Multiple Sklerose: Diagnose und Therapie
Inhaltsverzeichnis
Wie wird die Diagnose einer Multiplen Sklerose gestellt?
Die Ärztin oder der Arzt erhebt die Krankengeschichte, die sogenannte Anamnese. Dabei fragt sie oder er etwa nach:
- der Art, dem Beginn und der Dauer der neurologischen Beschwerden,
- früheren neurologischen Problemen beim z.B. Sehen, Gehen, Lähmungserscheinungen, Störungen der Sensibilität,
- nach früheren oder bestehenden anderen Erkrankungen,
- nach Medikamenten, die derzeit eingenommen werden,
- nach Erkrankungen, die innerhalb der Familie häufiger vorhanden sind bzw. waren.
Anschließend folgt eine neurologische Untersuchung. Zur weiteren Abklärung weist die Ärztin oder der Arzt zum MRT des Gehirns und auch des Rückenmarks zu. Zudem erfolgt eine Untersuchung des Liquors und des Blutes.
Weiterführende Untersuchungen wie die Erhebung spezieller Laborwerte schlägt die Neurologin oder der Neurologe bei einem weiteren konkreten Verdacht auf Multiple Sklerose vor. Zu weiterführenden Untersuchungen zählen zum Beispiel die optische Kohärenz-Tomographie zur Untersuchung der Netzhaut des Auges und sogenannte evozierte Potentiale. Dies ist eine Untersuchung der Leitungsgeschwindigkeit von elektrischen Signalen des Gehirns und des Rückenmarks.
Bei kognitiven Beschwerden ist auch eine neuropsychologische Diagnostik sinnvoll.
Die Multiple Sklerose ist eine sogenannte Ausschlussdiagnose. Das bedeutet: Es gibt keine andere Erklärung für die Symptome und Befunde der betroffenen Person. Informationen zu Formen von Multipler Sklerose finden Sie unter Multiple Sklerose: Was ist das?
Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es bei Multipler Sklerose?
Die Behandlung zielt darauf ab, Symptomlosigkeit und die Verhinderung eines Krankheitsverlaufs mit Beeinträchtigungen zu erreichen. Die Fachwelt unterscheidet:
- Therapie der MS-Schübe, die Schubtherapie,
- Therapie, um Schüben und schleichender Krankheitsverschlechterung vorzubeugen, die Verlaufstherapie,
- symptomatische Therapie, um bestehende Symptome zu verbessern bzw. deren Verschlechterung und möglichen Komplikationen vorzubeugen, die begleitende Therapie.
Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient vereinbaren gemeinsam die Therapieziele. Wesentlich ist auch das Miteinbeziehen von Aspekten der Lebensqualität.
Die Überprüfung des Therapieerfolgs erfolgt durch die neurologische Untersuchung. Hierzu kommen auch Messskalen zur Anwendung. So kommt zum Beispiel zur Feststellung von möglichen Beeinträchtigungen die sogenannte EDSS-Skala oder auch ein Gehtest zum Einsatz. Auch Fragebögen, bei denen Patientinnen und Patienten ihren Zustand einschätzen, kommen zur Anwendung. Je nach Behandlung kann zudem das MRT zur Verlaufskontrolle herangezogen werden.
Hinweis
Die Ärztin oder der Arzt klärt über die Erkrankung, Behandlung, Wirkung, Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen von Medikamenten auf.
Schubtherapie
Bei der Schubtherapie erfolgt die Behandlung des Erkrankungsschubes. Dabei kommt in erster Linie Kortison zum Einsatz.
Kortisontherapie
Die Ärztin oder der Arzt verschreibt in erster Linie das hochdosierte Kortison abhängig von der Schwere des Schubs sowie der Verträglichkeit und Wirksamkeit einer vorhergehenden hochdosierten Kortisontherapie.
Die Gabe von Kortison erfolgt bei einem akuten MS-Schub als Infusion über die Vene für ca. drei bis fünf Tage. Eventuell empfiehlt die Ärztin oder der Arzt danach noch eine Einnahme von Kortison als Tablette.
Die Anwendung von Kortison erfolgt idealerweise am Morgen bzw. am Vormittag. Dies beugt z.B. möglichen Schlafstörungen durch Kortison vor. Vor der Kortisontherapie sollte eine Blutuntersuchung im Labor erfolgen, um einen Infekt auszuschließen. Bei einer Schwangerschaft wird die Kortisontherapie individuell abgestimmt.
Apheresetherapie
Seltener erwägt die Neurologin oder der Neurologe auch eine sogenannte Apheresetherapie mittels Plasmapherese oder Immunadsorption:
- bei schweren Schubsymptomen, die auf Kortison nicht oder nur ungenügend ansprechen oder
- Kontraindikationen gegen eine Kortisontherapie
Verlaufstherapie mit Immuntherapie
Fachleute raten Patientinnen und Patienten mit MS und KIS, dem klinisch isoliertem Syndrom, zu einer langfristigen Verlaufstherapie mit einem sogenannten Immuntherapeutikum. Immuntherapeutika sollen die Aktivität des Immunsystems beeinflussen. Sie ermöglichen eine individuell angepasste Therapie – je nach Krankheitsverlauf.
Nur bei einem sehr milden Verlauf und unter engen neurologischen Kontrollen sowie bei bisher unbehandelten Betroffenen von RMS ohne aktuellen Schub in den letzten beiden Jahren kann laut Fachwelt auf diese Verlaufstherapie verzichtet werden. RMS ist die schubförmige relapsierende bzw. remittierende Multiple Sklerose.
Zu Zielen der Immuntherapie zählen vor allem:
- die Verhinderung von Schüben,
- die Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung sowie
- der Erhalt der bestmöglichen individuellen Lebensqualität.
Die Neurologin oder der Neurologe schlägt je nach Verlauf und in Abwägung des Nutzens bzw. Risikos unterschiedliche Immuntherapeutika vor und berät zur Dauer der Einnahme. Die Fachwelt teilt die Medikamente in drei Gruppen: 1, 2 und 3. Dabei sind die Wirkung und das Risiko von Nebenwirkungen von 1 bis 3 aufsteigend, d.h., Wirkstoffe der Gruppe 3 wirken am stärksten, haben aber auch ein höheres Risiko von Nebenwirkungen. Infrage kommen sogenannte Immunmodulatoren sowie Immunsuppressiva. Bei der Auswahl der Medikamente spielen u.a. eine Rolle:
- Die entzündliche Aktivität der Erkrankung: Ob es klinische Schübe oder Anzeichen für die Erkrankung im MRT gibt.
- Begleiterkrankungen
- Kontraindikationen
- Schwangerschaftswunsch
Vor, während und nach einer Behandlung mit Immuntherapeutika erfolgen regelmäßige neurologische und zumeist auch Laboruntersuchungen und weitere Kontrollen (z.B. MRT). Ob eine Therapiepause oder ein Therapieende stattfindet, entscheiden Neurologin oder Neurologe und Patientin oder Patient gemeinsam je nach individueller Situation. Die Neurologin oder der Neurologe klärt über mögliche Folgen eines Therapieendes bzw. einer Therapiepause auf.
Begleitende Therapie der Symptome
Auch Therapiemaßnahmen zur Linderung von Symptomen kommt eine wesentliche Rolle bei der Behandlung von Multipler Sklerose zu. Sie dient vor allem der Verbesserung der Symptome bzw. der Vorbeugung von symptombedingten Komplikationen. Je nach Beschwerden können dabei medikamentöse und nicht medikamentöse Therapien zum Einsatz kommen:
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Logopädie, z.B. bei Problemen mit der Stimme oder Schluckstörungen
- Hippotherapie mit Pferden als mögliche Ergänzung zu Physiotherapie
- Ausdauertraining in niedriger bis mittlerer Ausprägung bei Fatigue
- Gezielte Medikamente gegen Symptome: z.B. gegen Spastik, bei Schwierigkeiten beim Gehen, bei Blasenstörungen, gegen Schmerzen
- Psychotherapie, etwa kognitive Verhaltenstherapie bei Fatigue sowie bei psychischer Belastung bzw. Beschwerden oder begleitenden psychischen Erkrankungen
- Neuropsychologische Behandlung bei kognitiven Problemen
Informationen zur Behandlung von Störungen des Sexualfunktion finden Sie unter Sexuelle Funktionsstörungen.
Die begleitende Behandlung der Symptome der Multiplen Sklerose erfolgt individuell abgestimmt. Die Ärztin oder der Arzt kann auch Heilbehelfe zur Unterstützung verordnen.
Rehabilitation
Auch eine ambulante oder stationäre Rehabilitation kann für von Multipler Sklerose betroffene Personen sinnvoll sein. Fachleute empfehlen diese vor allem bei:
- andauernder Beeinträchtigungen von neurologischen Funktionen nach einem MS-Schub,
- deutlicher Zunahme von Funktionsstörungen des Körpers bzw. von psychosomatischen Beschwerden,
- drohendem Verlust von neurologischen Funktionen oder Selbstständigkeit im Alltag,
- drohendem Verlust von beruflicher sowie sozialer Integration.
Allgemeine Informationen zur Rehabilitation finden Sie unter Rehabilitation & Kur.
Palliativmedizinische Versorgung
Bei der palliativmedizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose steht die Linderung von Symptomen bei absehbarem Lebensende bzw. während des Sterbeprozesses im Mittelpunkt. Dabei spielen auch psychologische, spirituelle und soziale Aspekte eine wesentliche Rolle. Informationen rund um Palliativmedizin finden Sie unter Hospiz- und Palliativversorgung.
Schwangerschaft und Multiple Sklerose
Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt klärt über den möglichen individuellen Verlauf der MS während der Schwangerschaft auf. Die Neurologin oder der Neurologe stimmt die Therapiemaßnahmen auf Kinderwunsch und Schwangerschaft ab. Fachleute empfehlen bei Kinderwunsch möglichst eine Planung der Schwangerschaft in einer stabilen Phase der Erkrankung.
Bisher hat die Fachwelt keine Hinweise darauf gefunden, dass sich eine Schwangerschaft allgemein langfristig nachteilig auf den Verlauf von MS auswirkt. Die Wahrscheinlichkeit eines MS-Schubes nimmt mit jedem Schwangerschaftsdrittel ab. Allerdings nimmt das Risiko für einen Schub in den ersten drei Monaten nach Entbindung wieder zu. Mit Ende des ersten Jahres nach der Geburt dürfte das Schub-Risiko wieder so sein wie vor der Schwangerschaft. Hinsichtlich Entbindung kann diese nach Wünschen der Patientin erfolgen in Abstimmung mit der Gynäkologin bzw. dem Gynäkologen. Diese klärt die Patientin über Möglichkeiten und Risiken auf.
Leben mit Multipler Sklerose
Fachleute empfehlen Menschen mit Multipler Sklerose, sich in einer Selbsthilfegruppe Unterstützung zu holen. Dort können sich Betroffene miteinander austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Es gibt auch Selbsthilfegruppe für Angehörige.
Weitere Informationen und Literatur rund um das Leben mit MS sowie Beratung über eine Hotline finden Sie etwa auf der Website der Österreichischen Multiple-Sklerose-Gesellschaft.
Wohin kann ich mich wenden?
Zur Abklärung sowie Behandlung einer Multiplen Sklerose stehen Neurologinnen oder Neurologen zur Verfügung. Sie können sich auch an Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt wenden. Diese oder dieser überweist bei Verdacht auf eine Multiple Sklerose weiter an eine Neurologin oder einen Neurologen.
Die Neurologin oder der Neurologe leitet Untersuchungen in die Wege bzw. überweist auch an weitere spezialisierte Anlaufstellen.
Treten im Rahmen der Erkrankung akute Symptome auf, die lebensbedrohlich sein können – wie etwa Atemnot –, ist die Rettung unter 144 erster Kontakt.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 5. Juli 2024
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, Msc., FEAN, Facharzt für Neurologie; Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft/Selbsthilfe.