Herausforderungen im Alltag – eine Mutter berichtet
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Aus Claudias Mehrfachbehinderung ergeben sich für die Familie zahlreiche Herausforderungen im Alltag. Um weiterhin berufstätig sein zu können, wurde Rita – nachdem auch ihr Mann erkrankte – einige Zeit durch eine Kinderschwester unterstützt. Seit zwei Jahren ist sie pensioniert und kümmert sich nunmehr alleine um Claudia. Bereits in der Nacht muss das Mädchen mehrmals umgelegt werden, um ein Wundliegen zu vermeiden. Jeden Morgen wird Claudia von ihren Eltern gewaschen, angekleidet, in den Rollstuhl gesetzt und gefüttert, bevor der Schulbus sie zu einer Tagesstätte bringt. Zweimal pro Woche wird sie von ihrer Mutter zur Physiotherapie begleitet. Für alles gibt es einen geregelten Zeitplan.
Jeder Tag kann Überraschungen bringen
Doch die Erkrankung Rett-Syndrom ist unberechenbar und der geplante Tagesablauf kann sich jeden Moment ändern. So kann es vorkommen, dass Claudia einen epileptischen Anfall erleidet und sofort von der Tagesstätte abgeholt werden muss. Ohne Führerschein könnte Rita ihre Aufgaben nicht bewältigen, die vielen Termine rund um die Versorgung und Therapie ihrer Tochter nicht wahrnehmen. Zeit für sich zu haben ist etwas, das die Mutter nicht kennt.
Rita und ihr Mann sind Claudias Augen, Ohren, Hände, Füße und Stimme. Immer wieder kommt es zu Situationen, in denen die Eltern an ihre emotionalen Grenzen stoßen. Auf die Frage, wie Rita diese Herausforderungen meistert, antwortet sie ganz selbstverständlich: „Wenn Claudia lächelt, sieht sie uns direkt in die Seele. Sie versteht alles, und das baut uns dann wieder auf.“
Für Eltern betroffener Kinder engagiert sich Rita über die Selbsthilfe und ist in der Österreichischen Rett-Syndrom-Gesellschaft aktiv.
Welche Herausforderungen im Alltag mit einer seltenen Erkrankung sind häufig?
Claudia ist kein Einzelfall. In einer europaweit durchgeführten Umfrage aus 2017 mit rund 3.000 Betroffenen und Angehörigen, gab die Hälfte der Befragten an, die Erkrankung habe starke oder sehr starke Auswirkungen auf ihren Alltag. Aber was versteht man in diesem Zusammenhang unter Alltag?
Wir sprechen von dem Kreislauf aus Arztterminen und Therapien, Einkauf, Essen und Trinken, Körperpflege, Mobilität, Arbeit, Schule oder Besuch einer Betreuungseinrichtung, Freizeit, sozialer sowie kultureller Betätigung und Schlaf.
Menschen mit seltenen Erkrankungen haben in vielen dieser Bereiche Unterstützungsbedarf. Zwei Drittel der Betroffenen sind motorisch oder sensorisch eingeschränkt. Daraus ergeben sich teils massive Probleme bei der Bewältigung alltäglicher Belange. Etwa 70 Prozent der Erkrankten haben Schwierigkeiten beim Putzen, Einkaufen und Kochen, 60 Prozent benötigen Hilfe beim Anziehen und der Körperpflege. Nicht selten leiden Betroffene unter Schlafstörungen oder allgemeinem Energiemangel. Auch bei der Frage der Mobilität bestehen oftmals enge Abhängigkeiten vom privatem Umfeld.
Folglich geht von der täglichen Pflege und Versorgungskoordination eine erhebliche Zeitbelastung aus – welche nach wie vor insbesondere Frauen als Hauptbetreuungspersonen trifft. Rund 40 Prozent der betreuenden Angehörigen benötigen mehr als zwei Stunden täglich für diese Aufgaben, ein Viertel davon verbringt mehr als sechs Stunden am Tag mit der Betreuung eines erkrankten Familienmitgliedes. Vieles ist ohne die Unterstützung Dritter längerfristig jedoch nicht zu bewältigen. Es bedarf hier neben einer verstärkten Kommunikation zwischen den Sozialdiensten, „erfahrener Leute, die sich mit seltenen Erkrankungen auseinandersetzen und alternative Lösungsmöglichkeiten für den Alltag haben“, so ein Patient.
Verständnis für ihre Situation hilft den Betroffenen
Darüber hinaus stellt das Erlangen bzw. Beibehalten einer Arbeitsstelle oder eines Ausbildungsplatzes eine zentrale Herausforderung für Menschen mit seltenen Erkrankungen und deren Angehörige dar. Therapien, sofern vorhanden, können sich als langwierig, zeitaufwendig und kräfteraubend erweisen. Manchmal schlägt sich dies in einer reduzierten Leistungsfähigkeit und vermehrten Fehlstunden nieder. Für berufstätige Angehörige ist es mitunter schwierig, die erforderliche Pflegefreistellung zu bekommen. In einer Befragung von Betroffenen und Angehörigen in Österreich 2018 erklärten 43 Prozent der Teilnehmeden, wenig Rücksichtnahme seitens des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin zu erfahren. Dies mündet nicht selten in der Aufgabe der Berufstätigkeit. Die Lösung wird in einer ausgeweiteten Bewusstseinsbildung bei Kindergartenpädagoginnen/Kindergartenpädagogen und Lehrerinnen/Lehrern bzw. Arbeitgeberinnen/Arbeitgebern und KolleginnenKollegen gesehen, aber auch in einem anderen Umgang mit dem Thema der chronischen Erkrankung oder Behinderung in der Arbeitswelt und der Planung von Ausbildungen.
Weitere Informationen:
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 17. Januar 2024
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