. In Abhängigkeit vom betroffenen Bogengang kann es jedoch auch nötig sein, diese Manöver deutlich häufiger durchzuführen, um einen Rückgang der Schwindelsymptomatik zu erreichen.
Da sich die Beschwerden manchmal nicht sofort vollständig zurückbilden bzw. der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel wiederholt auftreten kann, wird der Patientin/dem Patienten ein Lagerungsmanöver beigebracht, das bis zur Beschwerdefreiheit mehrmals täglich durchgeführt werden sollte.
Nach erfolgreicher Behandlung kann für einige Tage ein leichter Schwankschwindel mit begleitender Gleichgewichtsstörung bestehen bleiben. Selten werden durch das Lagerungsmanöver die Ablagerungen in einen benachbarten Bogengang befördert und lösen erneut einen benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel beim Einnehmen einer anderen Position aus.
Eine positive Wirkung von Antivertiginosa (außer vor der Durchführung eines Lagerungsmanövers) und durchblutungsfördernden Medikamenten konnte nicht nachgewiesen werden.
Hinweis
Das Vermeiden der Bewegungen, die eine Schwindelattacke auslösen, verlängert die Dauer der Beschwerden.
Chirurgische Behandlung
Sehr selten ist eine chirurgische Behandlung nötig. Dabei kann der betroffene Bogengang geöffnet und daraufhin mit Knochengewebe gefüllt werden. Dadurch verliert er seine Funktion. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist die chirurgische Unterbrechung der Nervenversorgung des defekten Bogengangs. Dadurch können fehlerhafte Bewegungsinformationen nicht mehr ins Gehirn geleitet werden. Die Bestrahlung des geschädigten Bogengangs mittels Argonlaser stellt u.U. eine weitere Behandlungsmöglichkeit dar. Diese Bestrahlung führt zu einer Verknöcherung des Bogengangs. Die Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode wurde in klinischen Studien noch nicht ausführlich untersucht.
Vorübergehend können nach einem chirurgischen Eingriff Schwindel bzw. eine Hörminderung auftreten. Zu einer dauerhaften Hörminderung kommt es nach einem chirurgischen Eingriff je nach Methode bei fünf bis zehn Prozent der Betroffenen. Seltene Komplikationen sind Nerven- oder Gefäßverletzungen bzw. Infektionen.
Wohin kann ich mich wenden?
Diagnostik und Therapie des benignen paroxysmalen Lagerungsschwindels können z.B. von der Hausärztin/dem Hausarzt bzw. einer Fachärztin/einem Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vorgenommen werden.
Hinweis
Beim Auftreten eines Drehschwindels sollte umgehend eine Ärztin/ein Arzt kontaktiert werden, da er auch durch schwere Erkrankungen (z.B. Schlaganfall) ausgelöst werden kann.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von den Krankenversicherungsträgern übernommen. Grundsätzlich rechnet Ihre Ärztin/Ihr Arzt direkt mit Ihrem Krankenversicherungsträger ab. Bei bestimmten Krankenversicherungsträgern kann jedoch ein Selbstbehalt (Behandlungsbeitrag) für Sie anfallen (zum Beispiel BVAEB, SVS, SVS, BVAEB). Sie können allerdings auch eine Wahlärztin/einen Wahlarzt (d.h. Ärztin/Arzt ohne Kassenvertrag) in Anspruch nehmen. Nähere Informationen finden Sie unter Kosten und Selbstbehalte.
Bei bestimmten Leistungen (z.B. stationäre Aufenthalte) sind – je nach Krankenversicherungsträger – Kostenbeteiligungen der Patientinnen/Patienten vorgesehen. Über die jeweiligen Bestimmungen informieren Sie sich bitte bei Ihrem Krankenversicherungsträger, den Sie z.B. über die Website Ihrer Sozialversicherung finden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 30. November 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr.med.univ. Anton Kugler, Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde