Vergiftung: Medikamente
Inhaltsverzeichnis
Bei Verdacht auf eine Medikamentenüberdosierung sollte in jedem Fall ärztlicher Rat eingeholt werden. Kontaktieren Sie die Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43, um die Gefährdung abzuschätzen. Bei schweren Symptomen wählen Sie den Notruf 144. Stellen Sie zudem die Verpackung bzw. das Etikett sicher.
Geben Sie am Telefon so genau wie möglich bekannt:
- Welches Medikament wurde eingenommen (Wirkstoffname und Dosierung)?
- Wie viel davon?
- Wer (Kind, Erwachsener)?
- Wann (wie viel Zeit ist seit der Einnahme vergangen)?
- Welche Beschwerden sind aufgetreten?
- Warum (Selbstmordabsicht, Unfall)?
Diese Fragen brauchen Sie sich aber nicht zu merken – sie werden am Telefon aktiv an Sie gestellt! Danach befolgen Sie die Anweisungen der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter am Telefon.
Um Vergiftungen mit Medikamenten zu vermeiden, sollten insbesondere Haushalte mit Kindern „giftsicher“ gestaltet werden. Mehr zum Thema: Vergiftung: Vorbeugung.
Die folgenden Medikamente sind ein Auszug und dienen als Beispiele für mögliche Arzneimittelvergiftungen.
Achtung
Die jeweils angegebenen Vergiftungserscheinungen sind nicht zu verwechseln mit möglichen Nebenwirkungen! Diese können auch bei normalen Dosierungen auftreten.
Vergiftung mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln
Schlaf- bzw. Beruhigungsmittel sind häufig Präparate aus der Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine (Alprazolam, Bromazepam, Diazepam, Nitrazepam, Flunitrazepam, Flurazepam, Lormetazepam, Lorazepam, Triazolam etc.). Diese Medikamente haben aufgrund ihrer Wirkung ein besonders hohes Suchtpotenzial. Sie wirken angstlösend, entspannend, beruhigend, schlaffördernd und auch krampfhemmend (z.B. bei Epilepsie). Benzodiazepine – oft ungenau auch als Tranquilizer bezeichnet – sind rezeptpflichtig und werden besonders in der Psychiatrie, Anästhesie und allgemein als kurzfristiges Beruhigungsmittel eingesetzt. Die Medikamente liegen nicht selten beim Bett und sind dann für Kinder leicht zugänglich. Mehr zum Thema: Schlaf- und Beruhigungsmittel
Mögliche Symptome bei Überdosierung:
- Atemdepression
- Koma
- Verlust der Schutzreflexe (Achtung: Aspiration von Magensaft möglich!)
- Durch Müdigkeit und Gangunsicherheit besteht auch erhöhte Sturz- und Unfallgefahr!
Achtung
Bei Kindern kann bereits die Einnahme kleiner Mengen zu Symptomen führen; dazu zählen insbesondere starke Müdigkeit, Gangunsicherheit und Schläfrigkeit. Größere Mengen können lebensbedrohlich sein!
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
Bei Vergiftungen mit diesen Medikamenten besteht akute Lebensgefahr (insbesondere für Kinder!), daher folgende lebensrettende Sofortmaßnahmen durchführen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Kinder sollten nach der Einnahme von Schlaf- oder Beruhigungsmitteln immer in einer Kinderklinik überwacht werden.
Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen!
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehend eine Wiederbelebung durch.
- Mehr zum Thema: Erste-Hilfe-Maßnahmen
Achtung
Benzodiazepine sind besonders gefährlich in Kombination mit Alkohol und anderen Psychopharmaka!
Vergiftung mit Antidepressiva
Antidepressiva (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin etc.) sind weit verbreitet und werden bei einer Vielzahl von psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt, z.B. Depressionen, Angst- und Panikattacken, Zwangsstörungen, Essstörungen. Die modernen Antidepressiva gehören oft in die Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Mehr zum Thema: Depression: Medikamente & Psychotherapie
Symptome bei Überdosierung:
- Benommenheit bis Bewusstlosigkeit
- Unruhe
- Verwirrtheit
- gesteigerte Muskelreflexe
- Muskelzittern
- Muskelkrämpfe
- Bluthochdruck
- Herzrasen
- EKG-Veränderungen
- Temperaturanstieg
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen!
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
- Notruf 144 wählen!
Achtung
Besonders gefährlich in Kombination mit Alkohol, Opioiden und anderen Psychopharmaka!
Vergiftung mit Schmerzmedikamenten
Viele bekannte Schmerzmedikamente sind rezeptfrei erhältlich. Trotzdem kann eine Überdosierung zu folgenschweren Krankheitsbildern führen; in Bezug auf die Gefährlichkeit gibt es große Unterschiede. Medikamente wie Mefenaminsäure, Paracetamol oder Salicylate gehören in die Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR). Diese wirken gegen Schmerzen, Entzündungen und sind fiebersenkend.
Besonders Paracetamol und Mefenaminsäure werden bei Kindern häufig eingesetzt. Die Gefahr für Überdosierungen bzw. Vergiftungen geht einerseits von frei erreichbaren, anderseits von falsch dosierten Medikamenten aus. Mehr zum Thema: Schmerzmittel
Mefenaminsäure
Mefenaminsäure kann in verschiedenen Darreichungsformen und Dosierungen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen angewandt werden.
Symptome bei Überdosierung:
- Verwirrtheitszustände
- Schwindel
- Halluzinationen
- Übelkeit
- Erbrechen
- Oberbauchschmerzen
- Hautausschläge
- allgemeine Blutungsneigung
- Muskelkrämpfe, epileptische Anfälle
- Nierenversagen
Die Erstsymptomatik ist unspezifisch. Sie kann komplett fehlen und muss nicht mit dem Schweregrad zusammenhängen. Bei Verdacht auf eine Vergiftung ist eine frühzeitige Therapie in einem Krankenhaus erforderlich, insbesondere bei Kindern.
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen.
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
- Notruf 144 wählen.
Paracetamol
Paracetamol hat sich nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch in der Kinderheilkunde sehr bewährt. Allerdings ist es bei Überdosierung gefährlich. Die Giftigkeit ist von der Menge, dem Körpergewicht und dem Zeitintervall, in welchem die Überdosierung eingenommen wurde, abhängig. Ursache für Vergiftungssymptome können – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern - eine zu hohe Einzeldosis oder eine zu häufige Einnahme sein. Besonders gefährdet sind unter anderem Personen mit chronischen Lebererkrankungen, ältere Menschen und Kleinkinder.
Symptome bei Überdosierung:
- Übelkeit, Erbrechen
- Bauchschmerzen
- Schwitzen
- Blässe
- nach massiven Überdosierungen besteht die Gefahr einer irreversiblen Leberschädigung; diese kann in weiterer Folge lebensbedrohlich werden.
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
Hinweis
Schon bei Verdacht auf eine Paracetamol-Vergiftung sollte innerhalb der ersten zehn Stunden eine ärztliche Untersuchung und Behandlung erfolgen!
Salicylate
Der bekannteste Vertreter dieser Wirkgruppe ist die Acetylsalicylsäure. Für Kinder unter zwölf Jahren sind Medikamente dieser Gruppe prinzipiell nicht geeignet; es kann zum Auftreten eines so genannten Reye-Syndroms (lebensbedrohliche Erkrankung des Gehirnes und der Leber) kommen.
Eine Überdosierung kann je nach eingenommener Menge zu mäßigen oder zu schweren Vergiftungserscheinungen führen.
Symptome bei mäßiger Überdosierung:
- Hörstörungen, Tinnitus
- Schwitzen
- Übelkeit, Erbrechen
- Kopfschmerzen, Schwindel
Bei schwerer Vergiftung zusätzlich
- Fieber
- Hyperventilation
- Störungen des Säure-Basen-Haushaltes
- Schwere Unterzuckerung
- Koma
- Atem- und Kreislaufversagen
Achtung
Insbesondere bei Kleinkindern und älteren Personen können Vergiftungen mit Acetylsalicylsäure lebensbedrohlich sein!
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen.
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
- Notruf 144 wählen.
Opiate
Opiate (auch Opioidanalgetika) gehören nicht zur Gruppe der NSAR. Die Wirkstoffe dieser Gruppe sind Abkömmlinge des Opiums (gewonnen aus dem Milchsaft des Schlafmohns), bekannte Vertreter sind etwa Morphin, Codein, Heroin, Pethidin und Methadon. Opiate bzw. Opioide haben vielfältige Wirkungen; als starkes Schmerzmittel wird in erster Linie Morphin eingesetzt.
Opiate dürfen von Kindern (insbesondere Kleinkindern) nicht eingenommen werden (unbedingt sicher verwahren!). Opiatvergiftungen bzw. Überdosierungen kommen zudem vor allem bei Menschen mit Drogenabhängigkeit (Heroin) vor.
Mehr zum Thema: Alkohol & Drogen: Vergiftung
Symptome bei Überdosierung:
- Pupillenverengung
- Verwirrung, Desorientiertheit
- Übelkeit, Erbrechen
- Blutdruckabfall
- Verlangsamung der Herzfrequenz
- Bewusstlosigkeit
- Verlangsamung der Atmung, es besteht die Gefahr eines Atemstillstandes
- Kreislaufversagen bis hin zu tiefem Koma
Achtung
Eine Überdosierung von Opiaten ist aufgrund der Gefahr eines Atemstillstandes immer lebensbedrohlich. Insbesondere Kinder müssen schon bei Verdacht auf eine Opiateinnahme engmaschig überwacht und medizinisch versorgt werden.
Erste Hilfe:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Auch eine Person bei Bewusstsein muss nach übermäßiger Opiateinnahme unbedingt überwacht werden. Nicht alleine lassen!
- Notruf 144 wählen.
- Bei Bewusstlosigkeit zusätzlich:
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
Vergiftung mit Herz-Kreislauf-Medikamenten
Bespiele für Wirkstoffe, die zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden, sind Herzglykoside, Antiarrhythmika und blutdrucksenkende Medikamente. In diesen Fällen kann es bei einer Überdosierung bzw. Vergiftung zu bedrohlichen Symptomen kommen; betroffen sind häufig ältere bzw. demente Personen.
Herzglykoside
Herzglykoside sind in der Kardiologie weit verbreitete Medikamente, die den Herzschlag vermindern und die Herzkraft steigern. Wirkstoffe dieser Gruppe sind u.a. Digoxin, Digitoxin und Acetyldigoxin. Sie werden zur Behandlung einer Herzinsuffizienz eingesetzt. In der Natur finden sich Glykoside in vielen Pflanzenarten (z.B. Fingerhut, Maiglöckchen, Oleander), aber auch in einigen Wirbeltieren.
Symptome bei Überdosierung:
- Appetitlosigkeit
- Übelkeit
- Erbrechen
- Müdigkeit
- Sehstörungen
- Kopfschmerzen
Bis zu sechs Stunden verzögerte Symptome sind:
- stark verlangsamter Herzschlag
- Herzrhythmusstörungen
- Herzstillstand
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Bei Symptomen sofort Notruf 144 wählen.
- Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen.
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
- Notruf 144 wählen.
Hinweis
Kinder sollten nach einer versehentlichen Einnahme in jedem Fall ärztlich überwacht werden.
Antiarrhythmika
Antiarrhythmika werden zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt. Es gibt eine Vielzahl an Wirkstoffen, die sich im Hauptwirkungsmechanismus unterscheiden. Allen gemeinsam ist, dass sie bei falscher oder übermäßiger Einnahme gefährlich sind, da sie den Herzrhythmus beeinflussen. Die Gefahr steigt mit der Höhe der eingenommenen Menge.
Mehr zum Thema: Herzrhythmusstörungen
Symptome bei Überdosierung:
Je nach Medikament können unterschiedliche Symptome auftreten:
- Herzrasen
- langsamer Herzschlag
- Schläfrigkeit
- Blässe
- Übelkeit
- Bewusstlosigkeit
Meistens ist die eingenommene Menge gering, dennoch sollten Sie immer die Vergiftungsinformationszentrale: +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren, insbesondere bei Kindern!
Erste-Hilfe-Maßnahmen:
- Tablettenreste gegebenenfalls aus dem Mund entfernen.
- Vergiftungsinformationszentrale +43 (0)1 406 43 43 kontaktieren.
- Bei Symptomen sofort Notruf 144 wählen.
- Bei Bewusstlosigkeit:
- Notruf 144 wählen.
- Halten Sie die Atemwege frei. Bei einem bewusstlosen Menschen in Rückenlage besteht die Gefahr des Erstickens. Eine einfache stabile Seitenlagerung kann dies verhindern.
- Bei Atemstillstand führen Sie umgehende eine Wiederbelebung durch.
- Notruf 144 wählen.
Blutdrucksenkende Medikamente
Auch bestimmte blutdrucksenkende Medikamente können wie Herzrhythmusmedikamente gefährlich sein. Zudem können niedriger Blutdruck, Atemprobleme, Schläfrigkeit und Blutzuckersenkung auftreten. Die Vorgangsweise bei Überdosierung ist wie bei Herzrhythmusmedikamenten.
Überdosierung der Antibabypille
Antibabypillen enthalten weibliche Sexualhormone. Eine übermäßige Einnahme führt allenfalls zu Übelkeit, Erbrechen oder Appetitlosigkeit, bei jungen Mädchen eventuell zu leichten vaginalen Blutungen. Schwerwiegende schädliche Wirkungen einer einmaligen Überdosierung sind nicht bekannt. Gleiches gilt, wenn Kinder versehentlich eine Tablette einnehmen, auch in diesen Fällen sind keine weiteren Maßnahmen notwendig.
Mehr zum Thema: Die Pille
Überdosierung von Antibiotika
Um die Einnahme für Kinder zu erleichtern, werden Antibiotika häufig als Säfte verschrieben. Diese Flüssigkeiten sollten mithilfe eines Messlöffels oder eines Messbechers eingenommen werden. Damit steigt aber die Gefahr einer Fehl- oder Überdosierung. Glücklicherweise führt dies meistens nur zu Magen-Darm-Symptomen mit Durchfall und Bauchschmerzen. Oftmals reichen diätetische Maßnahmen.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 21. August 2019
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Christoph Baumgärtel