Schmerz: Medikamentöse Therapie
Inhaltsverzeichnis
Zur Anwendung kommen entweder einzelne oder mehrere aufeinander abgestimmte Therapien. Eine wichtige Säule stellt die medikamentöse Behandlung dar. Sie wird heute vielfach noch nach dem Stufenschema der WHO (Weltgesundheitsorganisation) durchgeführt, die ursprünglich zur Behandlung von Tumorschmerzen entwickelt wurde. Dabei entscheidet die Stärke bzw. Intensität der Schmerzen über die Wahl des Medikaments. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass Betroffenen mit einer rein an der Schmerzstärke orientierten Therapie nicht immer optimal geholfen werden kann. Die moderne Schmerztherapie orientiert sich daher auch an den zugrunde liegenden Mechanismen und berücksichtigt drei Schmerzcharakteristika:
- akuter oder chronischer Schmerz,
- Schmerzstärke,
- Schmerzart (Rezeptor- oder Nervenschmerz bzw. gemischter Schmerz).
Dadurch werden die Chancen auf eine größtmögliche Beschwerdelinderung deutlich verbessert. Oft liegen dem Schmerz mehrere unterschiedliche Mechanismen zugrunde. Diese können nur mittels einer Kombination aus verschiedenen Schmerzmitteln adäquat behandelt werden. Die Wirkstoffe können sich in ihrer Wirkung ergänzen und die Schmerzlinderung unterstützen.
Neben den gängigen Schmerzmitteln (Opioide und Nichtopioide) werden aktuell entweder begleitend oder auch allein sogenannte Co-Analgetika angewendet. Diese wirken schmerzlindernd, wurden jedoch ursprünglich für andere Krankheiten entwickelt. So werden Antidepressiva und Antiepileptika häufig bei Nervenschmerzen, aber auch bei gemischten Schmerzen erfolgreich eingesetzt.
Nichtopioide gegen leichte Schmerzen
Diese Gruppe umfasst opioidfreie Medikamente, die den Schmerz vornehmlich am Ort seines Entstehens bekämpfen. Dazu gehören v.a. folgende Substanzen.
- Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; z.B. Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen): Diese kortisonfreien Arzneimittel wirken schmerzstillend, entzündungshemmend, fiebersenkend und hemmen die Blutgerinnung. Sie eignen sich daher besonders bei Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates. Speziell bei längerer Anwendung können Nebenwirkungen wie z.B. Entzündungen und Blutungen der Magen-Darm-Schleimhaut oder Nierenschäden auftreten. Moderne Antirheumatika (sogenannte Coxibe oder COX2-Hemmer) sind zwar magenverträglicher, können jedoch bei längerer Einnahme ebenfalls die Magen-Darm-Schleimhaut angreifen. Werden Antirheumatika angewendet, erhöht sich bei vorbelasteten Personen das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.
- Pyrazolone (z.B. Metamizol): wirken schmerzlindernd, fiebersenkend, leicht entzündungshemmend und krampflösend (v.a. auf die Muskulatur des Magen-Darm-Traktes). In seltenen Fällen kann es zu Blutbildveränderungen kommen.
- Aniline (z.B. Paracetamol): wirken schmerzlindernd und fiebersenkend, jedoch nicht oder nur schwach entzündungshemmend und blutgerinnungshemmend. Höhere Dosen über längere Zeit können Leberschäden verursachen.
Opioide gegen mittelstarke bis starke Schmerzen
Opioide sind besonders wirksame Schmerzmittel, die bereits frühzeitig in der Schmerztherapie eingesetzt werden, um eine Chronifizierung zu verhindern. Es handelt sich dabei um natürliche und synthetisch hergestellte Abkömmlinge des Morphiums.
Sie hemmen die Weiterleitung von Schmerzsignalen in Rückenmark und Gehirn. Dabei besetzen sie die gleichen Bindungsstellen wie körpereigene Opioide, die sogenannten Endorphine, und imitieren somit deren Wirkung bzw. unterstützen deren schmerzhemmende Effekte.
- Schwache Opioide (z.B. Dihydrocodein, Dextropropyphen, Codein, Tilidin, Tramadol): werden bei mittelschweren Schmerzen eingesetzt.
- Starke Opioide („Opiate“, z.B. Buprenorphin, Fentanyl, Hydromorphon, Oxycodon, Morphin): sind bei starken bis stärksten Schmerzen angezeigt. Sie stehen in unterschiedlichsten Darreichungsformen zur Verfügung, z.B. als Schmelz- oder Lutschtabletten oder Schmerzpflaster.
Hinweis
Patientinnen/Patienten, die mit Opioiden behandelt werden, benötigen für Urlaubsreisen ins Ausland eine spezielle Bescheinigung, die das Mitführen der Opioide erlaubt.
Als mögliche Nebenwirkungen der Opioide können insbesondere in den ersten ein bis zwei Behandlungswochen v.a. Übelkeit, Schwindel und Benommenheit, Müdigkeit und vermehrtes Schwitzen auftreten. Hingegen stellt Verstopfung vielfach ein anhaltendes Problem dar. Dieses sollte begleitend mit möglichst natürlichen Mitteln (z.B. ballaststoffreicher Kost, Lein- oder Flohsamen), eventuell auch mit Abführmitteln behandelt werden. Durch entsprechende Begleitmedikamente lassen sich die Nebenwirkungen von Opioiden in vielen Fällen vermeiden oder verhindern.
Bei Langzeitanwendung von starken Opioiden sind auch hormonelle Störungen zu beachten, die sich negativ auf das Sexualleben auswirken können. Zu beachten ist darüber hinaus, dass Opiate die Fahrtauglichkeit im Straßenverkehr beeinträchtigen können.
Nach dem Absetzen der Opioide verschwinden die Nebenwirkungen wieder. Im Unterschied zu anderen Schmerzmitteln schädigen Opioide selbst bei Dauereinnahme weder Magen, Darm, Niere oder Leber.
Hinweis
Die erste Woche einer neuen Therapie ist häufig die schwierigste. In der Regel bessern sich anfängliche Beschwerden. Daher ist Durchhalten wichtig. Treten besonders unangenehme Nebenwirkungen auf, sollte die Ärztin/der Arzt darüber informiert werden.
Viele Menschen fürchten sich davor, von starken Schmerzmitteln abhängig zu werden. Das Risiko einer psychischen Abhängigkeit ist allerdings bei korrektem Einsatz eher minimal. Von der psychischen Abhängigkeit – gemeinhin auch als „Sucht“ bezeichnet – zu unterscheiden ist die körperliche Abhängigkeit, also die Ursache für eventuelle Entzugserscheinungen bei abruptem Absetzen. Aus diesem Grund ist einerseits eine regelmäßige Anwendung gemäß der ärztlichen Verordnung wichtig, um Entzugserscheinungen während einer Therapie mit starken Schmerzmitteln zu verhindern. Anderseits muss ein geplantes Absetzen dieser Medikamente schrittweise vorgenommen werden. Durch langsame Dosisreduktionen gewöhnt sich der Körper an geringere Wirkspiegel. Eventuelle „Entzugssymptome“ lassen sich so verhindern.
Opioidhaltige Schmerzmittel (Opioidanalgetika, Opiate) sollen bei folgenden Beschwerden bzw. Erkrankungen nicht eingesetzt werden:
- Migräne und Spannungskopfschmerzen,
- chronische Unterbauchschmerzen der Frau,
- Reizdarmsyndrom,
- Fibromyalgiesyndrom (Ausnahme Tramadol),
- chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung,
- psychische Störungen, die sich durch chronische Schmerzen äußern (z.B. Depressionen).
Besonderheiten bei chronischen Schmerzen
Bei chronischen Schmerzen ist die Wirksamkeit von Schmerzmitteln geringer als bei akuten Schmerzen. Daher ist es für Betroffene hilfreich, über einige spezielle Aspekte Bescheid zu wissen:
- Chronische Schmerzen werden in der Regel durch eine Kombination von physikalischen und medikamentösen, gegebenenfalls auch psychologischen Maßnahmen behandelt.
- Der Schmerz soll durch einen kontinuierlichen Medikamentenspiegel im Blut konstant gedämpft werden. Daher ist auf eine regelmäßige Einnahme zu bestimmten Zeiten zu achten.
- Die Therapie dauert oft über längere Zeiträume – unter Umständen mehrere Monate bis Jahre.
- Antirheumatika scheiden aufgrund ihrer potenziellen Nebenwirkungen in der Regel für Langzeittherapien aus.
- Paracetamol oder Metamizol sind meistens nicht ausreichend wirksam.
- Häufig werden Morphinabkömmlinge (Opioide, Opiate) eingesetzt. Sie führen bei längerer Einnahme zu körperlicher Abhängigkeit, machen jedoch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht süchtig. Sie müssen gegen Therapieende hin stufenweise reduziert werden, um Entzugsbeschwerden zu vermeiden.
- Co-Analgetika (z.B. Antidepressiva, Antikonvulsiva) kommen in der Behandlung von neuropathischen Schmerzen zum Einsatz.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 8. Mai 2018
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Priv.-Doz. Prim. Dr. Nenad Mitrovic, Facharzt für Neurologie