Laborbefund: Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR)
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Der Vorteil der PCR ist dabei auf der einen Seite die rasche Verfügbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Darüber hinaus besitzen PCR-Verfahren zumeist eine hohe Sensitivität.
Das bedeutet, dass bereits geringste Mengen an Erbgut eines Krankheitserregers (Bakterien, Viren etc.) zu einem zuverlässig positiven Ergebnis innerhalb des Nachweisbarkeitszeitraumes des jeweiligen Krankheitserregers im entsprechenden Untersuchungsmaterial führen. Als Untersuchungsmaterialien kommen für PCR-Verfahren in erster Linie Blut, aber auch andere Körperflüssigkeiten wie Sputum, Harn, Liquor etc. zum Einsatz.
Was ist die Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), und was wird damit untersucht?
Die Polymerase-Ketten-Reaktion („Polymerase Chain Reaction“ – PCR) ist die wichtigste Labormethode zur Untersuchung der molekularen Feinstruktur der Erbsubstanz. Aus diesem Grund wird dieses Untersuchungsverfahren auch als sogenannte
- „molekulare Diagnostik“ bezeichnet.
Grundlage der Erbsubstanz, auch als „Erbgut“ bezeichnet, ist ein besonderes, langkettiges Molekül:
- die „DNA“ (Desoxyribonukleinsäure).
Beim Menschen befindet sich das aus doppelsträngiger DNA (zwei komplementäre Stränge) aufgebaute Erbgut im Zellkern aller Körperzellen, wobei alle Körperzellen eines Individuums über jeweils identisches Erbgut verfügen. Darüber hinaus ist das individuelle Erbgut jedes Menschen in seiner exakten Zusammensetzung einzigartig – vergleichbar mit dem Fingerabdruck, der ebenfalls für jeden Menschen einzigartig ist.
Aus diesem Grund wird das Erbgut auch als
- „genetischer Code“ bezeichnet, weil der Bauplan aller Körperstrukturen eines Menschen in dieser Form verschlüsselt abgebildet und auf diese Weise gespeichert ist und weitervererbt werden kann.
Innerhalb der Zellkerne der Körperzellen liegt die DNA in einer speziellen Ordnung vor, die als
- „Chromosomen“ (Erbkörperchen) bezeichnet wird. Diese kommen beim Menschen in den Körperzellen immer paarweise vor, wobei jeweils das eine von der Mutter und das andere vom Vater geerbt wurde. In diesem Sinn enthalten alle Körperzellen eines Menschen insgesamt 46 Chromosomen – 22 Paar sogenannte Autosomen und ein Paar sogenannte Geschlechtschromosomen.
Mithilfe des Laborverfahrens der PCR kann auf der einen Seite die Feinstruktur der menschlichen DNA untersucht werden, was bei der Diagnostik von Erkrankungen bzw. zur Abklärung spezifischer Fragestellungen von Bedeutung ist:
- Abklärung von Erbkrankheiten,
- Einschätzung eines Erkrankungsrisikos,
- Untersuchung von angeborenen Besonderheiten des Stoffwechsels,
- Gerichtsmedizinische, sogenannte „forensische“, Analytik (z.B. Vaterschaftsnachweis) u.v.m.
Auf der anderen Seite verfügt aber nicht nur der Mensch über ein entsprechendes Erbgut, sondern tatsächlich besitzen alle Lebensformen auf der Erde ein jeweils spezifisches Erbgut:
- Tiere,
- Pflanzen,
- Pilze,
- Bakterien,
- Viren,
- Parasiten etc.
Auch das Erbgut dieser Lebensformen besteht mehrheitlich aus DNA bzw. bei manchen Viren auch aus RNA (Ribonukleinsäure), welche im Gegensatz zur DNA einzelsträngig ist. In der medizinischen Diagnostik wird die PCR daher auch zur Abklärung von zahlreichen Infektionserkrankungen eingesetzt:
- bakterielle Infektionen, z.B. Tuberkulose, bakterielle Geschlechtskrankheiten,
- virale Infektionen, z.B. Virushepatitis, HIV-Infektion,
- parasitäre Infektionen, z.B. Malaria u.v.m.
Wie funktioniert die PCR?
Das Verfahren der PCR wurde im Jahr 1983 vom US-amerikanischen Biochemiker Kary B. Mullis entwickelt und basiert im Wesentlichen auf zwei Prinzipien:
- Vervielfachung („Amplifizierung“) eines kleinen Teiles des Erbgutes (DNA bzw. RNA) sowie
- Detektion und Identifikation der vervielfachten („amplifizierten“) Produkte der Amplifizierung.
Zur Durchführung einer PCR werden dementsprechend die folgenden Komponenten benötigt:
- ein Untersuchungsmaterial, z.B. Blut-, Zell- oder Gewebeproben,
- bestimmte Reagenzien („Polymerase“, „Primer“, „Nukleotide“ - das sind die DNA-Bausteine etc.) und Laborgeräte zur Amplifizierung des Erbgutes sowie
- ein Detektionssystem für die PCR-Produkte.
Im Hinblick auf die Reagenzien und Laborgeräte zur Durchführung einer PCR ist das folgende Enzym das Herzstück des gesamten PCR-Prozesses:
- die Taq-Polymerase.
Hierbei handelt es sich um ein Enzym, welches aus dem Mikroorganismus „Thermus aquarius“ (Taq) gewonnen wird – einem Bakterienstamm, der in der Umgebung heißer, vulkanischer Quellen existiert und an hohe Temperaturen seiner Umwelt angepasst überleben kann.
Die Besonderheit der Taq-Polymerase ist, dass dieses Enzym auch bei hohen Temperaturen über 50° Celsius (C) seine Funktion erfüllen kann – nämlich
- die Vervielfachung („Amplifizierung“) von DNA.
Neben der Taq-Polymerase muss im Vorfeld der PCR-Analytik aber exakt definiert werden, welcher Teilbereich der DNA untersucht werden soll. Zu diesem Zweck benötigt man kurze DNA-Bruchstücke, die in ihrer Feinstruktur der DNA-Zielregion im Hinblick auf den jeweiligen genetischen Code („DNA-Sequenz) entsprechen. Diese DNA-Bruchstücke werden als
- „Primer“ bezeichnet.
Der eigentliche Amplifikationsprozess im Rahmen einer PCR umfasst schließlich die folgenden Schritte:
- Extraktion des Erbgutes (DNA bzw. RNA) aus dem Untersuchungsmaterial.
- Bei der Untersuchung von RNA muss die Code-Sequenz der Ribonukleinsäure aber zuerst in eine DNA-Code-Sequenz umgewandelt werden, was mit dem Enzym „Reverse Transkriptase“ in einem analytischen Schritt vor der eigentlichen Amplifizierung erfolgen muss.
- Amplifikation des Erbgutes in mehreren Schritten („Zyklen“):
- Schritt eins – „DNA-Denaturierung“: Durch Erhitzen (95° C) der doppelsträngigen DNA wird diese in Einzelstränge aufgeschmolzen.
- Schritt zwei – „Annealing“: Bei einer niedrigeren Temperatur (ca. 55° C) können sich nun die „Primer“ an ihre DNA-Zielsequenzen anlagern.
- Schritt drei – „Elongation“: Bei einer Temperatur von 72° C verlängert („elongiert“) nun das Enzym Taq-Polymerase unter Verwendung von sogenannten „Nukleotiden“ (das sind die DNA-Bausteine) die Primer-Start-Sequenz und baut auf diese Weise ein neues, verlängertes DNA-Molekül auf.
Da die Schritte eins bis drei in mehreren Zyklen wiederholt werden, entstehen mit jedem Zyklus neu gebildete DNA-Ketten, woher sich eben der Name dieses Laborverfahrens „Polymerase-Ketten-Reaktion“ herleitet.
- Analyse der neu entstandenen DNA-Ketten (sogenannte „PCR-Produkte“):
- Am Ende der Kettenreaktion (Zyklen) werden die PCR-Produkte – d.h. die neu entstandenen DNA-Moleküle – untersucht und qualitativ bzw. quantitativ ausgewertet. Für diese Auswertung selbst gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die zumeist auf einer Anfärbung (v.a. Fluoreszenzfarbstoffe) der DNA sowie Sichtbarmachung (mittels Gel-Elektrophorese oder photometrischer Fluoreszenz-Detektion) basieren.
Welche Untersuchungsergebnisse liefert die PCR?
Die Ergebnisse moderner PCR-Methoden können in zwei Gruppen zusammengefasst werden:
- qualitative und
- quantitative Ergebnisse.
Bei der qualitativen PCR wird untersucht, ob ein bestimmter Abschnitt des Erbgutes (DNA bzw. RNA) im Untersuchungsmaterial vorhanden ist („positives“ Ergebnis) oder nicht („negatives“ Ergebnis).
Die qualitative PCR wird daher vor allem zur Abklärung der folgenden diagnostischen Fragestellungen eingesetzt („Ja/Nein“-Ergebnisse):
- Diagnostik von Erbkrankheiten,
- Abklärung von Mutationen,
- Erkennung genetischer Merkmale (z.B. Prädisposition für bestimmte Erkrankungen) etc.
Bei der quantitativen PCR handelt es sich um eine Weiterentwicklung dieses Laborverfahrens, wobei nicht bloß das Vorliegen eines bestimmten Bereiches der Erbsubstanz nachgewiesen wird, sondern zugleich auch die Menge an Erbsubstanz. Dementsprechend wird die quantitative PCR vor allem in folgenden Bereichen der Heilkunde eingesetzt:
- Im Rahmen der Infektionsdiagnostik kann die Menge der Krankheitserreger im Körper der Patientinnen oder Patienten exakt festgestellt werden. Bei Virusinfektionen wird mit diesem PCR-Verfahren die sogenannte
- Viruslast („Viral load“) untersucht.
Darüber hinaus kommt der quantitativen PCR auch in der Grundlagenforschung ein hoher Stellenwert zu, wobei hier nicht nur die Humanmedizin, sondern etliche andere wissenschaftliche Bereiche (Veterinärmedizin, Biochemie, Biologie u.v.m.) von diesem Verfahren profitieren.
Der Vorteil der PCR in der Diagnostik von Infektionserkrankungen ist, dass die Untersuchungsergebnisse dieses Laborverfahrens äußerst rasch (meist innerhalb eines Werktages) verfügbar sind. Darüber hinaus ist die PCR eine hoch sensitive Labormethode. Das bedeutet, dass bereits geringste Mengen an Bakterien oder Viren im Untersuchungsmaterial zu einem zuverlässig positiven Ergebnis führen.
Gibt es Weiterentwicklungen der konventionellen PCR?
Eine spezielle Weiterentwicklung der PCR-Methodik ist das Verfahren der
- Multiplex-PCR.
Bei der Multiplex-PCR werden gleichzeitig mehrere DNA-Zielsequenzen (sprich: mehrere Primer) eingesetzt. Dadurch entsteht ein Gemisch an PCR-Produkten, die in der Folge entsprechend detektiert und ausgewertet werden müssen.
Einsatzgebiete der Multiplex-PCR sind in der Medizin ebenfalls vor allem
- die Humangenetik sowie
- die Infektionsdiagnostik.
Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass insgesamt weniger Untersuchungsmaterial von den Patientinnen und Patienten gewonnen werden muss, und in einem Analyseschritt eine Reihe von Untersuchungsergebnissen erstellt werden kann. Diesen Vorteilen im Hinblick auf die Diagnostik steht aber auch ein in vielen Fällen hoher Preis für die Analytik gegenüber.
Ein weiteres Spezialgebiet für den Einsatz der PCR ist das Laborverfahren der
- DNA-Sequenzierung.
Hierbei handelt es sich um eine diagnostische Möglichkeit, die genaue Abfolge des genetischen Codes bei einer Patientin oder einem Patienten zu entschlüsseln. Auch das Verfahren der Sequenzierung kann auf der PCR-Technologie basieren.
Da die Sequenzierung aber erheblich aufwendiger und kostenintensiver als konventionelle PCR-Verfahren ist, bleibt sie derzeit noch speziellen diagnostischen (erweiterte Genomanalysen) sowie wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten.
Was sind die wichtigsten Einsatzgebiete der PCR?
Im Hinblick auf die Einsatzgebiete der PCR im Bereich der Humanmedizin kommt dieses Laborverfahren für die folgenden diagnostischen Fragestellungen zur Anwendung:
- Abklärung von Erbkrankheiten – hier gibt es bereits PCR-Verfahren für mehr als 600 verschiedene Erbkrankheiten.
- Pharmakogenetik – durch die Untersuchung von genetischen Merkmalen des Leberstoffwechsels können Rückschlüsse auf die Wirksamkeit und Dosierung von Arzneimitteln gezogen werden.
- Tumormedizin („Onkologie“) – hier wird die PCR einerseits zur Abklärung von Risikofaktoren für bestimmte Tumorerkrankungen (z.B. Brustkrebs) eingesetzt. Auf der anderen Seite können aber auch Zellen sowie Gewebe bei bereits aufgetretenen Tumoren im Hinblick auf vielfältige Mutationen untersucht werden, was insbesondere bei der Behandlung dieser Erkrankungen eine zunehmend wichtigere Rolle spielt.
- Gerichtsmedizin („Forensik“) – hier kommt der PCR ein großer Stellenwert bei z.B. Vaterschaftsverfahren sowie in der Kriminalistik („DNA-Fingerprinting“) zu.
- Infektionsmedizin – die PCR besitzt bei der Diagnose sowie Verlaufs- bzw. Therapiekontrolle von bakteriellen, viralen sowie parasitären Infektionserkrankungen einen unverzichtbaren Wert.
Weitere Informationen zu Tumorerkrankungen finden Sie unter Krebserkrankungen.
Gibt es bei PCR-Untersuchungsergebnissen Referenzwerte?
In Bezug auf Referenzwerte bei PCR-Verfahren muss stets die jeweilige diagnostische Fragestellung berücksichtigt werden. Da etwa im Rahmen einer Untersuchung auf Erbkrankheiten (z.B. Mutationsanalyse) bestimmte genetische Merkmale detektiert werden, gibt es bei solchen Laboranalysen keinen Referenzwert („positiv“ bzw. „negativ“), genauso wie es beispielsweise auch für die Haarfarbe keinen Referenzwert gibt. Denn auch die Haarfarbe ist ein genetisches Merkmal.
Darüber hinaus unterliegen Laboranalysen auf angeborene Erbmerkmale hierzulande strengen Reglementierungen, für welche die Bestimmungen des Österreichischen Gentechnikgesetzes (GTG) maßgeblich sind (Feststellung einer bestehenden Erkrankung nach §65 GTG). Demzufolge darf diese Analyse vom medizinischen Labor erst nach Vorliegen einer schriftlichen Bestätigung der zu untersuchenden Person, der/des Erziehungsberechtigten (bei nicht entscheidungsfähigen minderjährigen Personen) oder der gesetzlichen Vertreterin/des gesetzlichen Vertreters (bei nicht entscheidungsfähigen volljährigen Personen) über die umfassende Aufklärung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt hinsichtlich dieser genetischen Untersuchung durchgeführt werden (§69 GTG).
Weiters haben die Patientinnen und Patienten grundsätzlich das Recht, die Durchführung genetischer Untersuchungen an ihrer Person zu untersagen.
Für nicht humangenetische PCR-Laboranalysen gelten aber wesentlich weniger strenge Bestimmungen. Meist handelt es sich um Labormethoden aus dem Bereich der Infektionsdiagnostik.
Im Hinblick auf die Referenzwerte dieser Laborverfahren muss zwischen qualitativen und quantitativen Methoden unterschieden werden:
- So liefern qualitative PCR-Verfahren in der Regel ein „positives“ bzw. „negatives“ Ergebnis, wobei hier meist „negativ“ als Referenzwert gilt.
Bei den quantitativen PCR-Verfahren werden je nach Methode entsprechende Schwellenwerte (sogenannte „Cut-offs“) definiert, ab wann ein Ergebnis als krankhaft zu bewerten ist.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 30. März 2023
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Facharzt für Medizinische und Chemische Labordiagnostik, Zusatzfach: Zytodiagnostik