Neurodermitis: Therapie
Inhaltsverzeichnis
Individuell angepasste Stufentherapie
Je nach Hautzustand werden vier Therapiestufen mit folgenden Empfehlungen unterschieden:
- Stufe 1: Trockene Haut – Topische Basistherapie, Vermeidung oder Reduktion von Triggerfaktoren.
- Stufe 2: Leichte Ekzeme – Maßnahmen der Stufe 1 plus schwache bis mittelstark wirsame lokale (= topische) Glukokortikoide und/oder topische Calcineurin-Inhibitoren.
- Stufe 3: Moderate Ekzeme – Maßnahmen von Stufe 1 und 2 plus stark bis sehr stark topische Glukokortikosteroide und/oder topische Calcineurin-Inhibitoren.
- Stufe 4: Fortbestehende (persistierende), schwer ausgeprägte Ekzeme – Maßnahmen der Stufen 1-3 plus systemische immunmodulierende Therapie (z.B. Ciclosporin A).
Provokationsfaktoren reduzieren & vermeiden
Sind Provokationsfaktoren als Auslöser oder Verstärker der Krankheit bekannt, sollten diese – wenn möglich – konsequent vermieden werden (siehe auch Kapitel Prävention). Diese werden im Zuge der Erstanamnese oder durch eine Allergietestung ermittelt.
Die Basistherapie verfolgt vor allem das Ziel, die Hauttrockenheit und damit verbundene Beschwerden (v.a. Juckreiz) zu verringern. Bei Bedarf wird je nach Schweregrad der Erkrankung eine entzündungshemmende und juckreizstillende Therapie ergänzt. Antiseptisch und antibiotisch wirkende Medikamente sowie Substanzen, die das körpereigene Abwehrsystem beeinflussen (Immunmodulatoren), kommen bez.B.i schweren Formen zur Anwendung.
Wie erfolgt die Basistherapie von Neurodermitis?
Die Basistherapie der Neurodermitis besteht insbesondere in der Reduktion von Provokationsfaktoren und in einer stadienabhängigen Behandlung der Haut mit Basistherapeutika. Diese werden dem Hautzustand angepasst und müssen auch dann angewandt werden, wenn keine Entzündungszeichen – also auch in beschwerdefreien Phasen – vorhanden sind. Zentrales Ziel ist es, die Hauttrockenheit zu behandeln:
- Für sehr trockene Haut werden fette Salbengrundlagen verwendet.
- Für weniger trockene Haut hydratisierte Öl-in-Wasser-Emulsionen.
- Spezielle Mittel zur Hautreinigung gehören ebenfalls zur Basistherapie.
- Neben Salben, Cremes, Lotionen etc. gibt es auch rückfettende Badezusätze.
- Durch die Verwendung von sogenannten Emollientien direkt nach einem Bad soll das Wasser in der noch feuchten Haut zurückgehalten werden.
- Weiters kann die Hautfeuchtigkeit durch die Verwendung von fettfeuchten Umschlägen verbessert werden.
Zur Reduktion von Provokationsfaktoren gehört z.B. die Allergenvermeidung und Reduktion der Hautirritation. Dazu eignet sich beispielsweise das Tragen von speziellen Overalls im Kindesalter. Diese sollen die Haut des betroffenen Kindes beim Spielen und vor allem nachts im Bett, wenn der Juckreiz oft am stärksten ist, vor Kratzschäden schützen. Daneben gibt es auch spezielle Neurodermitishandschuhe. Im Erwachsenenalter ist v.a. das Meiden von beruflichen Hautirritantien wichtig. Dazu gehören Arbeiten im feuchten Milieu, starke Hautverschmutzungen, häufiges Händewaschen sowie der häufige Umgang mit hautreizenden Stoffen.
Ein weiteres wichtiges Basistherapieprinzip ist besonders bei kleinen Kindern das Verwenden von speziellen Ölbädern (Balneotherapie). Kinder sollten nicht zu oft gewaschen werden. Speziell für Neurodermitispatientinnen/-patienten entwickelte Produkte sollten bevorzugt verwendet werden. Gewöhnliche kosmetische Feuchtigkeitscremes haben aufgrund des hohen Wassergehalts meistens nicht die gewünschte Wirkung.
Welche Spezialtherapien kommen zum Einsatz?
Wenn die Anwendung von Basistherapeutika nicht ausreicht, um die Beschwerden der Neurodermitis zum Abklingen zu bringen, werden zusätzlich spezielle medikamentöse Therapien je nach Schweregrad der Neurodermitis in unterschiedlicher Wirkstärke eingesetzt. Diese werden vorzugsweise lokal (topisch) angewendet. Bei Bedarf – also wenn lokale Therapeutika nicht ausreichend wirken oder die Neurodermitis sehr stark ausgeprägt ist – können kurzfristig auch systemische Medikamente (z.B. Tabletten) eingesetzt werden.
Glukokortikoide
- Äußerlich anzuwendende (topische) Glukokortikoide: Topische Glukokortikosteroide („Kortison“) werden bereits seit einem halben Jahrhundert zur Behandlung ekzematöser Areale eingesetzt. Sie wirken u.a. entzündungshemmend und werden hinsichtlich ihrer Wirkungsstärke in vier Klassen (von schwach bis sehr stark wirksam) eingeteilt. Topische Glukokortikosteroide werden in der Regel zeitlich befristet oder als Intervalltherapie eingesetzt. Fixe allgemein anerkannte Schemata gibt es nicht. Eine durchgehende Behandlung ist jedoch abzulehnen, weil dadurch das Risiko unangenehmer Nebenwirkungen wie zum Beispiel Hautverdünnung steigt. In der Regel reicht bei der Neurodermitis die Anwendung von topischen Glukokortikosteroiden der Klasse 1 bis 2. Nur bei sehr stark ausgeprägten Hautveränderungen können kurzfristig stark und sehr stark wirksame Glukokortikosteroide (Klassen 3–4) eingesetzt werden.
- Oral einzunehmende (systemische) Glukokortikoide: Zur Unterbrechung eines akuten Schubes kann v.a. bei Erwachsenen mit schweren Formen einer Neurodermitis eine Kurzzeittherapie mit oral einzunehmenden Glukokortikoiden angewendet werden.
Calcineurinantagonisten
Topische Calcineurinantagonisten wirken ebenfalls entzündungshemmend und sind teilweise besser verträglich als Glukokortikoide. Sie werden v.a. dann verwendet, wenn lokale Glukokortikosteroide nicht einsetzbar sind oder die Behandlungsdauer zu lokalen irreversiblen Nebenwirkungen führen können. Insbesondere der Einsatz im Gesicht, an intertriginösen Hautarealen (das sind Bereiche, in denen dicht benachbarte, teilweise direkt gegenüberliegende Hautflächen ständig miteinander in Berührung kommen, z.B. Achselhöhle, Leistenregion, Kniekehle, Gesäßfalte, Genitalgegend, unterhalb der weiblichen Brust, zwischen den Fingern und Zehen) sowie an der behaarten Kopfhaut bei Kleinkindern erscheint gegenüber topischen Kortikosteroiden vorteilhaft. Auf einen wirksamen Sonnenschutz ist bei Anwendung dieser Medikamente zu achten.
Antimikrobielle und antiseptische Therapien
Moderate bis mäßig ausgeprägte Ekzeme bei Neurodermitis, die gut auf eine antientzündliche Therapie mit topischen Glukokortikosteroiden oder Calcineurinantagonisten ansprechen, bedürfen in der Regel keiner zusätzlichen antimikrobiellen Therapie. Hingegen sollen chronisch wiederkehrende bzw. chronische Ekzeme zusätzlich topisch antiseptisch behandelt werden. Von der längerfristigen Anwendung topischer Antibiotika wird wegen der Gefahr von Resistenzbildungen und Sensibilisierungen abgeraten. Bei Ekzemen mit deutlichen Zeichen einer bakteriellen Folgeinfektion sollen die Antibiotika oral eingenommen werden, ebenso bei einer Superinfektion mit Herpesviren die Virustatika.
Bei chronischer Neurodermitis kann das Tragen von antimikrobiell wirkender Unterwäsche erwogen werden. Sie ist mit Silbernitrat oder einer Ammoniumverbindung beschichtet und hat einen moderaten Effekt.
Antihistaminika
Orale Antihistaminika mit H1-Rezeptor-blockierender Wirkung können in oraler Form unterstützend in der Therapie der Neurodermitis, vorwiegend zur Linderung des Juckreizes, eingesetzt werden.
Weitere systemische Therapien
Bei schwer ausgeprägter Neurodermitis im Erwachsenenalter kann der immunsuppressive Wirkstoff Ciclosporin eingesetzt werden. Zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis bei erwachsenen Patientinnen/Patienten ist seit Ende 2017 der monoklonale Antikörper Dupilumab zugelassen. Weitere systemisch wirkende Wirkstoffe zur Behandlung von Neurodermitis sind Mycophenolatmofetil (MMF), Azathioprin und Methotrexat (MTX).
Verfahren ohne nachgewiesene Wirksamkeit
Für folgende Verfahren konnte bisher kein ausreichender wissenschaftlicher Nachweis für die Wirksamkeit (Evidenz) erbracht werden. Dazu zählen Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel mit u.a. folgenden Inhaltsstoffen:
Äußerlich anwendbare Substanzen:
- Cipamphyllin,
- Lithium-Succinat,
- Johanniskrautextrakt,
- Schwarzkümmelextrakt,
- Seekreuzdornextrakt.
Innerlich anwendbare Präparate:
- Immunglobuline,
- Anti-IL-5-Antikörper,
- Leukotrienantagonist Montelukast,
- Levamisol-Hydrochlorid,
- essenzielle Fettsäuren: z.B. Nachtkerzenöl, Borretschöl, Fischöle,
- Vitamin B6 (Pyroxidin), Vitamin E
- Zink,
- Laktobazillen (Probiotika).
Auch die Wirksamkeit von komplementären Ansätzen wie Eigenbluttherapie, Massagetherapie, Homöopathie, Bioresonanztherapie und die lokale oder orale Anwendung chinesischer Kräuter zur Behandlung von Neurodermitis konnte bisher in wissenschaftlichen Studien nicht nachgewiesen werden.
Wohin kann ich mich wenden?
Bei Beschwerden wenden Sie sich an Ihre Hausärztin/Ihren Hausarzt. Abhängig von den Symptomen kann eine Überweisung an eine Fachärztin/einen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten oder für Kinder- und Jugendheilkunde für die Durchführung einer differenzierten Diagnostik und Therapie notwendig sein. Es ist sinnvoll, relevante Vorbefunde und eine Liste der verwendeten Medikamente zur Untersuchung mitzubringen. Ärztinnnen und Ärzte in Ihrer Nähe finden Sie unter Arztsuche.
Wie erfolgt die Übernahme der Kosten?
Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von den Krankenversicherungsträgern übernommen. Ihre niedergelassene Ärztin/Ihr niedergelassener Arzt bzw. Ambulatorium rechnet grundsätzlich direkt mit Ihrem Krankenversicherungsträger ab. Bei bestimmten Krankenversicherungsträgern kann jedoch ein Selbstbehalt (Behandlungsbeitrag) für Sie anfallen (BVAEB, SVS, SVS, BVAEB). Sie können auch eine Wahlärztin/einen Wahlarzt (d.h. Ärztin/Arzt ohne Kassenvertrag) in Anspruch nehmen. Nähere Informationen finden Sie unter Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte.
Über die jeweiligen Bestimmungen informieren Sie sich bitte bei Ihrem Krankenversicherungsträger, den Sie über die Website der Sozialversicherung finden.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 12. März 2019
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Univ.Prof. Dr. Paul-Gunther Sator MSc, Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Zusatzfach Haut- und Geschlechtskrankheiten (Angiologie), Spezialisierung in Dermatohistopathologie, Spezialisierung in Allergologie