Multiple Sklerose: Was ist das?
Inhaltsverzeichnis
Was passiert im zentralen Nervensystem bei Multipler Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine Autoimmunerkrankung. Ein wesentliches Merkmal der Multiplen Sklerose ist das Einwandern von peripheren T- und B-Lymphozyten über die sogenannte Blut-Hirn-Schranke ins zentrale Nervensystem. Diese Lymphozyten verursachen herdförmige Entzündungen im Gehirn und Rückenmark. Es kommt dabei zu einer Schädigung der isolierenden Myelinscheiden von Nervenfasern, den Axonen. Die Nervenzellen können dadurch auch geschädigt werden und in der Folge degenerieren.
Die Nervenschädigungen bilden sich in Vernarbungen um. Die Vernarbungen nennt die Fachwelt auch Sklerose. Diese entstehen aufgrund der Entzündung, der Nervenschädigung, einer eingeschränkten Erneuerung der Myelinscheiden sowie durch die Reaktion von Astrozyten. Astrozyten sind das Stützgewebe zwischen den Nervenzellen im zentralen Nervensystem.
Schädigungen an Myelinscheide und Nerven treten bei Multipler Sklerose vor allem an diesen Stellen auf:
- Sehnerv
- Marklager nahe der Hirnrinde und im Bereich um die Hirnventrikel. Hirnventrikel sind mit Liquor cerebrospinalis gefüllte Hohlräume im Gehirn.
- Hirnstamm
- Kleinhirn
- Rückenmark
Je nachdem wo sich die Schädigungen der Myelinscheiden bzw. Nerven befinden, zeigen sich unterschiedliche neurologische Symptome.
Welche Symptome können bei Multipler Sklerose auftreten?
Die Symptome bei Multipler Sklerose können sehr unterschiedlich sein – je nach dem Ort der Nervenschädigung. Zu ersten Symptomen zählen vor allem:
- Optikusneuritis: Dabei handelt es sich um eine Entzündung des Sehnervs. Diese tritt bei MS einseitig auf. Die Optikusneuritis kann zu folgenden Beschwerden führen: Schmerzen bei Augenbewegungen, Störungen der Funktion der Pupille, Minderung der Sehkraft, Ausfall im zentralen Gesichtsfeld, Störungen des Farbsehens. Eine Optikusneuritis zählt zu den frühen, oft erstmaligen Symptomen.
- Störungen der Sensibilität: z.B. Kribbeln und das Gefühl von Ameisenlaufen auf Armen und Beinen, Minderung der Sensibilität, Missempfindungen
- Störungen der Koordination von Bewegungen
Zu weiteren Symptomen im Verlauf zählen zudem etwa:
- Lähmungen von Augenmuskeln
- Lähmungen, die von Gehirn oder Rückenmark ausgehen, und Spastik in unterschiedlicher Ausprägung
- Koordinationsstörungen der Extremitäten und beim Gehen
- Schwindel
- Nystagmus
- Sprechstörungen mit veränderter Sprechatmung, Stimmstörungen und abgehakte Sprache
- Störungen der Blasenfunktion: Harninkontinenz, Harndrang oder Harnverhalt
- Probleme der Sexualfunktion, z.B. verminderte Libido, erektile Dysfunktion
- Störungen der Darmentleerung
- Schmerzen: z.B. bei Trigeminusneuralgie, Kopfschmerzen, Schmerzen bei Spastik
- Kognitive Probleme: Konzentrationsprobleme, Gedächtnisstörungen
- Depressive Stimmung oder nicht erklärbares Stimmungshoch
- Fatigue
- Sehr selten epileptische Anfälle
Informationen zur Diagnose von Multiple Sklerose finden Sie unter Multiple Sklerose: Diagnose und Therapie.
Welche Ursache hat Multiple Sklerose?
Fachleute haben bisher die Ursache der autoimmunen Reaktion bei Multipler Sklerose noch nicht abschließend geklärt. Sie vermuten, dass es auf Basis einer bestimmten genetischen Veranlagung und im Zusammenhang nach einer Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus zu der genannten Autoimmunreaktion kommt.
Als Risikofaktoren für die Entstehung von Multipler Sklerose kommen folgende Faktoren in Betracht:
- Genetische Veranlagung: Das Risiko zu erkranken scheint für blutsverwandte Familienmitglieder von Betroffenen sehr gering erhöht zu sein.
- Infektionen mit Bakterien oder Viren, vor allem Epstein-Barr-Virus
- Rauchen
Möglicherweise spielen auch Übergewicht sowie Mangel an Vitamin-D eine Rolle.
Welche Formen von Multipler Sklerose gibt es?
Fachleute unterscheiden folgende Formen von Multipler Sklerose:
- Schubförmige relapsierende bzw. remittierende Multiple Sklerose, abgekürzt RMS: Bei dieser Form kommt es in Schüben zu neurologischen Störungen aufgrund von Schäden an der Myelinschicht und den Nerven. Die Symptome bzw. Störungen können vollständig oder unvollständig remittieren, also sich zurückbilden. Zwischen den Schüben kann entweder völlige Beschwerdefreiheit bestehen bzw. kommt es kaum zu einer Zunahme von Beeinträchtigungen. Diese Form tritt am häufigsten auf.
- Primär progrediente Multiple Sklerose, abgekürzt PPMS: Es tritt eine langsam kontinuierlich zunehmende Beeinträchtigung aufgrund von neurologischen Beschwerden von Krankheitsbeginn an auf. Bei dieser Verlaufsform gibt es keine Schübe.
- Sekundär progrediente Multiple Sklerose, abgekürzt SPMS: Bei dieser Form kommt es nach einem ursprünglich schubförmigen Verlauf ebenso zu einer langsamen Zunahme von neurologischen Beeinträchtigungen, mit oder ohne zusätzliche Schübe.
Frauen sind von der schubförmigen Form zweimal bis dreimal häufiger betroffen als Männer.
Was ist ein MS-Schub?
Unter MS-Schüben versteht die Fachwelt, dass neurologische Symptome neu auftreten, wieder auftreten oder sich deutlich verschlechtern. Zudem bestehen die Symptome für mindestens ca. einen Tag durchgehend. Von einem neuen Schub sprechen Fachleute, wenn zumindest dreißig Tage seit Beginn des vorherigen Schubs vergangen sind.
Symptome können jedoch zum Beispiel auch bei erhöhter Körpertemperatur auftreten – etwa bei Infektionen, Fieber, heißem Wetter etc. Die Fachwelt bezeichnet dies dann als Pseudoschub oder Uhthoff-Phänomen.
Weitere Formen von Multipler Sklerose
Von einem sogenannten klinisch isoliertem Syndrom, abgekürzt KIS, spricht die Fachwelt, wenn:
- erste Symptome einer möglichen Multiplen Sklerose auftreten, z.B. Störungen der Sensibilität oder von Bewegungen, einseitige Entzündung des Sehnervs – Optikusneuritis;
- die Diagnosekriterien einer Multiplen Sklerose jedoch nicht erfüllt sind.
Auf Englisch wird das klinisch isolierte Syndrom abgekürzt mit CIS bezeichnet, für Clinically Isolated Syndrome.
Sieht man im MRT typische Veränderungen für eine Multiple Sklerose, aber die betreffende Person hat keine für MS typischen neurologischen Symptome, handelt es sich um ein sogenanntes radiologisch-isoliertes Syndrom, abgekürzt RIS.
Wie verläuft Multiple Sklerose?
Wie Multiple Sklerose bei einzelnen Betroffenen verläuft, ist nicht vorhersagbar.
Ein gesunder Lebensstil kann sich jedoch positiv auf den Krankheitsverlauf aufgrund von folgenden Maßnahmen auswirken:
- Übergewicht vermeiden
- Ausgewogene Ernährung
- Körperliche Betätigungen und Sport
- Mit dem Rauchen aufhören
Folgende Faktoren können den Verlauf zudem eher günstig beeinflussen:
- Beginn der MS mit einem einzelnen Symptom im Bereich der Sensibilität
- Beginn der MS vor dem 35. Lebensjahr
- Gute Rückbildung der Symptome nach dem ersten MS-Schub
Informationen zur Diagnose und Therapie von Multiple Sklerose finden Sie unter Multiple Sklerose: Diagnose und Therapie.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 5. Juli 2024
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Univ. Prof. Dr. Thomas Berger, Msc., FEAN, Facharzt für Neurologie; Österreichische Multiple Sklerose Gesellschaft/Selbsthilfe.