Seltene Erkrankungen: Diagnose & Behandlung
Inhaltsverzeichnis
Verdacht auf eine seltene Erkrankung
Folgende Punkte können auf eine seltene Erkrankung hinweisen:
- Es treten immer wieder Symptome oder Kombinationen von Symptomen auf, die ungewöhnlich sind und deren Ursache unklar ist.
- Gängige Therapien sprechen nicht an.
- Direkte Verwandte haben die gleichen oder ähnliche Symptome.
Eine genaue Diagnose unklarer chronischer Symptome ist wichtig, um
- Klarheit über die Beschwerden und Symptome zu bekommen,
- eine wirksame Therapie zu finden bzw. die Lebensqualität zu verbessern und
- genetisch bedingte Erkrankungsrisiken bzw. die Möglichkeit einer Weitervererbung besser beurteilen zu können.
Diagnose & Behandlung
Bei unklaren Beschwerden und Verdacht auf eine seltene Erkrankung ist die erste Anlaufstelle bei Beschwerden eine Allgemeinmedizinerin/ein Allgemeinmediziner bzw. eine Fachärztin/ein Facharzt. Diese sollten im Bedarfsfall den Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum (Expertisezentrum) herstellen. Expertisezentren haben aber auch Ambulanzzeiten oder Sprechstunden in denen Betroffene, üblicherweise nach Voranmeldung, mit ihren Vorbefunden vorstellig werden können.
Unter Expertisezentren versteht man zentrale hochspezialisierte klinische Einrichtungen für definierte Gruppen von seltenen Erkrankungen. Sie dienen vor allem der Erstdiagnostik und der Einstellung allfälliger Therapien, können aber auch für Kontrolluntersuchungen herangezogen und in Notfällen konsultiert werden. Expertisezentren sind kein Ersatz für die regionale medizinische Grundversorgung, die laufende Behandlung erfolgt im Idealfall wohnortnahe.
Welche Expertisezentren für seltene Erkrankungen gibt es?
Österreich hat bislang elf Expertisezentren für seltene Erkrankungen designiert, weitere Zentren sollen folgen:
- Expertisezentrum für seltene Bewegungsstörungen (Designation in Vorbereitung): Neurologie Medizinische Universität Innsbruck
- Expertisezentrum für Genodermatosen mit Schwerpunkt Verhornungsstörungen: Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie in Innsbruck
- Expertisezentrum für Genodermatosen mit Schwerpunkt Epidermolysis bullosa: EB-Haus Austria in Salzburg
- Expertisezentrum für seltene und komplexe Epilepsien: Neurologie Christian Doppler-Klinik Salzburg
- Expertisezentrum für Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und kraniofaziale Anomalien: Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Salzburg
- Expertisezentrum für angeborene intestinale Malformationen: Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie der medizinischen Universität Graz
- Expertisezentrum für Knochen- und Weichteiltumore: Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie in Graz
- Expertisezentrum für Knochenerkrankungen, Störungen des Mineralhaushaltes und Wachstumsstörungen (Designation in Vorbereitung): Pädiatrie AKH Wien / Kinderorthopädie Speising / Innere Medizin Hanusch Krankenhaus
- Expertisezentrum für pädiatrische Onkologie: St. Anna Kinderspital in Wien
- Expertisezentrum für angeborene Fehlbildungen und erworbene Erkrankungen des Verdauungstraktes, Zwerchfellhernien und Bauchwanddefekte in Österreich: Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie der Medizinischen Universität Wien
- Expertisezentrum für seltene kinderurologische Erkrankungen: Abteilung für Kinderurologie des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Linz
Designierte Expertisezentren haben die Möglichkeit, als Vollmitglieder in den Europäischen Referenznetzwerken für seltene Erkrankungen (ERNs) teilzunehmen und sich intensiv mit Expertinnen und Experten in ganz Europa zu vernetzen. Derzeit gibt es solche Netzwerke, an denen auch Europäische Patientenvertreterinnen und -vertreter (ePAGs) beteiligt sind, für alle 24 Gruppen seltener Erkrankungen. Durch regelmäßigen Austausch und verstärkte Nutzung von Telemedizin soll – wo möglich – nicht der Patient oder die Patientin reisen, sondern die Expertise. Für Krankheitsgruppen, für die es derzeit kein designiertes österreichisches Expertisezentrum gibt, bilden eine Reihe von Assoziierten Nationale Zentren die benötigte Schnittstelle zu den ERNs. Eine Liste dieser Einrichtungen finden Sie hier.
Hinweis
Das Konzept für die Ausweisung von Expertisezentren wurde – entsprechend den Anforderungen der Europäischen Kommission - von der Nationalen Koordinationsstelle für seltene Erkrankungen (NKSE) erarbeitet und im Nationalen Aktionsplan für seltene Erkrankungen (NAP.se) dargestellt. Die Designation erfolgt anhand definierter Qualitäts- und Leistungskriterien.
Zentren im Netzwerk „Forum Seltene Krankheiten“
Neben den offiziellen Expertisezentren gibt es auch eine individuelle Initiative einzelner Klinikstandorte. Folgende Zentren für seltene Erkrankungen die dem österreichischen Netzwerk Forum Seltene Krankheiten, angehören, können im Bedarfsfall kontaktiert werden:
- Zentrum für seltene Erkrankungen Bregenz:
Landeskrankenhaus Bregenz - Zentrum für seltene Erkrankungen Graz:
Medizinische Universität Graz - Zentrum für seltene Erkrankungen Innsbruck:
Medizinische Universität Innsbruck / Universitätskliniken Innsbruck - Zentrum für seltene Erkrankungen Linz:
Kepler Universitätsklinikum Linz - Zentrum für seltene Erkrankungen Salzburg:
Universitätsklinikum Salzburg / Paracelsus Medizinische Privatuniversität - Zentrum für seltene Erkrankungen Wien / Vienna Center for Rare and Undiagnosed Diseases (CeRUD):
Medizinische Universität Wien
Alle Kontakte sowie Formulare für Online-Anfragen finden Sie hier.
Behandlung im Ausland
Bei bestimmten seltenen Erkrankungen ist eine Behandlung in spezialisierten Zentren im Ausland notwendig. Die seit 1. November 2013 an der Gesundheit Österreich GmbH eingerichtete Nationale Kontaktstelle für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (Kontaktstelle Patientenmobilität) informiert zu organisatorischen Abläufen sowie zu Vorabgenehmigung und Kostenerstattung.
Es wird empfohlen, sich jedenfalls vorab beim zuständigen Sozialversicherungsträger hinsichtlich der Voraussetzungen für eine Behandlung im Ausland – insbesondere über das Erfordernis einer Vorabgenehmigung und der Höhe der Kostenerstattung – etc. zu informieren.
Neue Medikamente und klinische Studien
Derzeit gibt es für 95 Prozent der etwa 6.000 bis 8.000 bekannten seltenen Erkrankungen keine Therapie. Der Weg von der Entwicklung eines neuen Wirkstoffs bis zu seinem Vertrieb dauert durchschnittlich 15 Jahre und verursacht Kosten im Bereich von 2,5 Mrd. Euro.
Bevor ein neues Medikament durch die Behörde zugelassen werden kann, muss es mehrere klinische Studien durchlaufen. Damit kann der Hersteller die Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Medikaments nachweisen.
Klinische Studien unterliegen sehr strengen ethischen und organisatorischen Richtlinien. Sollte sich in irgendeiner Phase herausstellen, dass ein Arzneimittel für den Menschen schädlich oder gar gefährlich ist, muss die Studie sofort abgebrochen werden. Auch für die Anzahl der zu testenden Personen gibt es Vorgaben. Hier gelten für Arzneimittel für seltene Erkrankungen (sogenannte Orphan Drugs) eigene Richtlinien, da die Zahl der Patientinnen und Patienten in diesem Bereich oft sehr klein ist.
Die klinische Prüfung eines neuen Medikaments nimmt meist längere Zeit in Anspruch. Patientinnen/Patienten mit einer seltenen Erkrankung haben durch die Teilnahme an einer klinischen Studie den Vorteil, mit einem neuen Medikament schon frühzeitig, vor dessen allgemeiner Zulassung, behandelt werden zu können. Zusätzlich werden Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer im Rahmen der notwendigen Prüfungen intensiv betreut.
Psychosoziale Versorgung
Die psychischen und sozialen Belastungen bei vielen seltenen Erkrankungen können erheblich sein. Einerseits sind viele Menschen jahrelang auf der Suche nach einer Diagnose, andererseits sind die Erscheinungsformen der jeweiligen Erkrankung oft nicht mit einem normalen, geregelten Alltag zu vereinbaren. Auch viele zusätzliche Kosten können entstehen. Viele seltene Erkrankungen, die Beschwerden verursachen, sind auch nach außen hin nicht sichtbar und rufen oft Unverständnis bei anderen hervor.
Psychische und soziale Unterstützung ist also ein wesentlicher Bestandteil der Betreuung und Behandlung von vielen Menschen mit einer seltenen Erkrankung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 23. Januar 2024
- Pro Rare Austria
- Redaktion Gesundheitsportal