Schilddrüsenkrebs: Diagnose & Therapie
Inhaltsverzeichnis
Wie wird die Diagnose Schilddrüsenkrebs gestellt?
Zur Abklärung von Erkrankungen der Schilddrüse stehen verschiedene Untersuchungsmöglichkeiten zur Verfügung – von der Blutuntersuchung bis hin zur Feinnadelpunktion.
Blutuntersuchung
In jedem Fall werden die Schilddrüsenhormone T3 und T4 sowie TSH bestimmt, um die Schilddrüsenfunktion zu überprüfen. Lediglich das medulläre Schilddrüsenkarzinom kann jedoch durch eine Erhöhung des Calcitoninspiegels im Blut erkannt werden. Auch Kalziumwerte werden bestimmt. Weitere Informationen zu Laborwerten finden Sie in der Laborwerte-Tabelle.
Ultraschall
Die meisten Schilddrüsenerkrankungen zeigen typische Auffälligkeiten im Ultraschall. Bei Verdacht auf Schilddrüsenkrebs oder bei der Nachsorge nach einer Operation werden im selben Untersuchungsgang auch die Halslymphknoten kontrolliert. Werden im Ultraschall Auffälligkeiten festgestellt, werden weitere Untersuchungen wie eine Szintigraphie bzw. im Bedarfsfall eine Feinnadelpunktion veranlasst.
Szintigraphie
Bei der Schilddrüsenszintigraphie wird ein radioaktiv markierter Trägerstoff, ein Radiopharmakon, in eine Vene injiziert und gelangt über den Blutkreislauf in die Schilddrüse. Mit einer speziellen Gamma-Kamera kann die von diesem Trägerstoff abgegebene Strahlung gemessen und ein Bild der Schilddrüsenfunktion erzeugt werden. Je nach Stoffwechselaktivität des Organs kommt es auf dem erzeugten Bild, dem Szintigramm, zu mehr oder weniger intensiver Darstellung. Finden sich in der Ultraschalluntersuchung Knoten in der Schilddrüse, können diese in Hinblick auf ihre Funktion beurteilt werden:
- „Warme“ Knoten: unterscheiden sich nicht vom restlichen Schilddrüsengewebe und nehmen an der normalen Hormonproduktion teil.
- „Heiße“ Knoten (autonome Knoten): produzieren unabhängig von der körpereigenen Steuerung zu viel an Schilddrüsenhormonen.
- „Kalte“ Knoten: beteiligen sich nicht am Stoffwechsel. Etwa fünf Prozent der kalten Knoten sind auf Schilddrüsenkrebs zurückzuführen.
Weiters kann eine Ganzkörperszintigraphie erfolgen. Nähere Informationen zur Methode der Szintigraphie finden Sie unter Schilddrüsenszintigraphie.
Feinnadelpunktion
Bestätigt sich der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs, muss eine zytologische Untersuchung des betroffenen Gewebes erfolgen. Durch die ultraschallgezielte Feinnadelpunktion eines Schilddrüsenknotens können dessen Zellen unter dem Mikroskop beurteilt werden. Entartete Zellen sind ein Hinweis auf Schilddrüsenkrebs. Nach Desinfektion der Haut und Lokalisierung des Knotens mit dem Ultraschallkopf wird eine Nadel durch die Haut direkt in den Knoten gestochen. Mithilfe einer aufgesetzten Spritze werden Zellen bzw. Zellverbände gewonnen. Diese werden durch die Pathologin/den Pathologen untersucht.
Die Untersuchung ist nicht gänzlich schmerzfrei, in den meisten Fällen ist eine lokale Betäubung jedoch nicht erforderlich. Die durch Punktion gewonnenen Zellen bzw. Zellverbände können mitunter auch auf molekularer Ebene untersucht werden und somit wichtige Hinweise für eine gezielte Therapie liefern – etwa beim undifferenzierten (anaplastischen) Schilddrüsenkarzinom.
Hinweis
Die Untersuchung darf nicht unter laufender Therapie mit blutgerinnungshemmenden Medikamenten (Phenprocoumon, Acenocumarol) durchgeführt werden, da es sonst zu lebensgefährlichen inneren Blutungen kommen kann!
Weitere Untersuchungen
Auch eine Kehlkopfspiegelung wird aufgrund des Stimmbandlähmungsrisikos vor und nach einer Operation vorgenommen. Gegebenenfalls sind noch weitere Untersuchungen notwendig.
Bei gering differenzierten Schilddrüsenkarzinomen sowie dem medullären Schilddrüsenkarzinom werden auch zunehmend PET-CTs zur Diagnostik eingesetzt.
Tumorstadieneinteilung
Wie bei anderen Tumorarten auch erfolgt die Feststellung des Tumorstadiums nach der sogenannten TNM-Klassifikation. Zur Abklärung der Tumorausbreitung erfolgen weitere Untersuchungen, z.B. Hals-Ultraschall und Radiojod-Ganzkörperszintigraphie, CT von Hals und Thorax, selten auch eine Skelettszintigraphie.
Wie erfolgt die Behandlung von Schilddrüsenkrebs?
Je nach Krebsart erfolgt die vollständige oder nur teilweise operative Entfernung der Schilddrüse gegebenenfalls samt Halslymphknoten. In jedem Fall muss der gesamte Tumor entfernt werden. Um Restschilddrüsengewebe und eventuell Tumorreste bzw. Metastasen zu zerstören, erfolgt je nach Tumorstadium im Anschluss an die Operation eine Radiojodtherapie mit Jod-131. Diese muss stationär erfolgen, die Patientin/der Patient wird aufgrund der Strahlung isoliert.
Chemo- und Strahlentherapie kommen im Spätstadium, bei aggressiven Tumoren zum Einsatz. Nach der Operation und Radiojodtherapie ist eine – oft lebenslange – Schilddrüsenhormonersatztherapie unbedingt erforderlich. Behandlungspläne sollten in einem sogenannten Tumorboard, das sich aus Spezialistinnen/Spezialisten auf dem jeweiligen Gebiet zusammensetzt, besprochen werden. Lymphome, Teratome (Keimzelltumoren) oder Fibrosarkome (Bindegewebstumoren) der Schilddrüse sind selten und erfordern je nach Tumorart und -ausbreitung spezifische Therapiemaßnahmen.
Ist eine Heilung bei Schilddrüsenkrebs nicht mehr möglich, werden Maßnahmen der Palliativmedizin ergriffen, die unterstützen und die Lebensqualität so hoch wie möglich halten sollen.
Hilfreiche Fragen für den Arztbesuch
Hilfreiche Fragen zur Therapie, die mit den behandelnden Ärztinnen/Ärzten geklärt werden können, hat das evidenzbasierte englischsprachige Unterstützungssystem für klinische Entscheidungen UpToDate in seiner Information zu Schilddrüsenkrebs für Patientinnen/Patienten zusammengestellt:
- Was sind die Vorteile der Behandlung? Werde ich durch diese länger leben? Werden Symptome weniger oder wird diesen vorgebeugt?
- Was sind die Nebenwirkungen der Behandlung?
- Gibt es noch andere Behandlungsmöglichkeiten?
- Was sind die Folgen, wenn ich die vorgeschlagene Behandlung nicht mache?
Operation
Welche Art der Operation zur Anwendung kommt, hängt von Tumorart- sowie –ausdehnung ab. In vielen Fällen wird die Schilddrüse komplett entfernt (totale Thyroidektomie). Gegebenenfalls wird auch nur ein Teil der Schilddrüse entfernt, wofür es mehrere Operationsarten gibt. Auch die Entfernung von Lymphknoten in der Umgebung kann notwendig sein. Wichtig ist in jedem Fall, dass der gesamte Tumor entfernt wird.
Wird die Schilddrüse entfernt, ist die Einnahme von Schilddrüsenhormonen lebenslang notwendig, um ausreichend mit diesen Hormonen versorgt zu werden. Auch die Einnahme von Kalzium kann notwendig sein, wenn die Nebenschilddrüsen mitentfernt wurden. Vor der Operation werden Sie über den Ablauf sowie mögliche Risiken von Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt aufgeklärt. Nach der Operation werden Blutwerte in engen Intervallen kontrolliert.
Radiojodtherapie
Bei der Behandlung mit Radiojod (Radiojodtherapie) sollen nach der Operation noch verbliebene Reste von Schilddrüsengewebe sowie eventuell bestehende Metastasen zerstört werden. Auch nach vollständiger Entfernung der Schilddrüse können Reste dieser Hormondrüse nachweisbar sein. Bei einer Radiojodtherapie wird eine Kapsel mit radioaktivem Jod-131 eingenommen. Das radioaktive Jod wird im Darm aufgenommen und gelangt über das Blut zur Schilddrüse bzw. den verbliebenen Schilddrüsenzellen. Das radioaktive Jod-131 ist in der Dosierung an die jeweilige Patientin/den jeweiligen Patienten angepasst. Dort gespeichert, bestrahlt es die Schilddrüse bzw. die verbliebenen Schilddrüsenzellen „von innen“. Dadurch wird das betroffene Schilddrüsengewebe zerstört.
Diese Therapie ist vor allem beim papillären und follikulären Schilddrüsenkarzinom, also differenzierten Schilddrüsenkarzinom, sinnvoll, da diese Tumorarten Jod speichern und somit gezielt die betreffenden Zellen schädigen – unter möglichst maximaler Schonung anderer Organe. Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird Sie bezüglich des genauen Ablaufs der Therapie, die auch eine Anpassung der Schilddrüsenmedikamente erfordert, sowie mögliche Nebenwirkungen (z.B. verringerter Speichelfluss) beraten. Eine Radiojodtherapie kann auch noch im Verlauf der weiteren Erkrankung sowie gegebenenfalls auch für diagnostische Zwecke angewandt werden. Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus auf einer speziell dafür ausgestatteten Station für Nuklearmedizin. Nach der Behandlung werden regelmäßig Blutwerte kontrolliert.
Radiotherapie (Strahlentherapie)
Unter Radiotherapie (Strahlentherapie) versteht man Bestrahlung mit ionisierenden Strahlen von außen. Strahlentherapie wird angewandt, um gegebenenfalls im Operationsgebiet verbliebene Zellen des Tumors bzw. Metastasen zu zerstören. Radiotherapie findet auch statt, wenn nach der Operation verbliebene Tumorherde nicht mit Radiojodtherapie ausreichend bekämpft werden konnten. Die Bestrahlung soll nur das Tumorgewebe töten, das umgebene Gewebe jedoch so weit wie möglich verschonen. Daher wird die Bestrahlung ganz gezielt nach genauen Berechnungen vorgenommen. Die Strahlentherapie kann ambulant oder stationär erfolgen. Wenn dies sinnvoll ist, wird sie auch mitunter mit einer Chemotherapie kombiniert. Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird Sie genau hinsichtlich Verlauf sowie Nebenwirkungen der Therapie informieren.
Tyrosinkinasehemmer
Tyrosinkinasehemmer (TKI für tyrosin kinase inhibitor) zählen zu den eher neueren Medikamenten zur Bekämpfung von fortgeschrittenem Schilddrüsenkrebs. Sie werden von den Tumorzellen sowie Blutgefäßzellen aufgenommen. Dort sollen sie Signalwege, die für das Tumorwachstum benötigt werden, blockieren. Der Tumor wird nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, im Optimalfall wächst er nicht mehr bzw. kann sich sogar zurückbilden. Tyrosinkinashemmer zur Behandlung von Schilddrüsenkrebs hemmen mehrere Signalwege und werden darum Multi-Tyrosinkinasehemmer genannt. Sie werden als Tablette eingenommen.
Derzeit werden Lenvatinib und Sorafenib für das differenzierte Schilddrüsenkarzinom eingesetzt, welches nicht ausreichend auf eine Radiojodtherapie anspricht; Cabozantinib und Vandetanib bei medullärem Schilddrüsenkarzinom. Wissenschaftlich ist es noch nicht eindeutig erwiesen, dass die TKI die Überlebenszeit bei einem fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinom verlängert. Die Entscheidung über diese Therapie sollte demnach gut abgewogen werden. Ihre Ärztin/Ihr Arzt wird Sie genau hinsichtlich Verlauf sowie Nebenwirkungen der Therapie informieren.
Chemotherapie
Eine Chemotherapie spielt bei der Behandlung des Schilddrüsenkarzinoms eine eher untergeordnete Rolle. Sie wird aktuell nur bei einem anaplastischen Schilddrüsenkarzinom eingesetzt oder wenn bei fortgeschrittenen Schilddrüsenkarzinomen Tyrosinkinasehemmer keine Wirkung entfalten. Da eine „klassische“ Chemotherapie eher unspezifisch wirkt, schädigt sie nicht nur den Tumor, sondern auch andere Zellen. Wie die Chemotherapie erfolgt und welche sinnvoll erscheint, wird Ihre Ärztin/Ihr Arzt mit Ihnen besprechen – ebenso die Nebenwirkungen und wie man sie lindern kann. Beim anaplastischen Schilddrüsenkarzinom wird derzeit z.B. Doxorubicin, Docetaxel oder Cisplatin eingesetzt. Jedoch sind weitere klinische Studien für eine möglichst effektive Behandlung notwendig.
Wie erfolgt die Nachsorge bei Schilddrüsenkrebs?
Nach Operation und eventueller Radiojodtherapie eines bösartigen Schilddrüsentumors sind engmaschige Nachkontrollen erforderlich, um ein Wiederauftreten bzw. eine Ausbreitung der Erkrankung zu verhindern bzw. rechtzeitig zu erkennen. Schilddrüsenkrebs neigt zu Spätrezidiven, daher ist eine Nachsorge lebenslang notwendig. Neben der Bestimmung der Schilddrüsenhormone und eines Ultraschalls der Halsregion dienen die Tumormarker Thyreoglobulin und Thyreoglobulin-Antikörper für differenzierte Schilddrüsenkarzinome sowie Calcitonin für medulläre Schilddrüsenkarzinome als Parameter für ein Wiederauftreten der Krebserkrankung. Weitere Informationen zu Laborwerten finden Sie in der Laborwerte-Tabelle.
Wohin kann ich mich wenden?
In die Diagnose und Therapie von Schilddrüsenkrebs sind mehrere medizinische Fachrichtungen eingebunden. Bei Auffälligkeiten und Warnsignalen wenden Sie sich an Ihre Allgemeinmedizinerin/Ihren Allgemeinmediziner. Diese/dieser leitet die weitere Abklärung in die Wege, bei der unter anderem Fachärztinnen/Fachärzte für Nuklearmedizin, Innere Medizin und Chirurgie hinzugezogen werden. Sind Sie bereits in Behandlung bzw. Nachsorge, werden mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt regelmäßige Termine vereinbart.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
- Recht auf Behandlung
- Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte
- Was kostet der Spitalsaufenthalt
- Rezeptgebühr: So werden Medikamentenkosten abgedeckt
- Reha & Kur
- Heilbehelfe & Hilfsmittel
- Gesundheitsberufe A-Z
sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 9. April 2020
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Univ.Prof. Dr. Shuren Li, Facharzt für Nuklearmedizin, Facharzt für Innere Medizin