Selbsthilfe und Patientenbeteiligung – ein Vater erinnert sich
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Ein Dach für die „Seltenen“
Diese positiven Erfahrungen aus der Selbsthilfe und die vielen Herausforderungen, denen sich Menschen mit seltenen Erkrankungen stellen müssen, waren im Jahr 2011 der Anstoß für die Gründung von Pro Rare Austria, der Allianz für seltene Erkrankungen. Seither konnten über 90 Selbsthilfegruppen und –vereine als Mitglieder gewonnen werden und es wurde – gemeinsam mit den relevanten Stakeholdern aus dem Gesundheits- sowie Sozialbereich – der Nationale Aktionsplan für seltene Erkrankungen erarbeitet und zumindest ansatzweise bereits umgesetzt. Pro Rare Austria versteht sich als Plattform, die Herausforderungen von Menschen mit seltenen Erkrankungen aufzeigt, professionell bearbeitet und langfristige Verbesserungen herbeiführt. Dabei agiert die Dachorganisation als Mittler zwischen Betroffenen, Politik, Behörden, Gesundheitsdienstleisterinnen und -dienstleistern, Wissenschaft und Forschung sowie der pharmazeutischen Industrie und als Sprachrohr für die rund 450.000 Betroffenen in Österreich.
Die „Seltenen“ haben Charakter
Patientenorganisationen für seltene Erkrankungen unterscheiden sich zum Teil deutlich von anderen Selbsthilfeorganisationen. Um nur einige Beispiele zu nennen: Sie sind häufig bundesweit tätig und international vernetzt, für den Aufbau von Landesgruppen sind die Mitgliederzahlen oftmals zu gering bzw. gibt es nicht zwingend in jedem Bundesland Betroffene. Aufgrund der räumlichen Streuung ergibt sich die Notwendigkeit für Reisen oder verstärkt digitale Medien zu nutzen, um sich zu vernetzen. Einige Gruppen sind als lose Personengemeinschaften organisiert, da die Vereinsgründung für gesundheitlich stark beeinträchtigte Menschen ein unüberwindbares Hindernis sein kann. Darüber hinaus stehen tendenziell weniger Kooperationspartner:innen und potenzielle Unterstützer:innen zur Verfügung, beispielsweise, weil die Erkrankung medial unattraktiv ist oder es keine Medikamente und kaum Expertinnen bzw. Experten gibt.
Wie eine Mitgliederbefragung von Pro Rare Austria aus 2018 zeigt, weist die Selbsthilfe für seltene Erkrankungen folgende Charakteristika auf:
- Sie ist weiblich (rund 2/3) und durchschnittlich 50 Jahre alt,
- arbeitet ehrenamtlich (93 Prozent) durchschnittlich 15 Stunden pro Woche und
- teilt sich in annähernd gleichen Teilen auf Betroffene und Angehörige auf.
Nur etwa zehn Prozent der Erkrankten sind derzeit in der Selbsthilfe verankert – als Aktive oder Mitglieder in einem Verein. Nach wie vor versuchen viele Menschen, den Weg durch die Krankheit alleine zu beschreiten, haben keine Kenntnis über das Vorhandensein bzw. die Leistungen der Selbsthilfe oder ziehen sich nach Inanspruchnahme von Beratungsangeboten wieder zurück.
Was bieten Selbsthilfeorganisationen?
Wenden sich Hilfesuchende an eine Selbsthilfeorganisation oder -gruppe, so drehen sich die drei häufigsten Fragestellungen um
- die Arztwahl (Empfehlung von Expertinnen/Experten),
- bestehende Behandlungsmöglichkeiten (Erfahrungen mit Therapien) und
- die Möglichkeiten finanzielle Unterstützungen zu erlangen.
Neben der Beratung und Leitung von Betroffenen sind die Patientenorganisationen in der Öffentlichkeitsarbeit sehr aktiv. Sie verwenden zunehmend Zeit für politisches Arbeiten und internationale Vernetzung. Dabei arbeiten sie zum Teil auch am Aufbau von Patientenregistern und Datenbanken mit und unterstützen so die Grundlagenforschung, bringen sich in der Ethikkommission sowie in die Entwicklung von Behandlungs- und Notfallleitlinien ein und stehen im Austausch mit Expertinnen bzw. Experten (z.B. Organisation von Kongressen).
In mehreren Bundesländern werden auch Selbsthilfefreundliche Krankenhäuser zertifiziert, das heißt, im Krankenhaus wird der Austausch zwischen Patienten/Patientinnen, dem Gesundheitspersonal und der Selbsthilfe gewährleistet und besonders unterstützt. Selbsthilfegruppen bzw. -organisationen sind also hier auch stark involviert.
Finanzielle Unterstützung erhalten Selbsthilfevereine derzeit von den Landesdachverbänden für Selbsthilfe, den Sozialversicherungsträgern, dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) sowie von der Österreichischen Kompetenz- und Servicestelle für Selbsthilfe (ÖKUSS).
Weitere Informationen:
- Selbsthilfegruppen und -vereine für seltene Erkrankungen (Pro Rare Austria)
- EURORDIS – Rare Diseases Europe
- Projektförderung des Sozialministeriums (Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz)
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 17. Januar 2024
- Pro Rare Austria
- Redaktion Gesundheitsportal