Stillzeit
Sollten stillende Mütter Medikamente einnehmen, sollte vorab eruiert werden, ob diese unproblematisch eingenommen werden können oder ob die Wirkstoffe in die Muttermilch übergehen und so auch in den Blutkreislauf des Säuglings gelangen, welcher die Wirkstoffe bzw. in enthaltener Konzentration erhält. Der Stoffwechsel von Säuglingen und Kindern ist nicht ident mit dem von Erwachsenen. Sollte das Medikament nicht beim Stillen angewendet werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Stillpause oder des Abstillens. Allerdings gibt es zu manchen Medikamenten bereits gut abgesicherte Erfahrungen und ausreichend Information zum Gebrauch in der Stillzeit, sodass eine Therapie der Mutter problemlos erfolgen kann. Auch in der Stillzeit gilt es, die Mütter genau zu informieren, um einerseits unnötige Beeinträchtigungen des Säuglings zu vermeiden, aber gleichzeitig nicht leichtfertig auf die Vorteile des Stillens für Mutter und Säugling zu verzichten.
Eine medikamentöse Behandlung in der Stillzeit kann eine besondere Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte, sowie Patientinnen sein. Häufig stellen Behandlungen eine zulassungsüberschreitende Anwendung der Arzneimittel (off-label use) dar, und umfangreiche Erfahrung zu Wirkungen und Nebenwirkungen bei stillenden Frauen ist selten. Besonders groß ist die Verunsicherung aufgrund der Sorge über etwaige negative Auswirkungen eines Medikamentes auf die Entwicklung des Säuglings (vgl. auch C. Schaefer et al. (2011): Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit, 8. Auflage, Urban & Fischer).
Vor diesem Hintergrund ist die Aufklärung der Patientinnen besonders anspruchsvoll. Es wird besondere Sorgfalt der Ärztinnen und Ärzte erwartet, v.a. im Zusammenhang mit einer zulassungsüberschreitenden Arzneimittelanwendung.
Partizipative Entscheidungsfindung
Für die Arzneiverordnung in der Stillzeit ist das Konzept der partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) besonders wichtig. Mit Ausnahme von Notfallsituationen gibt es fast immer zumindest zwei Optionen für den Umgang mit Erkrankungen: das Behandeln oder das (zumindest vorübergehende) Nichtbehandeln; meist stehen mehrere verschiedene Behandlungsoptionen zur Auswahl.
Daher gilt es, die individuell bevorzugte Vorgehensweise der Stillenden zu eruieren, die jeweiligen Konsequenzen der Optionen – sowohl für die Patientin als auch für den Säugling – zu erläutern und auf dieser Basis eine gemeinsame Therapieentscheidung zu treffen. Damit wird auch klargestellt, dass die Verantwortung für den Säugling nicht gänzlich von ärztlicher Seite alleine getragen werden kann. Sollten für diesen individuellen Entscheidungsprozess von ärztlicher oder Patientinnenseite spezifische Informationen zu Risiken einer Therapie oder zu deren Verträglichkeit in der Stillzeit benötigt werden, stehen verschiedene Online-Datenbanken sowie Beratungsstellen (z.B. die sogenannten Teratologie-Informationsservices) zur Verfügung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 13. Dezember 2022
Erstellt durch: Gesundheit Österreich GmbH, Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen, Abteilung Evidenz- und Qualitätsstandards