Schwindel im Alter
Inhaltsverzeichnis
Was ist Schwindel?
Schwindel ist eine empfundene Störung des Gleichgewichts, also der Körperstabilität im Raum. Dabei fallen das Gehen und Stehen schwer. Häufig kommen noch weitere Beschwerden, wie z.B. Schwitzen, Übelkeit oder Erbrechen hinzu. Auch Seh- oder Hörstörungen sind möglich. Betroffene erleben Schwindel häufig als beängstigend. Ältere Menschen leiden häufiger unter Schwindel als jüngere, ca. 50 Prozent der Betroffenen sind älter als 70 Jahre
Wie entsteht Schwindel?
Schwindel kann verschiedene Ursachen haben. Sinne, wie das Sehen, die Gleichgewichtswahrnehmung oder das Tastempfinden in der Haut liefern dem Gehirn Informationen, in welcher Lage sich unser Körper befindet. Senden diese Sinne unterschiedliche Informationen, kommt es zu Schwindel. In manchen Fällen liegt die Ursache auch im Gehirn selbst, nämlich wenn es Sinneseindrücke nicht mehr richtig verarbeitet. Ursachen dafür können eine mangelnde Durchblutung des Gehirns, fehlende Nährstoffe oder Giftstoffe sein. Zudem hat auch das seelische Empfinden einen Einfluss darauf, ob wir uns im Gleichgewicht fühlen oder nicht.
Welche Ursachen hat Schwindel?
Schwindel kann auf eine Erkrankung des Gehör- und Gleichgewichtsorgans, des Gehirns sowie – häufig im Alter – des Herz-Kreislaufsystems bzw. der Gefäße oder der Nerven hinweisen. Auch Ängste, psychische Probleme oder unerwünschte Wirkungen von Medikamenten sind möglich.
Die häufigsten Formen bzw. Ursachen von Schwindel im Alter sind:
Gutartiger Lagerungsschwindel
Typisch sind kurze, zum Teil heftige Schwindelattacken bei einer Änderung der Kopflage, z.B. Umdrehen oder Aufrichten im Bett. Sie können Übelkeit und Erbrechen auslösen und sich mehrmals am Tag und/oder über Tage wiederholen. Ursache sind sogenannte Ohrsteinchen (Otokonien), die in die Bogengänge des Gleichgewichtsorgans rutschen. Die Ohrsteinchen unterstützen normalerweise das Gleichgewicht und die räumliche Wahrnehmung. Mögliche Ursachen für das Verrutschen der Ohrsteinchen sind altersbedingte Abbauvorgänge, Erschütterungen des Kopfes oder eine Erkrankung des Innenohrs. Seltenere Ursachen sind andere Erkrankungen wie Innenohr oder dem Gehirn, wie Entzündungen oder Migräne. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Durchblutungsstörungen im Gehirn, Unterzuckerung, Probleme mit der Halswirbelsäule, Nervenschädigungen sowie Vergiftungen können einen Schwindel auslösen. Die jährliche Inzidenz nimmt mit dem Lebensalter zu
Diese häufige Schwindelform ist gut behandelbar, die Intensität der Symptome kann aber hoch sein . Ziel der Behandlung ist, das verrutschte Ohrsteinchen wieder aus dem Bogengang zu entfernen. Dafür führt die Ärztin/der Arzt mit dem Kopf der Patientin/des Patienten gezielte Bewegungen durch, sogenannte Lagerungsmanöver. Meist vergehen die Schwindelbeschwerden nach einigen Wochen auch von selbst.
Bilaterale Vestibulopathie
Die beidseitige Störung der Gleichgewichtsorgane verursacht Schwankschwindel, der meist beim Gehen im Dunkeln und auf unebenem Grund auftritt. Typisch ist auch eine vorübergehend verwackelte Sicht beim Gehen sowie bei Kopfbewegungen. Im Sitzen und Liegen sind Betroffene typischerweise beschwerdefrei. Eine Vestibulopathie ist die häufigste Ursache für bewegungsabhängigen Schwankschwindel bei älteren Patientinnen/Patienten und kann verschiedene Ursachen haben. Dazu zählen unerwünschte Wirkungen von Medikamenten (z.B. Aminoglykoside), Morbus Menière, Polyneuropathien oder Kleinhirnstörungen. Bei ca. 50 Prozent der diagnostizierten Fälle kann die Ärztin/der Arzt keine spezifische Ursache feststellen. Die Behandlung erfolgt u.a. durch Physiotherapie mit gezieltem Gleichgewichtstraining sowie Gang- und Standschulung.
Zentraler Schwindel
Zentraler Schwindel kann durch Schädigungen oder Erkrankungen des Kleinhirns ausgelöst werden, z.B. Läsionen, Durchblutungsstörungen, neurodegenerative Erkrankungen, Tumoren, Infektionen, Überdosierungen von Medikamenten etc. Die Schwindelanfälle können nur ein paar Sekunden aber auch mehrere Tage lang dauern. Sie werden typischer Weise von Symptomen wie Seh-, Sprech-, Schluck- oder Bewegungsstörungen begleitet. Auch Lähmungserscheinungen können auftreten. Bei einem Verdacht auf eine zentrale Störung sollte rasch eine Ärztin/ein Arzt aufgesucht werden.
Orthostatischer Schwindel
Das Gehirn und das Gleichgewichtsorgan werden nicht ausreichend mit Blut versorgt. Typisch ist vorübergehender Schwindel, der vor allem nach dem Aufstehen aus dem Sitzen oder Liegen auftritt. Oftmals wird er auch durch das Gefühl einer drohenden Ohnmacht begleitet. Eine Ursache ist zu niedriger Blutdruck (Hypotonie). Hypotonie kann auch eine unerwünschte Wirkung von Medikamenten sein. Für die Therapie kann die Ärztin/der Arzt die medikamentöse Regulation des Blutdrucks verordnen und die Wirkung entsprechend kontrollieren. Auch regelmäßige Bewegung und Ausdauertraining verbessern die Funktion des Kreislaufs.
Vestibuläre Migräne
Migräne kann Drehschwindel auslösen, der auch von Übelkeit, Erbrechen und Gangunsicherheit begleitet wird. Die Schwindelanfälle können zwischen einigen Minuten und mehreren Tagen dauern. Nur die Hälfte der Patientinnen/Patienten mit vestibulärer Migräne leidet auch unter Kopfschmerz. Bei der Diagnose klärt die Ärztin/der Arzt auch andere Symptome einer Migräne ab. Die Therapie erfolgt medikamentös, Mittel der ersten Wahl sind Betablocker für die Dauer von sechs Monaten.
Psychogener Schwindel
Typisch ist diffuser Schwindel, der häufig als Benommenheit empfunden und durch bestimmte Situationen ausgelöst wird. Psychogener Schwindel entsteht bei seelischen Belastungen wie familiären und beruflichen Problemen. Dazu können Angst, Herzrasen, Beklemmung, Zittern oder Schwitzen kommen. Oft sind die Patientinnen/Patienten durch die Angst zu stürzen im Alltag stark eingeschränkt, wenngleich Erbrechen und Stürze selten auftreten. Auslöser, Dauer und Art des Schwindels passen fast nie zusammen. Fast immer liegen zudem psychosomatische Beschwerden, oft auch belastende Situationen im Lebenszusammenhang vor.
Eine wichtige Therapiemaßnahme ist die Psychotherapie. Sie kann durch eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva und physiotherapeutischem Training ergänzt werden.
Wie erfolgt die Diagnose & Behandlung von Schwindel?
Um die Ursache des Schwindels festzustellen und eine Diagnose zu treffen, erhebt die Ärztin/der Arzt die Anamnese und frägt nach der Art der Schwindelbeschwerden und den begleitenden Umständen:
- Wie tritt der Schwindel auf? (Z.B. Drehschwindel, Schwankschwindel, Schwindel nur beim Gehen bzw. Stehen oder diffuser Schwindel.)
- Wie lange dauert der Schwindel? (Z.B. mehrere Tage, Stunden oder Sekunden.)
- Wodurch wird der Schwindel ausgelöst? (Z.B. Veränderung der Position des Kopfes, Aufstehen nach dem Liegen, Angst auslösende Situationen, Einnahme von Medikamenten, neue Brille (insbesondere Gleitsichtbrille), Alkohol etc.)
- Treten begleitende Symptome auf? (Z.B. Hörstörungen, Gangstörungen, Migräne, neurologische Ausfälle, Angst etc.)
Begleitsymptome sind oft wegweisend und müssen daher immer gründlich erfragt und untersucht werden. Anschließend führt die Ärztin/der Arzt eine klinische Untersuchung mit verschiedenen Tests durch, um weitere Hinweise auf die Ursache des Schwindels zu erhalten und alle beteiligten Funktionssysteme beurteilen zu können. Oftmals lässt sich nach der Befragung und körperlichen Untersuchung sagen, was den Schwindel auslöst. Unter Umständen verordnet die Ärztin/der Arzt weitere Untersuchungen (z.B. MRT).
Die Therapie hängt von der zugrunde liegenden Erkrankung ab. Akute Beschwerden wie Bewegungsschwindel, Gleichgewichtsstörungen oder Übelkeit kann die Ärztin/der Arzt kurzfristig mit Medikamenten behandeln. Medikamente gegen Schwindel sollten jedoch, wenn überhaupt, nur kurzzeitig eingenommen werden. Denn auch ohne Medikamente kann sich der Körper langfristig an den Schwindel anpassen.
Es gibt allerdings Schwindelarten, bei denen sich die Beschwerden gezielt verbessern lassen:
- Psychogener Schwindel: durch seelische und medikamentöse Unterstützung
- Altersschwindel: frühzeitig durch Gleichgewichtstraining und Krankengymnastik
- Gutartiger Lagerungsschwindel: durch Erlernen bestimmter Bewegungstechniken (Lagerungsmanöver)
Obwohl Schwindel generell sehr häufig vorkommt, besteht weiterhin eine Unter- und Fehlversorgung. Dies gilt sowohl für die Diagnose (langer Zeitraum bis zur Diagnosestellung mit zu vielen, meist unnötigen Untersuchungen), als auch für die Therapie (Einsatz zu vieler, meist unwirksamer Medikamente).
Was kann die Patientin/der Patient zur Heilung beitragen?
Bei neu aufgetretenem Schwindel, der andauert oder sehr heftig ist, sollten Patientinnen/Patienten eine Ärztin/einen Arzt aufsuchen. Wichtig ist, den Schwindel und weitere Beschwerden so genau wie möglich zu schildern. Aus dieser Beschreibung kann die Ärztin/der Arzt meist auf die Ursache schließen. Betroffene sollten zudem versuchen, ruhig zu bleiben und Geduld zu haben. Der Schwindel hört oft von allein wieder auf.
Wohin kann ich mich wenden?
Für die Behandlung von Schwindel können Sie sich an Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt oder an eine Fachärztin/einen Facharzt z.B. für Innere Medizin (Zusatzgebiet Geriatrie), Neurologie oder Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde wenden.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von den Krankenversicherungsträgern übernommen. Grundsätzlich rechnet Ihre Ärztin/Ihr Arzt direkt mit Ihrem Krankenversicherungsträger ab. Bei bestimmten Krankenversicherungsträgern kann jedoch ein Selbstbehalt für Sie anfallen (z.B. BVAEB, SVS, SVS, BVAEB). Sie können allerdings auch eine Wahlärztin/einen Wahlarzt (d.h. Ärztin/Arzt ohne Kassenvertrag) in Anspruch nehmen. Nähere Informationen finden Sie unter Kosten und Selbstbehalte.
Bei bestimmten Untersuchungen (z.B. MRT) kann eine chefärztliche Bewilligung erforderlich sein. Bei bestimmten nicht medikamentösen Behandlungen (z.B. physikalische Therapie) kann – in manchen Fällen erst bei Erreichen eines bestimmten Ausmaßes – eine Bewilligung der Krankenversicherungsträger erforderlich sein. Bei bestimmten Leistungen (z.B. stationäre Aufenthalte, Hilfsmittel und Heilbehelfe) sind – je nach Krankenversicherungsträger – Kostenbeteiligungen der Patientinnen/Patienten vorgesehen. Heilbehelfe müssen zuerst von der Ärztin/vom Arzt verordnet werden. Die meisten Krankenversicherungsträger sehen – teilweise abhängig von der Art des Heilbehelfs – eine Bewilligung vor.
Für Medikamente auf „Kassenrezept“ ist die Rezeptgebühr zu entrichten. Über die jeweiligen Bestimmungen informieren Sie sich bitte bei Ihrem Krankenversicherungsträger, den Sie über die Website der Sozialversicherung finden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 27. Juli 2021
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prof. Dr. Thomas Frühwald, Österreichische Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie