Spastische Lähmung
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Was ist eine spastische Lähmung?
Eine gewisse Muskelspannung ist notwendig, damit sich der Mensch aufrecht halten und bewegen kann. Bei einer spastischen Lähmung sind einzelne oder mehrere Muskeln zu stark angespannt. Dadurch können sich die Betroffenen nicht so bewegen, wie sie wollen. Die Betroffenen können dadurch beispielsweise Probleme mit der Körperhaltung, dem Gehen, dem Gleichgewicht oder dem Sprechen haben.
Wenn ein Muskel dauerhaft verkrampft ist, verkürzen sich mit der Zeit Muskeln, Sehnen und Bänder. Das kann zur Folge haben, dass das Gelenk versteift. Die Betroffenen können dann einzelne Gelenke nur noch schlecht oder gar nicht mehr bewegen. Fachleute sprechen von einer Kontraktur. Manche Menschen sind durch eine spastische Lähmung nur leicht in ihrem Alltag eingeschränkt, andere so schwer, dass sie fremde Hilfe benötigen.
Welche Ursachen hat eine spastische Lähmung?
Eine spastische Lähmung entsteht durch eine Schädigung des Gehirns oder des Rückenmarks. Verschiedenste Ursachen können dazu führen:
- Schlaganfall
- Hirnblutung
- Schädigung des Gehirns in der frühen Kindheit: Wird das Gehirn eines Kindes in der frühen Kindheit geschädigt, entwickeln sich die Kinder verzögert und leiden unter unterschiedlich stark ausgeprägten Bewegungsstörungen. Je nachdem welcher Bereich des Gehirns geschädigt wurde, können weitere Beschwerden dazukommen, wie beispielsweise Epilepsie, Schielen, Sprachstörungen oder eine Hörbeeinträchtigung. Manche Kinder können auch geistig behindert sein. Fachleute bezeichnen diese Störung als „infantile Zerebralparese“.
Die Ursache für eine Schädigung des Gehirns in der frühen Kindheit kann sein:
- Ein Sauerstoffmangel vor, während oder nach der Geburt
- Eine Infektion, beispielsweise Meningitis, Enzephalitis
- Eine Hirnblutung
- Eine Verletzung des Gehirns
- Tumoren im Gehirn oder Rückenmark
- Multiple Sklerose
- Entzündungen im Gehirn oder Rückenmark (Meningitis, Myelitis, Enzephalitis)
- Verletzung des Rückenmarks, z.B. bei einer Querschnittlähmung
- Verletzung des Gehirns, z.B. bei einem Schädel-Hirn-Trauma
Welche Symptome können auftreten?
Die Symptome einer spastischen Lähmung hängen davon ab, welcher Teil des Gehirns oder Rückenmarks wie stark geschädigt wurde. Je nachdem wie schwer die spastische Lähmung ist, sind die Betroffenen nur leicht oder schwer in ihrem Alltag behindert.
Infolge der verkrampften Muskulatur können die Betroffenen unter anderem Schwierigkeiten beim Stehen, Gehen oder Greifen haben. Beispielsweise können Ellenbogen oder Handgelenke gebeugt, ein Fuß nach innen gedreht oder eine Hand zur Faust geballt sein.
Zudem fällt es den Betroffenen oft schwer, das Gleichgewicht zu halten. Bei manchen kann es zu Muskelzuckungen und unwillkürlichen Bewegungen, etwa einem wippenden Fuß, kommen. Dazu kommen mitunter starke Schmerzen in den betroffenen Körperteilen, wodurch die Betroffenen oft keinen erholsamen Schlaf finden.
Es können alle Teile des Körpers betroffen sein: die Beine, die Füße, die Arme, die Hände, der Oberkörper oder auch der ganze Körper. Tritt die spastische Lähmung nur auf einer Körperseite auf, bezeichnen Fachleute diese als „Hemispastik“. Sind beide Körperseiten betroffen handelt es sich um eine „Paraspastik“.
Zudem kann auch die Sprech- oder Schluckmuskulatur von der Spastik betroffen sein. Dann haben die Betroffenen beispielsweise eine undeutliche Aussprache oder sie können den Speichel nicht im Mund halten. Wenn die Augenmuskulatur betroffen ist, schielen die Betroffenen und sehen Doppelbilder.
Viele Betroffene bemerken, dass die Kraft und die Geschicklichkeit im Alltag nachlassen. Sie fühlen sich schnell erschöpft. Alltägliche Tätigkeiten wie An- und Ausziehen, Körperpflege oder Kochen können durch die Spastik zunehmend erschwert werden.
Bei vielen Betroffenen ist die spastische Lähmung nicht immer gleich schwer. Bestimmte äußere Reize können die Beschwerden verstärken: beispielsweise Stress, Wärme, Schmerzen, eine falsche Bewegung, ein Infekt oder eine volle Blase.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Treten Symptome einer spastischen Lähmung erstmals auf, beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Menschen mit Multipler Sklerose, sollten die Betroffenen sich möglichst bald an ihre Ärztin oder ihren Arzt wenden. Manchmal machen sich spastische Beschwerden erst Wochen nach einem Schlaganfall bemerkbar.
Bemerkt die Kinderärztin oder der Kinderarzt bei einem Kleinkind eine Entwicklungsverzögerung oder Anzeichen für eine Spastik, ist eine spezielle Abklärung notwendig.
Im Rahmen einer ausführlichen Anamnese erkundigt sich die Ärztin oder Arzt danach, in welchen Situationen die Spastik auftritt, ob sie mit Schmerzen verbunden ist und wie sehr der Alltag durch die Beschwerden beeinträchtigt wird. Die Ärztin oder der Arzt fragt auch, ob die Spastik durch irgendwelche Trigger ausgelöst wird.
Dann werden die Betroffenen körperlich und neurologisch untersucht. Dabei überprüft die Ärztin oder der Arzt unter anderem die Beweglichkeit, die Muskelkraft, das Gleichgewicht und die Reflexe. Auch die Beweglichkeit der Gelenke wird untersucht. Je nach Ergebnis dieser Untersuchungen werden weitere angeordnet: beispielsweise eine Blutuntersuchung, Computertomographie, Magnetresonanztomographie , Elektroenzephalographie.
In bestimmten Fällen entnimmt die Ärztin oder der Arzt etwas Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmarkskanal. Diese wird anschließend im Labor untersucht. So kann beispielsweise eine Entzündung des Gehirns oder des Rückenmarks festgestellt werden.
Stellt die Ärztin oder der Arzt die Diagnose spastische Lähmung, beurteilt diese oder dieser deren Stärke mithilfe von Skalen: beispielsweise der sogenannten Ashworth-Skala. Damit kann die Ausprägung einer spastischen Lähmung eingeschätzt werden.
Wie erfolgt die Behandlung einer spastischen Lähmung?
Derzeit kann Spastik nicht geheilt werden. Mithilfe verschiedenster Behandlungsmethoden können aber Symptome gelindert und Spätfolgen wie Kontrakturen verhindert werden. Ein wichtiges Ziel ist, dass die Lebensqualität der Betroffenen erhalten bleibt und sie möglichst selbstständig leben können.
Die Behandlung einer Spastik erfolgt immer multidisziplinär. Das bedeutet, dass neben den Ärztinnen und Ärzten viele verschiedene Fachleute an der Therapie beteiligt sind. Beispielsweise:
- Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten
- Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten
- Psychologinnen und Psychologen
- Logopädinnen und Logopäden
Der Therapieplan ist immer persönlich auf die Bedürfnisse der Patientin oder des Patienten zugeschnitten. Meist erhält die oder der Betroffene eine Kombination aus unterschiedlichen Behandlungsverfahren:
- Physiotherapie ist ein wichtiger Baustein bei der Behandlung einer Spastik. Die Therapeutinnen und Therapeuten zeigen den Betroffenen spezielle Übungen, damit die Muskeln und Gelenke beweglich bleiben. Fast immer stehen dabei Dehnungsübungen am Plan. Diese können die Betroffenen selbst aktiv durchführen, oder die Physiotherapeutin oder der Physiotherapeut dehnt die Körperteile passiv. Dadurch sollen Bewegungsabläufe verbessert und Folgeschäden vermieden werden. Helfen können auch Übungen, die die Körperkraft verbessern.
- Ergotherapie soll den Betroffenen dabei helfen, ein eigenständiges Leben führen zu können. Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten zeigen den Erkrankten verschiedene Übungen, damit sie im Alltag besser zurechtkommen. Dazu zählt unter anderem das Üben von Alltagstätigkeiten wie Anziehen, Essen und Körperpflege. Zudem lernen die Betroffenen, wie sie bestimmte Hilfsmittel nutzen können, um ihren Alltag besser zu meistern: beispielsweise Hilfsmittel, die mit nur einer Hand bedient werden können, wie spezielles Essbesteck, Schneidbretter oder Knöpfhilfen.
- Orthesen können den Betroffen dabei helfen, ihren Alltag zu bewältigen sowie Fehlstellungen und Schmerzen zu verringern. Die individuell angepassten Schienen oder Bandagen entlasten die Muskeln, Knochen und Gelenke und geben dem betroffenen Körperteil Halt. Beispielsweise sorgt eine Handorthese dafür, dass die Hand in einer natürlichen, schmerzfreien Position bleibt.
- Auslöser meiden: Auslöser werden auch als Trigger bezeichnet. Wenn bestimmte Situationen eine Spastik auslösen, ist es wichtig, dass die Betroffenen lernen, diese zu vermeiden.
- Krampflösende Medikamente: Wenn Physio- und Ergotherapie allein nicht helfen, werden die Betroffenen meist zusätzlich mit krampflösenden Medikamenten behandelt. Sie verringern die Anspannung in den Muskeln und lassen die Muskeln erschlaffen. Medikamente zum Einnehmen wirken nicht nur auf die betroffenen Muskeln, sondern auf alle Muskeln im Körper: Muskelschwäche und Müdigkeit können unter anderem die Folge sein. Botulinumtoxin ist ein Wirkstoff, der in den spastischen Muskel gespritzt wird. Die Betroffenen haben dadurch weniger spastische Krämpfe und können sich besser bewegen. Die gesunden Muskeln sind von dieser Behandlung nicht betroffen. Gespritztes Botulinumtoxin wirkt nach einigen Tagen, und seine Wirkung hält für einige Monate an.
- Operation: Helfen alle genannten Therapiemaßnahmen nicht, kann als letzte Möglichkeit eine Operation in Erwägung gezogen werden. Hier gibt es eine Vielzahl an etablierten und experimentellen operativen Eingriffen deren Indikation aber von Experten bewertet werden müssen.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
- Recht auf Behandlung
- Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte
- Was kostet der Spitalsaufenthalt
- Rezeptgebühr: So werden Medikamentenkosten abgedeckt
- Reha & Kur
- Heilbehelfe & Hilfsmittel
- Gesundheitsberufe A-Z
sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 24. Februar 2023
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prim. Univ.Prof. Dr.med.univ. Dr. Christoph Griessenauer, Facharzt für Neurochirurgie