Lebenskrisen bewältigen
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Krise?
Bei einer Krise ist ein Mensch mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert, die in Ausmaß, Art, Umfang und Dauer so einschneidend sind, dass sie die Belastungsfähigkeit und verfügbaren Bewältigungsstrategien übersteigen können. Einschneidende Erlebnisse bzw. Ereignisse oder etwa Lebensübergänge können persönliche Krisen hervorrufen. Aber auch weitreichende allgemeine Krisen (wie etwa Corona-Krise, Naturkatastrophen oder Krieg) wirken sich auf das persönliche Leben massiv aus. Etwas nicht unter Kontrolle zu haben, verursacht generell massiven Stress. Jedoch: Krisen sind bewältigbar und dauern nicht ewig an. Sie können auch eine Chance sein – auch, wenn sie meist eine Form der Gefahr bedeuten. Es gibt mehrere wissenschaftliche Konzepte zum Thema Krisen. Diese sind nach wie vor Gegenstand der Forschung.
Manche Ereignisse im Leben hinterlassen so tiefe Spuren, dass der Umgang damit sehr schwer ist. So kann sich mitunter aus einer Lebenskrise oder einem traumatischen Ereignis eine seelische Erkrankung entwickeln. Die Grenzen hierfür sind mitunter fließend.
Welche Arten von psychosozialen Krisen gibt es?
Krisen können anhand ihres Verlaufs (z.B. schnell oder langsam einsetzend), ihrem Ausmaß (z.B. schwere Trauer, psychischer Schock) oder auch aufgrund ihres Anlasses unterschieden werden. Oft handelt es sich bei Krisen um eine Form von Verlust (z.B. nach dem Verlust eines geliebten Menschen, des Arbeitsplatzes, nach einer Trennung bis hin zum Verlust der Gesundheit oder Unversehrtheit). Grob kann man psychosoziale Krisen unterscheiden in:
- Lebensveränderungskrisen
- Verlustkrisen
- Traumata
Davon zu unterscheiden sind psychiatrische Krisen, die umgehend medizinische Hilfe erfordern.
Phasen einer Krise am Beispiel eines Verlustes
Wichtig ist, zu wissen, dass keine Krise komplett einer anderen gleicht. Auch verarbeitet jeder Mensch Krisen anders. Es lässt sich also nicht pauschal vorhersagen, wie die Bewältigung erfolgen kann. Es gibt Modelle (etwa von der Psychologin Verena Kast oder dem Psychiater Johann Cullberg), die schemenhaft beschreiben, wie Krisen (z.B. Trauer oder Verlust) bewältigt werden können.
Diese Modelle helfen Phasen einer inneren Krisenverarbeitung besser zu verstehen. Anhand eines Beispiels einer Trauerkrise sind diese beispielhaften Krisen dargestellt:
- Phase 1 – Schock: Zu Beginn eines Trauerprozesses oder einer Krise steht meist das „Nicht-Wahrhaben-Wollen“ der Situation. Zudem herrscht „inneres Chaos“ bis hin zu dem Gefühl, sich innerlich wie gelähmt fühlen.
- Phase 2 – Reaktion: Langsam tritt die Realität ins Bewusstsein. Da diese oft schwer zu fassen und sehr belastend ist, kommt es zu intensiven, chaotischen Gefühlen wie großer Angst, Kontrollverlust oder Hilflosigkeit.
- Phase 3 – Bearbeitung/Akzeptanz: Es stellt sich ein Akzeptieren der Situation ein. Zeitgleich beginnt der Weg aus der Krise heraus. Es werden Lösungen gesucht. Im besten Fall ist es möglich, Vergangenes auch hinter sich zu lassen.
- Phase 4 – Neuorientierung: In dieser letzten Phase der Krisenbewältigung ist eine Neuausrichtung – hin zu einer positiveren Zukunft – möglich. Manchmal kann auch ein Sinn in der Krise gesehen werden.
Zu Beginn einer Krise geht es zudem darum, die Kontrolle, so gut es geht, wiederzuerlangen und zu verstehen, was vor sich geht. Selten laufen diese Phasen jedoch strikt hintereinander ab. Sondern sie überschneiden sich, sind teilweise nicht voneinander abzugrenzen und können sich wiederholen. Die Ansprüche des täglichen Lebens – auch an sich selbst – sind oft trotz Krise hoch. Krisenbewältigung erfordert jedoch eine gewisse Zeit. Daher sollte man auch diesbezüglich verständnisvoll mit sich selbst umgehen – und mit anderen. Wenn es sich um eine kollektive Krise handelt (z.B. nach einer Katastrophe) können zudem die Menschen jeweils in unterschiedlichen Phasen sein. Das zu wissen, schafft auch ein Verständnis für andere.
Hinweis
Lebenskrisen sind zu unterscheiden von psychiatrischen Krisen, die sofortige medizinische Unterstützung erfordern. Nähere Informationen finden Sie unter Notfall: Psychiatrische Krise.
Was hilft bei der Bewältigung einer Krise?
Keine Krise dauert immerwährend an. Der Verlauf einer Krise, ob sie als besonders belastend empfunden wird oder auch zu psychischen Folgen bzw. Symptomen führt, hängt von vielen Faktoren ab. Im besten Fall wird eine Krise gut überwunden, es werden Lösungen gefunden – Neuorientierung stellt sich ein. Krisen bieten auch die Möglichkeit – so bitter sie sind – andere Sichtweisen einzunehmen, für vermeintlich Selbstverständliches dankbar zu sein oder für Weiterentwicklung und Reifung der Persönlichkeit.
Phasen der Krisenbewältigung
Laut der Psychologin Verena Kast können bei der Krisenbewältigung folgende Phasen unterschieden werden:
- Vorbereitungsphase: Es werden verschiedene Informationen und auch Meinungen zur Bewältigung gesammelt.
- Inkubationsphase: In dieser Phase wird die gesammelte Information psychisch „verdaut“.
- Einsichtsphase: Die bisherige Entwicklung wird nun verstanden.
- Verifikationsphase: Gewonnene Einsichten werden geprüft und weiterentwickelt.
Auch dieses Modell ist lediglich als Schema zu verstehen. Persönliche Entwicklungen können davon abweichen.
Unterstützung in schweren Zeiten
Wichtig ist: Man muss nicht alleine durch Krisen hindurch. Je eher man Unterstützung sucht, desto besser. Das kann ein Gespräch mit einer nahestehenden Person sein, die einem guttut. Oder ein Telefonat bei einer Hotline für die Psyche wie etwa die Telefonseelsorge unter der Nummer 142. Manchmal braucht es jedoch weitere, professionelle Hilfe (z.B. durch eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten oder eine klinische Psychologin/einen klinischen Psychologen), die auch dabei unterstützt eine objektive „Außensicht“ und fachlich fundierte Unterstützung gewährleistet.
Es kann zudem hilfreich sein, sich zu fragen, was man bis jetzt schon alles bewältigt hat. Das ist meistens eine ganze Menge! Und nachzudenken oder mit anderen darüber zu sprechen, was einem bisher bei Krisenbewältigungen geholfen hat. Zudem kann es unterstützen, aufzuschreiben, was einem hilft. Damit man sich besser daran erinnern kann. Es kann auch sein, dass man verzweifelte Momente erlebt. Auch hier gilt – Hilfe ist möglich und wichtig. Zum Beispiel bei großer Hoffnungslosigkeit. Nähere Informationen finden Sie unter Krisenintervention sowie unter Suizidgedanken? Holen Sie sich Hilfe. Es gibt sie.
Seelische Widerstandskraft „trainieren“
Seelische Widerstandskraft (Resilienz) etwa erleichtert es, negativen Einflüssen standzuhalten. Jeder Mensch hat resiliente Anteile in sich. Es ist auch möglich, diese zu verbessern oder Fähigkeiten zu erlernen, um leichter mit schwierigen Lebenssituationen umgehen zu können. Doch niemand hat Resilienz auf Lebenszeit für sich gepachtet. Manchmal muss sie neu „erarbeitet“ werden, z.B. nach schweren Krisen oder seelischem Trauma. Mit der seelischen Gesundheit ist es wie mit der körperlichen: Sie möchte stetig gepflegt und erhalten werden. Nähere Informationen finden Sie unter Krisenkompetent mit Resilienz sowie unter Tipps für die seelischen Balance.
Trauer bewältigen
Der Verlust eines nahestehenden Menschen stellt meist einen bedeutenden Einschnitt im Leben dar. Obwohl Leben und Tod unzertrennlich miteinander verbunden sind, sind die Themen Sterben und Trauer mit vielen Tabus behaftet. Es gibt keine richtige oder falsche Art zu trauern. Jede/Jeder trauert anders. Allerdings verlaufen Trauerprozesse oft in Phasen. Meist klingt die Trauer im Lauf der Zeit von alleine wieder ab. Wenn die Trauer nicht mehr aufzuhören scheint oder etwa in eine Depression übergeht, kann professionelle Hilfe notwendig werden. Nähere Informationen finden Sie unter Trauer bewältigen.
Arbeitslosigkeit überwinden
Arbeitslosigkeit kann jede/jeden treffen. Das Unerwartete stellt die Betroffenen und ihr Umfeld nicht nur vor materielle Hürden – auch die Gesundheit wird mitunter in Mitleidenschaft gezogen. Arbeitslosigkeit ist ein sehr persönlicher Einschnitt im Leben. Sich zu informieren und am „Ball“ zu bleiben hilft. Nähere Informationen finden Sie unter Arbeitslosigkeit.
Anpassungsstörung & Trauma
Einschneidende Lebensveränderungen oder -ereignisse können auch länger andauernde Spuren hinterlassen. Reagieren Personen belastenden, jedoch nicht traumatischen Ereignissen vorübergehend mit Symptomen (z.B. depressiven oder Angstsymptomen), spricht man etwa von einer Anpassungsstörung.
Die akute Belastungsreaktion (im Volksmund Nervenzusammenbruch genannt) ist weiters eine stunden- bis tagelang anhaltende Reaktion auf außergewöhnliche körperliche und/oder seelische Belastungen bei ansonsten psychisch gesunden Personen. Dies kann z.B. nach einer Katastrophe (wie Erdbeben, Hochwasser) oder unerwarteten bedrohlichen Veränderungen der sozialen Beziehungen vorkommen (z.B. Tod einer nahestehenden Person). Die akute Belastungsreaktion beginnt meist unmittelbar innerhalb von Minuten nach einem belastenden Ereignis.
Traumatische Belastungen können zudem zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) – auch Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) genannt – führen. Diese stellen eine verzögerte oder verlängerte Reaktion auf eine schwere Belastung bzw. Bedrohung dar. Nähere Informationen – auch zu Hilfsmöglichkeiten – finden Sie unter Seelisches Trauma überwinden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 14. Mai 2020
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Mag.a Brigitte Gratz