Erste Hilfe leisten bei psychosozialen Krisen
Inhaltsverzeichnis
Woran erkenne ich eine psychosoziale Krise?
Folgende Merkmale können auf eine psychosoziale Krise hinweisen:
- ein belastendes Ereignis oder neue Lebensumstände, die unter anderem Unsicherheit erzeugen,
- bewährte Strategien zur Problemlösung bringen keine Erleichterung,
- die Situation wirkt für die betroffene Person bedrohlich,
- hohe psychische Belastung,
- das Selbstwertgefühl ist beeinträchtigt.
Wie kommt es zu einer psychosozialen Krise?
Bei der Entstehung einer psychosozialen Krise spielen belastende Situationen eine tragende Rolle, die für die betroffene Person momentan nicht bewältigbar erscheinen. Dabei ist es auch wesentlich, um welche Art von Belastung es sich handelt und wie schwer die Herausforderungen zu bewältigen sind. Es kann sich zum Beispiel um einen Verlust – etwa den Tod einer nahe stehenden Person – oder um eine andere einschneidende Lebensveränderung handeln. Das Entstehen einer psychosozialen Krise kann auch begünstigt werden, wenn mehrere Belastungen hintereinander auftreten. Weitere Informationen finden Sie unter Lebenskrisen bewältigen.
Was unterscheidet eine psychosoziale Krise von einer psychiatrischen Krise?
Im Vergleich zu einer psychosozialen Krise liegt einem psychiatrischen Notfall meist eine akute psychische Erkrankung oder ein akutes körperliches Leiden zugrunde, das zu psychiatrischen Symptomen führen kann. Bei einem psychiatrischen Notfall ist rasche medizinische Hilfe unerlässlich! Rufen Sie die Rettung bzw. im Falle von akuter Gefahr für die Sicherheit auch die Polizei. Nähere Informationen finden Sie unter Notfall: Psychiatrische Krise.
Wie leistet man Erste Hilfe bei einer psychosozialen Krise?
Fachleute empfehlen folgende Schritte, um Erste Hilfe bei einer psychosozialen Krise zu leisten: Hinschauen, aktives Zuhören, Vernetzen.
Hinschauen
- Die Situation einschätzen. Wie verhält sich die betroffene Person? Liegt eine Gefahr für diese oder für Ersthelfer:innen vor?
- Wenn Sie den Eindruck haben, dass die betroffene Person oder andere Personen gefährdet sind, rufen Sie die Rettung oder Polizei.
- Die betroffene Person ansprechen und Hilfe anbieten, z.B.: „Ich würde dir gerne helfen.“
Aktives Zuhören
- Auf eine ruhige Umgebung und Schutz vor Störungen achten, z.B. vor unerwünschten anderen Personen. Sicherheit vermitteln.
- Zeigen, dass man zuhört und für die betroffene Person da ist, z.B.: „Ich bin für dich da.“ Oder: „Wie kann ich dir helfen?“
- Mitgefühl und Geduld zeigen.
- Trost und Hoffnung spenden.
- Auf die Bedürfnisse der betroffenen Person eingehen.
- Aus der eigenen Perspektive sprechen. Dafür eignen sich sogenannte Ich-Botschaften, z.B. „Ich mache mir Sorgen um dich.“
- Respekt dafür zeigen, wie die betroffene Person ihre eigene Situation sieht.
Vernetzen
- Nach Unterstützungsmöglichkeiten im nahen Umfeld fragen, zum Beispiel im Freundeskreis oder in der Familie. Hilfreich dabei ist es, der betroffenen Person besonders vertraute Menschen beizuziehen.
- Die betroffene Person ermutigen, auch selbst etwas zur Bewältigung der Situation beizutragen.
- Professionelle Anlaufstellen suchen und die betroffene Person darauf hinweisen, dass es Hilfe gibt. Möchte das die Person nicht, können Sie fragen, warum das so ist. In der Folge können mögliche Hindernisse dafür überwunden werden.
Es kann sein, dass die betroffene Person nicht über das Problem sprechen möchte. Das ist meist nicht gegen jemanden persönlich gerichtet. Sie können dann sagen, dass Sie da sind, wenn die Person doch darüber reden möchte. Oder Sie fragen, ob es eine Person gibt, zu der besonderes Vertrauen besteht und mit der ein Gespräch möglich wäre. In akuten Situationen wie etwa einer psychiatrischen Krise oder bei Gefährdung der eigenen Person oder anderer Personen ist es dennoch notwendig, Hilfe zu holen.
Hinweis
Im Rahmen einer psychosozialen Krise kann es auch zu Suizidgedanken kommen. Sie denken an Suizid, machen sich um jemanden Sorgen oder haben einen Menschen aufgrund eines Suizidtodesfalls verloren? Auf dem Österreichischen Suizidpräventionsportal finden Sie Erste-Hilfe-Tipps, Notfallkontakte und Hilfsangebote in Ihrem Bundesland sowie weiterführende Informationen zur Bewältigung dieser Notsituation.
Welche Maßnahmen sind in einer psychosozialen Krise nicht hilfreich?
Folgende Maßnahmen sind laut Fachleuten nicht hilfreich, um Menschen in psychosozialen Krisen zu unterstützen, zum Beispiel:
- Der betroffenen Person Vorwürfe machen.
- Die Situation der betroffenen Person verharmlosen, z.B. „Lächle doch einmal.“
- Auch gut gemeinte Ratschläge unterstützen nicht, z.B. „Reiß dich zusammen.“ Oder: „Du musst darüber hinwegkommen.“
- Gefühle der betroffenen Person nicht ernst nehmen.
- Versuchen, alle Probleme der betroffenen Person zu lösen.
Tipp
Nähere Informationen zu Erste Hilfe bei psychosozialen Krisen finden Sie auf der Website www.erstehilfefuerdieseele.at sowie im Online-Kurs zu Psychische Erste Hilfe vom Roten Kreuz.
Wo finde ich Anlaufstellen?
Folgende Einrichtungen bzw. Anlaufstellen bieten Unterstützung für Menschen in psychosozialen Krisen:
- Auf der Website des Kriseninterventionszentrums Wien finden Sie hilfreiche Ansprechstellen in ganz Österreich sowie Telefonnummern.
- Ärztinnen/Ärzte mit Fortbildung in psychotherapeutischer Medizin bzw. Psychiaterinnen/Psychiater(und psychotherapeutische Medizin). Hier kann unsere Arztsuche hilfreich sein.
- Psychotherapeutin/Psychotherapeut
- Klinische Psychologin/klinischer Psychologe
- Ambulanzen für Psychiatrie, Psychosomatik bzw. Psychotherapie.
Sind Sie an einem Kurs in psychischer Erster Hilfe interessiert, oder möchten Sie ehrenamtlich in diesem Feld arbeiten? Das Rote Kreuz etwa bietet z.B. immer wieder diesbezügliche Kurse an. Zudem finden Sie auf der Website Erste Hilfe für die Seele von pro mente Austria weitere Informationen und Tipps sowie Kursangebote zu diesem Thema.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 15. November 2024
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Dr. Claudius Stein, Arzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapeut