Schmerz: Was ist das?
Inhaltsverzeichnis
Wie wird Schmerz wahrgenommen?
Jeder Mensch nimmt Schmerz unterschiedlich wahr: Er kann brennend, stechend, pochend, drückend sein. Schmerz kann quälend, erschöpfend, schrecklich oder lähmend sein. Zudem wird Schmerz nicht von jedem Menschen gleich stark empfunden: Schmerzen, die für eine Person unerträglich sind, werden von einer anderen als weniger schmerzhaft erlebt.
Schmerz kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Prinzipiell unterscheiden Fachleute zwischen akuten Schmerzen und chronischen Schmerzen.
Was sind akute Schmerzen?
Akute Schmerzen treten plötzlich auf und werden durch eine konkrete Ursache ausgelöst, beispielsweise eine Verletzung, eine Entzündung oder eine Operation. Sie haben eine wichtige Warn- und Schutzfunktion: Sie weisen darauf hin, dass etwas im Körper nicht in Ordnung ist, z.B. dass eine Entzündung oder Verletzung im Körper besteht oder etwas zu heiß oder zu kalt ist. Und sie bewahren den Körper vor weiteren Schäden. Zudem können Schmerzen bewirken, dass sich die betroffene Person bei einer Verletzung oder Erkrankung schont, sodass eine ungestörte Heilung erfolgen kann. Bei starken Schmerzen reagiert der ganze Körper: Der Herzschlag wird schneller, der Blutdruck steigt, Schweiß bricht aus, und die Pupillen weiten sich. Ausgelöst werden diese Reaktionen durch den Botenstoff Noradrenalin.
Was sind chronische Schmerzen?
Dauern die Schmerzen länger als drei Monate an oder kehren diese immer wieder, sprechen Fachleute von chronischen Schmerzen. Bei andauernden oder immer wiederkehrenden Schmerzen verliert der Schmerz seine warnende Funktion. Chronische Schmerzen können zu einer eigenständigen Krankheit werden.
In Österreich leben etwa 1,5 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Am häufigsten leiden die Betroffenen unter Rücken-, Gelenk- und Kopfschmerzen.
Chronische Schmerzen können die Lebensqualität stark beeinträchtigen: Die betroffenen Personen haben oft eine eingeschränkte Beweglichkeit, viele schlafen schlecht und sind nicht mehr so leistungsfähig wie früher. Dazu können seelische Probleme kommen.
Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen können körperliche, psychische und soziale Einflüsse eine Rolle spielen. Dabei kann der chronische Schmerz durch jeden dieser drei Faktoren entstehen, aber auch beeinflusst werden. Fachleute empfehlen, bei der Behandlung von chronischen Schmerzen jeden dieser drei Faktoren miteinzubeziehen.
Körperliche Einflüsse
Hinter chronischen Schmerzen kann ursprünglich eine körperliche Ursache stecken, z.B. eine Verletzung, eine Operation oder eine chronische Erkrankung wie Arthrose, ein Bandscheibenvorfall oder Krebs. Diese Ursachen können starke Schmerzen auslösen. Wenn starke Schmerzen nicht ausreichend behandelt werden, besteht die Gefahr, dass diese weiter bestehen oder immer wiederkehren. Manchmal auch dann, wenn die eigentliche Ursache für den Schmerz gar nicht mehr besteht.
Das liegt u.a. daran, dass andauernde Schmerzen zu Veränderungen im Nervensystem führen können. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang von einem „Schmerzgedächtnis“. In manchen Fällen haben die chronischen Schmerzen dann nichts mehr mit der ursprünglichen Erkrankung zu tun. Damit es zu solchen Veränderungen im Nervensystem erst gar nicht kommt, empfehlen Fachleute, Schmerzen rechtzeitig zu behandeln.
Psychische und soziale Faktoren
Auch die Psyche spielt bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Schmerzen eine bedeutende Rolle. Zum einen können chronische Schmerzen dazu führen, dass die betroffene Person zunehmend verzweifelt, depressiv und ängstlich wird. Viele Betroffene schlafen schlecht und ziehen sich immer mehr von ihren Mitmenschen zurück. Der Schmerz nimmt zunehmend mehr Raum in deren Denken und Handeln ein. Ein Teufelskreis kann entstehen: Angst und Depression verstärken die Schmerzen. Durch die immer stärker werdenden Schmerzen wird die betroffene Person noch depressiver und ängstlicher, und die Schmerzspirale nimmt ihren Lauf.
Andererseits können Schmerzen auch durch seelische Belastungen wie Stress, Trauer, Angst oder Depression ausgelöst oder verstärkt werden, z.B. Kopf- oder Rückenschmerzen. Menschen, die unter einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression oder einer Angststörung, leiden, neigen mehr als gesunde Personen dazu, in bestimmten Situationen ein chronisches Schmerzsyndrom zu entwickeln. Schließlich können die Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischen Schmerzen auch durch soziale Faktoren, wie die Situation in der Familie oder am Arbeitsplatz, beeinflusst werden.
Schmerz als eigenständige Erkrankung: Chronisches Schmerzsyndrom
Wenn die Ärztin oder der Arzt keine körperliche Ursache für den chronischen Schmerz feststellen kann, wird dies als eigenständige Erkrankung betrachtet. Hat die betroffene Person länger als sechs Monate chronische Schmerzen, sprechen Fachleute von einem chronischen Schmerzsyndrom. Ein solches kann einerseits infolge einer anderen Erkrankung auftreten. Andererseits kann es dazu auch ohne erkennbare körperliche Ursache kommen, beispielsweise Fibromyalgie, chronische Kopfschmerzen, Komplexes Regionales Schmerzsyndrom (CRPS).
Schmerz: Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Frauen leiden häufiger als Männer unter Schmerzen und Schmerzerkrankungen, beispielsweise Fibromyalgie oder Migräne. Sie haben häufiger chronische Schmerzen, etwa Rücken-, Nacken- und Gelenkschmerzen. Die genauen Ursachen dafür sind derzeit noch nicht geklärt. Fachleute vermuten, dass u.a. persönliche Veranlagung und hormonelle Faktoren eine Rolle spielen könnten. Zudem dürften Frauen Schmerzen anders empfinden als Männer. So haben sie öfter Schmerzen in mehreren Körperteilen. Zudem dauern diese bei Frauen oft länger als bei Männern. Fachleute gehen auch davon aus, dass die Schmerzschwelle bei Frauen niedriger ist als bei Männern.
Weitere Informationen finden Sie unter Gendergesundheit.
Wie kann Schmerz im Körper entstehen?
Je nachdem, wie der Schmerz entsteht und wo er auftritt, unterscheiden Fachleute verschiedene Schmerzformen. In bestimmten Fällen kann die betroffene Person auch unter mehreren Schmerzformen gleichzeitig leiden. Die beiden häufigsten Schmerzformen sind Nozizeptor-Schmerz und neuropathische Schmerzen.
Nozizeptor-Schmerz
Fast überall im Körper befinden sich spezielle Sinneszellen, die verschiedenste Reize aus der Umgebung und dem Körperinneren wahrnehmen können. Fachleute bezeichnen diese Sinneszellen als Nozizeptoren. „Nozizeptiver Schmerz“ kann von der betroffenen Person gut lokalisiert werden und fühlt sich je nach Ursache stechend, brennend oder pochend an.
Besonders viele Nozizeptoren befinden sich in der Haut. Aber auch in den Muskeln, in den Knochen, in den Gelenken und inneren Organen sind sie vorhanden. Diese können u.a. durch Hitze, Kälte oder Druck von außen, durch eine Verletzung oder Entzündung im Körper aktiviert werden.
Stößt man sich beispielsweise das Knie an oder greift auf eine heiße Herdplatte, werden diese Sinneszellen aktiviert und leiten Signale an das Rückenmark und in weiterer Folge an das Gehirn weiter. Das Rückenmark kann sehr schnell antworten und beispielsweise dafür sorgen, dass die Hand reflexartig von der Herdplatte gezogen wird. Im Gehirn werden die Signale verarbeitet, sodass der Schmerz wahrgenommen und eingeordnet werden kann. In weiterer Folge werden dann entsprechende Reaktionen ausgelöst, die den Körper vor weiterem Schaden bewahren können. Beispielsweise die verbrannte Hand kühlen.
Schmerzen, die von einem inneren Organ ausgehen, werden eher als dumpf, tiefliegend oder krampfartig empfunden. Sie werden oft nicht nur am Ort der Entstehung, sondern auch an einer anderen Körperstelle wahrgenommen. Fachleute sprechen dann vom „übertragenen Schmerz“. Beispielsweise können Schmerzen im Bereich der rechten Schulter von Erkrankungen der Gallenblase kommen.
Typische Beispiele für Nozizeptor-Schmerzen sind:
- Schmerzen im Bewegungsapparat
- Knochenbrüche
- Schmerzen bei Haut- und Schleimhautverletzungen
- Schmerzen bei chronischen Entzündungen, z.B. bei Gelenkerkrankungen wie Arthrose oder Rheuma
- Schmerzen nach Operationen
- Schmerzen in inneren Organen, z.B. bei einem Herzinfarkt, einer Gallenkolik, einer Gastritis
- Kopfschmerzen
Neuropathische Schmerzen
Schmerz kann auch entstehen, wenn Nervenfasern, das Rückenmark oder das Gehirn gereizt oder geschädigt werden. Fachleute sprechen dann vom sogenannten neuropathischen Schmerz. Dieser kann verschiedene Ursachen haben. So kann es durch Verletzung oder Druckschädigung eines Nervs dazu kommen, z.B. Karpaltunnelsyndrom. Zudem können neuropathische Schmerzen im Rahmen verschiedener Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, Gürtelrose, Bandscheibenvorfall, Schlaganfall oder durch Alkoholmissbrauch, auftreten. Betroffene beschreiben neuropathische Schmerzen oft als elektrisierende, stechende, brennende Schmerzen, die eher großflächig auftreten und in bestimmte Nervenversorgungsgebiete ausstrahlen können. Zudem können sie zu einem Kribbeln oder zu einem Taubheitsgefühl führen. Neuropathische Schmerzen werden manchmal chronisch und können weiter bestehen, auch wenn die eigentliche Ursache beseitigt wurde.
Zu den neuropathischen Schmerzen werden auch die Phantomschmerzen gezählt. Dabei handelt es sich um immer wiederkehrende Schmerzen, die in einem Körperteil wahrgenommen werden, das gar nicht mehr vorhanden ist. Dazu kann es beispielsweise nach der Amputation eines Gliedmaßes kommen. Betroffene beschreiben die Schmerzen u.a. als brennend, kribbelnd, juckend oder quetschend.
Wie wird chronischer Schmerz diagnostiziert?
Damit länger andauernde Schmerzen erfolgreich behandelt werden können, ist es notwendig, dass die Ärztin oder der Arzt einen umfassenden Einblick in die gesamte Situation der betroffenen Person bekommt.
Mithilfe einer ausführlichen Anamnese verschafft sich die Ärztin oder der Arzt zunächst einen genauen Überblick über die persönliche Situation der betroffenen Person. Dabei wird diese u.a. über bestehende Erkrankungen, die Einnahme von Medikamenten und bereits vorliegende Befunde befragt. Zudem erkundigt sich die Ärztin oder der Arzt nach möglichen psychischen, familiären oder beruflichen Problemen. Ein wichtiger Punkt bei der Schmerzanamnese ist auch, wie stark die betroffene Person durch die Schmerzen im Alltag eingeschränkt wird: Beispielsweise ob sie dadurch Probleme im Beruf oder beim Schlafen hat. Schließlich werden die bestehenden Schmerzen genau hinterfragt, z.B.:
- Seit wann bestehen diese?
- Gab es einen konkreten Auslöser dafür?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an?
- Wie häufig treten sie auf?
Bei der Diagnose helfen spezielle Fragebögen, die oft bereits vor dem eigentlichen Gespräch mit der Ärztin oder dem Arzt ausgefüllt werden.
Hilfreich kann auch das Führen eines Schmerztagebuches sein. In diesem wird notiert, wie oft und bei welchen Gelegenheiten die Schmerzen auftreten. Zudem kann die betroffene Person darin eintragen, wann und wie viele Schmerzmittel sie eingenommen hat. Manchmal wird auch die Art, Stärke und Dauer der Schmerzen darin notiert. Damit bekommt die Ärztin oder der Arzt einen guten Überblick über die Schmerzen und kann auch den Verlauf der Schmerzen gut beobachten. Zudem kann mit den Ergebnissen des Schmerztagebuchs festgestellt werden, wie gut die betroffene Person auf eine bereits bestehende Behandlung anspricht.
Um herauszufinden, wie stark die Schmerzen von der betroffenen Person empfunden werden, kann die Ärztin oder der Arzt je nach Fall verschiedene Hilfsmittel verwenden.
Mithilfe numerischer Skalen kann die Ärztin oder der Arzt die Stärke der Schmerzen beurteilen. Auf einem Lineal mit einer Einteilung von 0 bis 10 gibt die betroffene Person an, wie stark sie die Schmerzen empfindet. Dabei steht „0“ für schmerzfrei und „10“ für unerträgliche Schmerzen. Für Kinder können anstatt Zahlen Bilder verwendet werden, beispielsweise lachende und weinende Gesichter. So können auch diese die Intensität des Schmerzes beschreiben.
Danach erfolgt eine eingehende körperliche und neurologische Untersuchung. Dadurch kann die Ärztin oder der Arzt die Ursache der Schmerzen genauer eingrenzen. Je nach Fall empfiehlt die Ärztin oder der Arzt weitere Untersuchungen. z.B..:
- Ultraschall
- CT
- MRT
- Laboruntersuchungen
- Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
Mithilfe einer genauen Diagnose bespricht die Ärztin oder der Arzt mit der Patientin oder dem Patienten, welche Möglichkeiten der Schmerztherapie es gibt.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 17. Dezember 2024
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Priv.-Doz. Prim. Dr. Nenad Mitrovic, Facharzt für Neurologie; Zusatz: ÖÄK-Diplom für Spezielle Schmerztherapie