Rekonstruktive plastische Chirurgie: Häufige Eingriffe
Inhaltsverzeichnis
Rekonstruktionen
Die Wiederherstellung von funktionsfähigen und/oder optisch ansprechenden Körperregionen ist ein wichtiges Aufgabengebiet der plastisch-chirurgischen Chirurgie.
Gesicht-, Kopf- und Halsbereich
Neben angeborenen Fehlbildungen im Gesicht wie Hämangiome, Wucherungen des Lymphsystems oder Muttermale können Entstellungen durch Weichteiltumore zu Funktionsstörungen in allen Bereichen von Kopf und Hals führen, z.B. an Augenlidern, Ohren, Nase oder Lippen. Behandlungsziele sind die Rekonstruktion bzw. der Erhalt der Sinneswahrnehmungen, des Schluckaktes oder der Stimmbildung sowie ein möglichst günstiges ästhetisches Ergebnis. Bei komplexen Fehlbildungen sind dafür oft mehrstufige operative Konzepte erforderlich.
Brust
Angeborene Fehlbildungen und die operative Entfernung von Tumoren verursachen oft eine Entstellung der Körperform. Diese kann mit funktionellen Beschwerden einhergehen und die Lebensqualität beeinträchtigen. Zur Wiedererlangung von Form und Funktion stehen verschiedenste Möglichkeiten zur Auswahl – begonnen bei Silikonimplantaten über Verschiebelappenplastiken bis hin zur freien, mikrochirurgischen Gewebetransplantation. Hierbei kann Haut- und Fettgewebe von einer unauffälligen Spenderregion (z.B. Unterbauch, Rücken, Gesäß) der Patientin entnommen und zur Wiederherstellung von Defekten eingesetzt werden. Dadurch besteht auch die Möglichkeit, eine entfernte Brust mit Eigengewebe in nahezu anatomischer Form zu ersetzen. Vorteil gegenüber Silikonprothesen ist das Fehlen von Abstoßungsreaktionen und die natürliche Beschaffenheit der rekonstruierten Brust.
Bauchwand
Im Bereich der Bauchwand können wiederholt auftretende Narbenbrüche eine chirurgische Sanierung erfordern. Größere Defekte lassen sich mit Verschiebelappenplastiken beheben. Bei kleineren Brüchen sind auch Kunststoffimplantate eine Option. Allerdings kann es dabei zu Unverträglichkeitsreaktionen und damit zu einer Abstoßungsreaktion kommen.
Extremitäten
Die Vielzahl der unterschiedlichen Verletzungen und der resultierenden Defekte nach Tumorentfernung erfordern eine breite Palette von Rekonstruktionsverfahren – vom einfachen Hauttransplantat über Nervenrekonstruktionen bis hin zum freien Haut-Muskel-Knochentransplantat. Heutzutage ist ein Erhalt der Extremitäten in 90 Prozent der Fälle möglich. Dabei gelingt es in den meisten Fällen, Form und Funktion zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Urogenitalbereich
Die häufigsten Fehlbildungen des äußeren Genitales betreffen Veränderungen der männlichen Harnröhre. Diese kann zu kurz angelegt sein und an der Unter- oder Oberseite des Penis münden. Ziel ist die Wiederherstellung der natürlichen Länge und Funktion. Seltener sind urogenitale Fehlbildungen bei Mädchen.
Die chirurgische Korrektur soll bereits in den ersten Lebensjahren erfolgen. Dazu werden gut durchblutete lokale Gewebe verwendet, wenn nötig auch freie Haut- und Schleimhauttransplantationen.
Intersexuelle Fehlbildungen erfordern exakte Diagnostik, psychosoziale Begleittherapie und frühzeitige operative Anpassung an das definitive Geschlecht. Transsexuellen Patientinnen/Patienten kann durch plastisch-chirurgische Anpassungen an das empfundene Geschlecht eine neue Identität ermöglicht werden.
Entfernung von Tumoren
Durch die chirurgische Entfernung bösartiger Tumore wird eine Heilung angestrebt, bei gutartigen Veränderungen steht häufig der Wunsch nach einem ästhetisch ansprechenden Ergebnis im Vordergrund.
Haut
- Hautkrebs: Die komplette Entfernung eines bösartigen Tumors (v.a. Melanom) ist mit einer Sicherheitsrandzone notwendig. Dabei wird darauf geachtet, möglichst wenig sichtbare bzw. störende Narben zu hinterlassen.
- Gutartige Veränderungen: Dazu zählen u.a. Naevi (Muttermale), oberflächliche Neubildungen der Hornschicht (Keratosen) und Blutschwämme (Hämangiome). Bei ihrer Entfernung kommen verschiedenste chirurgische Verfahren zum Einsatz. In einigen Fällen (z.B. bei Hämangiomen oder bei gutartigen Veränderungen) stellt auch die Laserbehandlung eine gute Option dar.
Weichteile
Neben gutartigen Neubildungen wie Lipomen (Fettgeschwülsten) stellen vor allem die sogenannten Sarkome (bösartige Tumore verschiedener Weichteilgewebe) einen Schwerpunkt in der Tumorbehandlung der Plastischen Chirurgie dar. Häufig ist dabei eine enge Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen (z.B. Orthopädie) erforderlich, wobei die Plastische Chirurgie sich besonders auf die Wiederherstellung von Form und Funktion konzentriert.
Dafür kommen häufig gestielter oder freier Gewebetransfer und Nerventransplantate zum Einsatz. Dabei müssen kleine Blutgefäße des übertragenen Gewebeblockes wieder an den Körperkreislauf angeschlossen werden, um eine Durchblutung und Einheilung des transplantierten Gewebes zu ermöglichen. Bei sehr ausgedehnten Defekten nach einer Tumorresektion kann es notwendig werden, große, auch „zusammengesetzte“ Gewebeblöcke wie Haut und Unterhaut, kombiniert mit Muskel-, Knorpel-, Knochen- oder Schleimhautgewebe aus weiter entfernten Körperregionen zu übertragen.
Chirurgie der peripheren Nerven
Diese Chirurgie erfordert neben besonders genauen anatomischen und funktionellen Kenntnissen auch die Fertigkeiten der Mikrochirurgie. Bei einer Plexusparese (Armlähmung) besteht eine komplette oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit der betroffenen Extremität. Auch im Rahmen des Geburtsvorganges kann es beim Kind zu Verletzungen des Nervengeflechtes im Schulter-/Halsbereich kommen. Das Ziel der Operation ist die Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit. Je nach Ausmaß und Zeitpunkt der Versorgung kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.
Einerseits kann die Wiederherstellung der Nervengeflechte bei Defektverletzungen durch mikrochirurgische Naht (Verwendung eines Operationsmikroskopes) der verletzten Nervenenden oder durch Nervenverpflanzung erfolgen. Falls dies nicht mehr möglich ist, kann andererseits durch motorische Ersatzoperationen, d.h. Umlagerung oder Transplantation von Muskeln oder Sehnen, die Beweglichkeit oder Stellung der Extremität in einem bestimmten Ausmaß verbessert werden.
Zu diesem Teilgebiet der Rekonstruktiven Chirurgie gehört auch die Entfernung von Nerventumoren und die operative Behandlung von Nervenkompressionssyndromen („Nerveneinklemmungen“, z.B. Karpaltunnelsyndrom).
Handchirurgie
Handchirurgie beschäftigt sich mit Erkrankungen, Verletzungen, Fehlbildungen und Funktionsstörungen der Hand sowie des Armes, v.a.:
- Behandlung von akuten Verletzungen und Verletzungsfolgen,
- Nervenchirurgie (z.B. periphere Nervenkompressionssyndrome wie das Karpaltunnelsyndrom),
- Korrektur von Handfehlbildungen (teilweise bereits im frühen Kindesalter),
- Rheumachirurgie,
- Tumorchirurgie,
- Behandlung von entzündlichen Gelenkserkrankungen.
Die am häufigsten durchgeführten Eingriffe betreffen die Behandlung der Dupuytren'schen Kontraktur, der peripheren Nervenkompressionssyndrome, wie das Karpaltunnelsyndrom, die Rekonstruktion des Armnervengeflechts bei Lähmungen sowie Eingriffe bei rheumatischen Erkrankungen und Deformitäten an der Hand. Den größten Fortschritt bedeutet zweifellos die Verbreitung der Mikrochirurgie mit all ihren Möglichkeiten sowohl bei der Primärversorgung schwerstverletzter Hände als auch im Rahmen sekundär wiederherstellender Eingriffe. Der Rahmen spannt sich hier von der akuten Replantationschirurgie bis hin zum freien funktionellen Gewebetransfer zur Wiederherstellung von Funktion bzw. definitiver Weichteildeckung.
Verbrennungschirurgie
Die Verbrennungschirurgie befasst sich mit dem größten und empfindlichsten Organ des Menschen – der Haut. Wird sie verbrüht, verbrannt, verätzt, durch Strom oder Blitzschlag verletzt, beginnt ein schmerzhafter und langwieriger Heilungsprozess. Während eine leichte Verbrennung (erstgradig oder oberflächlich zweitgradig) von selbst verheilt, erfordern schwerere Verbrennungen (2b- und 3-Grad-Verbrennungen) plastisch-chirurgische Hilfe. Meist hat es der Verbrennungschirurg mit Notfällen zu tun. Im Vordergrund steht dabei die Kreislaufstabilisierung, die Versorgung mit Schmerzmitteln und der Schutz vor Unterkühlung. Weiterhin muss die Chirurgin/der Chirurg eine Verkeimung der großflächigen Wunden verhindern und, wenn nötig, eine Hauttransplantation vornehmen. Neben der Wiederherstellung der Bewegungsfunktionen, etwa bei einer verbrannten und vernarbten Armbeuge/Ellenbeuge oder bei bewegungseingeschränkten Fingern oder Händen, kümmert sich die Verbrennungschirurgie auch um die ästhetische Behandlung. Entstellende Narben oder Brandmale werden dabei an sichtbaren, von der Kleidung nicht zu verbergenden Körperstellen beseitigt. Bei großflächigen Verbrennungen (>10 Prozent Körperoberfläche) wird die Behandlung in einem Verbrennungszentrum notwendig.
Nähere Informationen finden Sie unter Notfall: Verbrennung sowie unter Verbrennungen.
Bei tiefen Verbrennungen (2b- und 3-Grad-Verbrennungen) erfolgt eine Operation innerhalb von drei bis sieben Tagen. Das abgestorbene Gewebe wird abgetragen (Nekrektomie) und die resultierende Wunde je nach Tiefe gedeckt. Dafür können unterschiedliche Verfahren verwendet werden. Bei 3-Grad-Verbrennungen ist die Hauttransplantation Therapie der Wahl. Mithilfe verschiedenster Techniken kann die Oberfläche des Menschen auf das bis zu Neunfache vergrößert werden. Steht dennoch zuwenig gesunde Haut zur Verfügung, können in speziellen Labors eigene Hautzellen gezüchtet werden. Vorübergehend können auch biologische oder synthetische Hautersatzmaterialen zur Abdeckung verbrannter Areale verwendet werden.
Durch zirkuläre Verbrennungen des Rumpfs und der Gliedmaßen und den nekrotischen Wundschorf kommt es zu einer Verengung der umgebenden Haut mit Kompression der darunterliegenden Strukturen. Mittels meist zickzackförmiger Einschnitte in oberflächlichen Hautarealen können Rumpf und Extremitäten entlastet werden.
Nach der chirurgischen Behandlung und dem Abheilen aller Wunden ist eine spezielle Behandlung der Narben erforderlich. Zu Anwendung kommen u.a. Bewegungstherapie, Narbenkompression durch speziell angefertigte Anzüge und eventuell operative Narbenkorrekturen.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 19. März 2019
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Univ.Prof.Dr., MSc. Lars-Peter Kamolz