Schlaf- und Beruhigungsmittel (BZD)
Inhaltsverzeichnis
Wie wirken BZD?
Benzodiazepine gehören zur Gruppe der sedativ (dämpfend auf das zentrale Nervensystem) und hypnotisch wirkenden Medikamente. Die Wirkung von BZD beruht auf ihrer Einflussnahme auf spezielle Strukturen im Gehirn (sogenannte GABA-Rezeptoren). Über diese Rezeptoren werden unter anderem Überträgerstoffe (Neurotransmitter) beeinflusst und die Erregung von Nerven gehemmt. Benzodiazepine haben unter anderem eine
- angstlindernde,
- krampflösende,
- entspannende und
- beruhigende Wirkung.
Anspannung, Furcht und Angstzustände können beispielsweise so beeinflusst werden, dass sie von Betroffenen nicht mehr wahrgenommen werden. Auch zur Linderung von Schlafstörungen werden BZD verwendet.
Vor allem bei hohen Dosierungen treten vermehrt Nebenwirkungen auf. Akut kommt es bei Überdosierung zu Müdigkeit, Schläfrigkeit, Lethargie. Auch Demenzsymptome wie Verwirrtheit und Gedächtnisstörungen können auftreten bzw. verstärkt werden. Bei zusätzlicher Muskelschwäche besteht vor allem bei älteren Menschen Sturzgefahr. Werden BZD als Schlafmittel eingesetzt, können sich am Morgen danach noch Nachwirkungen zeigen.
Bei langfristiger Einnahme kann es zu einer Einschränkung der Gedächtnisleistung, körperlicher Abgeschlagenheit und Abstumpfung von Gefühlen kommen. Hohe Dosierungen sowie lange Einnahmedauer beeinträchtigen die Gedächtnisleistungen und führen zu verminderter Wahrnehmungs- und Reaktionszeit. Müdigkeit, Kopfschmerz, Benommenheit und Schwindel sind einige der Symptome.
Bei Menschen mit mehrfacher Medikamenten- und Drogenabhängigkeit kommt es möglicherweise zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen. Besonders bei Einnahme mehrerer Substanzen, die eine dämpfende Wirkung besitzen – wie Alkohol, Opiate, Barbiturate etc. sowie bestimmten Antidepressiva und Antihistaminika –, kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen kommen (Blutdruckabfall, Atemdepression bis hin zu Atemstillstand und Tod).
Abhängigkeit von BZD?
BZD beeinflussen die Stimmung und bergen daher die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit. Es kann außerdem zu einer Gewöhnung des Körpers an die Substanz (Toleranzbildung) und dadurch zu Dosissteigerungen kommen. Die Entwicklung zur Abhängigkeit erfolgt oft unbewusst. Sie wird von vielen Betroffenen zumindest vorerst nicht wahrgenommen, besonders wenn BZD anfangs als Medikamente zur Behandlung ursprünglicher Beschwerden eingenommen werden:
- Niedrigdosisabhängigkeit. BZD können in therapeutischen Dosierungen und bei sachgerechter Verwendung zu einer Abhängigkeit führen. D.h.: Auch bei einer ärztlich verordneten niedrigen Dosis kann eine Abhängigkeit eintreten (sogenannte „Niedrigdosisabhängigkeit“) – hauptsächlich bei monate- oder jahrelanger Einnahme. Entzugserscheinungen zeigen sich in diesem Fall erst nach dem Absetzen des Medikamentes.
- Hochdosisabhängigkeit. Vor allem bei langfristiger Einnahme einer hohen Dosis besteht die Gefahr einer körperlichen wie psychischen Abhängigkeit. Bei BZD kann es vorkommen, dass die Dosis immer weiter gesteigert wird, da die Wirkung nicht mehr wie gewünscht eintritt (Toleranzbildung), sodass eine „Hochdosisabhängigkeit“ entsteht.
- Mehrfacher Substanzkonsum. Verschiedene, teils illegale Substanzen werden oft verwendet, um Wirkungen anderer Substanzen zu verstärken oder unerwünschte Wirkungen zu beseitigen. Eine Abhängigkeit von BZD tritt u.a. bei Personen auf, die bereits andere Substanzen verwenden bzw. an einer anderen Abhängigkeit leiden oder litten (z.B. Alkohol) – und Medikamente missbräuchlich verwenden, um bestimmte Stimmungen zu erreichen. Eine Anwendung ohne ärztliche Verordnung oder Einnahme in höherer Dosis als verordnet, birgt ein hohes Abhängigkeitsrisiko.
Welche Entzugssymptome können auftreten?
Das plötzliche Absetzen der Substanz kann unter anderem zu Schlafstörungen, Unruhe, Spannungszuständen, Kopfschmerzen, Angstzuständen sowie starker Erregung führen. Ein unkontrolliertes Absetzen birgt ähnlich wie bei der Alkoholabhängigkeit auch die Gefahr lebensbedrohlicher Entzugserscheinungen wie epileptischen Entzugsanfällen oder etwa einem Entzugsdelir. Deshalb sollten Einnahme und Absetzen unbedingt mit der Ärztin/dem Arzt besprochen und Schritt für Schritt durchgeführt werden.
Symptome, die sich beim Absetzen zeigen, ähneln oftmals den Beschwerden, die mit Benzodiazepinen behandelt werden – wie Schlaflosigkeit, Unruhezustände, Stimmungsschwankungen, Angstzustände etc. –, und können von Betroffenen fälschlicherweise als Verschlechterung der bestehenden Grunderkrankung gedeutet werden. Beschwerden können bei Absetzen der BZD verstärkt auftreten (Rebound-Symptomatik). Panikattacken, Wahrnehmungsstörungen und Suizidimpulse kommen vor. Vor allem bei hoher Dosis, lange andauerndem Konsum, schlechtem Allgemeinzustand und gleichzeitigem Alkohol- und/oder Drogenkonsum sind die Entzugssymptome nach Absetzen der Medikamente mitunter intensiv. Auch bei psychischen Erkrankungen (Angsterkrankungen, Depressionen etc.) kann es zu einer Verschlechterung der Symptome kommen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Neben körperlichen und psychischen Anzeichen bezieht die ärztliche Anamnese auch das Lebensumfeld der Patientin/des Patienten mit ein. Zusätzliche körperliche wie psychische Erkrankungen und Probleme werden abgeklärt. Eine Abhängigkeit beeinträchtigt neben der Gesundheit auch das soziale und berufliche Leben der Betroffenen. Menschen mit Abhängigkeit und zusätzlichem Missbrauch verschiedener Substanzen sind in besonderem Maß betroffen. Bei Mehrfachkonsum (BZD und andere psychotrope Substanzen) besteht eine erhöhte Mortalität (Sterblichkeit). Generell können BZD wie auch andere Drogen durch Laboruntersuchungen nachgewiesen werden. Weitere Informationen finden Sie unter BZD im Urin.
Wie erfolgt die Behandlung?
Die Behandlung einer Abhängigkeit von BZD orientiert sich an der individuellen Situation der/des Betroffenen. Ob ein Entzug bei „Niedrigdosisabhängigkeit“ notwendig ist oder eine Weiterbehandlung z.B. aufgrund bestimmter Erkrankungen (schwere psychiatrische Erkrankung oder chronische Angsterkrankung) sinnvoll ist, erwägt die Ärztin/der Arzt aufgrund der jeweiligen individuellen Voraussetzungen.
Die Ärztin/der Arzt bespricht Notwendigkeit und Dauer einer Behandlung sowie mögliche Entzugserscheinungen mit der Patientin/dem Patienten. Um eine Entzugsbehandlung zu beginnen kann es notwendig sein, vorerst Überzeugungsarbeit zu leisten. Den Betroffenen sind das Abhängigkeitspotenzial und mögliche Nebenwirkungen nicht immer bewusst oder sie negieren diese. Auch das Verständnis für die Notwendigkeit des langsamen Absetzens der Medikamente kann fehlen. Ängste vor Entzugssymptomen oder Verschlechterung der Symptome von Erkrankungen (z.B. Depression) stehen ebenfalls oft im Raum.
Hinweis
Wesentlich ist die Konsultation der Ärztin/des Arztes – auch bei einer eventuellen Niedrigdosisabhängigkeit bzw. dem Verdacht darauf.
Wie erfolgt die Behandlung bei Niedrigdosisabhängigkeit?
Eine Niedrigdosisabhängigkeit bei BZD kann ambulant behandelt werden. Vor allem bei guter Motivation der Patientin/des Patienten, Bereitschaft zur Zusammenarbeit, zum Einhalten der Therapiemaßnahmen und der Veränderung von Verhaltensweisen (guter Compliance) sowie guter sozialer Einbettung kann eine solche Entzugsbehandlung erfolgreich sein. Wesentlich ist außerdem das mit BZD behandelte Krankheitsbild. Ein ambulantes Vorgehen kann beispielsweise durchgeführt werden, wenn BZD bei Schlafstörungen verwendet werden.
Ein Entzug orientiert sich an den Betroffenen und dauert unterschiedlich lange. Die Dosis der Medikamente wird während der Entgiftung über Wochen oder Monate langsam reduziert, um eventuelle Entzugssymptome bzw. Rebound-Phänomene zu verhindern bzw. so gering wie möglich zu halten. Während dieses langsamen Reduzierens können sich immer wieder Entzugserscheinungen zeigen.
Bei raschem Absetzen treten Beschwerden wie z.B. Schlafstörungen, Angstzustände, depressive Verstimmung, Überempfindlichkeit, Wahrnehmungsstörungen etc. auf. Die anfänglich behandelten Symptome können sich verstärkt zeigen (sogenannte Rebound-Symptomatik). Auch die Umstellung von einem kurz auf ein mittel- oder langfristig wirksames BZD kann vor der Reduzierung vorgenommen werden. Kurz wirksame BZD bergen ein hohes Abhängigkeitspotenzial. Die Anwendung erfolgt nach Rücksprache mit der Ärztin/dem Arzt.
Die umfassende Aufklärung über eventuelle psychische Krankheiten mit den Betroffenen und u.U. ihren Angehörigen ist ein wesentlicher Pfeiler der Therapie. Psychiatrische Krankheitsbilder werden diagnostiziert und entsprechend therapiert. Das Einbeziehen einer klinisch-psychologischen Behandlung und/oder psychotherapeutischen (z.B. kognitive Verhaltenstherapie) Unterstützung können den Verlauf in Bezug auf psychische Symptome verbessern. Außerdem können Hilfestellungen durch weitere Maßnahmen gesetzt werden, z.B. Entspannungstrainings oder Erlernen von Verhaltensweisen, die einen gesunden Schlaf begünstigen bzw. fördern u.v.m.
Wie erfolgt die Behandlung bei Hochdosisabhängigkeit?
Bei einer Hochdosisabhängigkeit erfolgt die Entzugstherapie meist in stationären Einrichtungen (Suchtkliniken, psychiatrischen Abteilungen in Krankenhäusern). Die Ärztin/der Arzt kann eine solche beispielsweise bei schlechter psychischer Verfassung bzw. bei psychischen und/oder körperlichen Erkrankungen, allgemein schlechtem Gesundheitszustand sowie bereits gescheiterten Versuchen, BZD abzusetzen, für notwendig erachten. Auch aufgrund von Abhängigkeit oder Missbrauch mehrerer Substanzen wird eine Entgiftung stationär durchgeführt. Eine Umstellung auf mittelfristig und lang wirksame BZD findet statt. Bei einer stationären Behandlung kann die relative Dosis oft rascher reduziert werden als bei einer Niedrigdosisabhängigkeit.
Gegebenenfalls wird eine medikamentöse Unterstützung vorgenommen, um etwa Entzugssymptome zu lindern, lebensbedrohliche Komplikationen wie Entzugsanfälle zu verhindern und Begleiterkrankungen zu behandeln. Idealerweise erfolgt eine klinisch-psychologische Behandlung und/oder psychotherapeutische Begleitung. Auch die umfassende Aufklärung über ev. psychische Krankheiten mit den Betroffenen und u.U. ihren Angehörigen ist ein Teil der Therapie.
Eine stationäre Behandlung wird außerdem bei schwangeren Patientinnen, die an einer BZD-Abhängigkeit leiden, durchgeführt.
Abhängigkeit & Missbrauch mehrerer Substanzen
Auch ein mehrfacher Substanzmissbrauch bzw. eine mehrfache Substanzabhängigkeit wird in der Behandlung berücksichtigt (z.B. Alkoholabhängigkeit). Abbruchraten sind allerdings bei gleichzeitiger Abhängigkeit von mehreren Substanzen sowie einer Abhängigkeit bei gleichzeitiger Verwendung mehrerer verschiedener Substanzen z.T. hoch.
Nachsorge
Eine Nachsorge kann bei einer ambulanten Stelle oder im stationären Bereich stattfinden. Wie bei anderen Abhängigkeitserkrankungen auch sind Rückfälle möglich.
Wohin kann ich mich wenden?
Primäre Ansprechstelle ist unter anderem
- die Hausärztin/der Hausarzt sowie
- Fachärztinnen/Fachärzte in psychiatrischen Abteilungen.
- Klinische Psychologinnen/klinische Psychologen und Psychotherapeutinnen/Psychotherapeuten können in den Diagnose- und Therapieprozess involviert sein.
Adressen, die Beratung und Behandlung anbieten, finden Sie unter Suchthilfekompass.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die Kosten für die ärztliche Untersuchung zur Abklärung einer Abhängigkeit werden im Normalfall von den Sozialversicherungsträgern übernommen.
Die interdisziplinäre Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen (inklusive Psychotherapie) findet auch in spezialisierten ambulanten und stationären Einrichtungen statt, die Verträge mit den Krankenversicherungsträgern abgeschlossen haben. Für diese Behandlungsfälle werden im Regelfall die Kosten zur Gänze übernommen. Bei bestimmten Leistungen (z.B. Psychotherapie bei niedergelassenen Psychotherapeutinnen/ Psychotherapeuten) kann u.a.
Über die jeweiligen Bestimmungen informieren Sie sich bitte zudem bei Ihrem Krankenversicherungsträger, den Sie über die Website der Sozialversicherung finden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 21. Dezember 2020
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr.med.univ. Michael Willis, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin