Schwangerschaftsdiabetes
Inhaltsverzeichnis
Wie entsteht Schwangerschaftsdiabetes?
In der Schwangerschaft verändern sich der Hormonhaushalt und der Stoffwechsel der Frau. Unter anderem kommt es dazu, dass die Körperzellen schlechter auf das Hormon Insulin ansprechen. Das bedeutet: Die Zellen nehmen den mit der Nahrung aufgenommenen Zucker langsamer auf. Es bleibt mehr Zucker im Blut zurück. Dies wird als Insulinresistenz bezeichnet. Leicht erhöhte Blutzuckerwerte nach dem Essen sind daher in der Schwangerschaft – insbesondere ab etwa der 20. Schwangerschaftswoche - keine Seltenheit.
Um den Blutzuckerspiegel trotzdem zu senken, muss die Bauchspeicheldrüse in der Schwangerschaft mehr Insulin produzieren. Bei manchen Frauen kann die Bauchspeicheldrüse diesen erhöhten Bedarf aber nicht ausgleichen. Dann steigt der Blutzuckerspiegel weiter an. Wenn er bestimmte Grenzwerte überschreitet, sprechen Fachleute von Schwangerschaftsdiabetes.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind komplex und nicht bis ins Detail geklärt. Ähnlich wie beim Typ-2-Diabetes spielen aber sowohl genetische Faktoren als auch der Lebensstil eine entscheidende Rolle bei der Entstehung. Zu den Risikofaktoren zählen unter anderem:
- Typ-2-Diabetes in der Familie,
- Übergewicht,
- ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel,
- Schwangerschaftsdiabetes in einer früheren Schwangerschaft,
- Alter über 35 Jahre,
- Einnahme bestimmter Medikamente,
- polyzystisches Ovar Syndrom,
- Rauchen.
Welche Gefahren bestehen für die werdende Mutter?
Ein erhöhter Blutzuckerspiegel erhöht bei der Schwangeren das Risiko für:
- Harnwegsinfektionen
- Pilzinfektionen der Scheide
- Bluthochdruck
- Präeklampsie
- vorzeitige Wehen bzw. Frühgeburt
Bei den betroffenen Frauen besteht zudem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, später an Typ-2-Diabetes zu erkranken sowie in einer erneuten Schwangerschaft wieder einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln.
Welche Gefahren bestehen für das Kind?
Schwangerschaftsdiabetes kann sich auch auf die Gesundheit des ungeborenen Kindes auswirken: Ist der Blutzuckerspiegel der Mutter erhöht, wird auch vermehrt Zucker über die Plazenta zum Kind transportiert. Dadurch steigt auch dessen Blutzuckerspiegel an. In der Folge produziert die kindliche Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin. Insulin hat nicht nur die Aufgabe, den Blutzuckerspiegel zu senken, sondern es wirkt auch wie ein Wachstumshormon. Das bedeutet: Die ungeborenen Kinder sind deutlich größer und schwerer als bei gesunden Müttern.
Das kann zu Problemen bei der Geburt führen. So ist etwa das Risiko erhöht, dass das Kind nicht durch den Geburtskanal passt und mit der Schulter im mütterlichen Becken stecken bleibt. Diese Komplikation wird als Schulterdystokie bezeichnet und kann für das Kind lebensbedrohlich sein. Die Häufigkeit einer Kaiserschnittgeburt ist bei Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes höher als bei Frauen ohne Schwangerschaftsdiabetes.
Nach der Geburt leiden die Neugeborenen durch die Stoffwechselumstellung oft an Anpassungsproblemen: Sie haben z.B. Probleme mit der Atmung, leiden an Unterzuckerung oder an Neugeborenen-Gelbsucht.
Kinder von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes haben zudem ein höheres Risiko, später selbst übergewichtig zu werden und Stoffwechselstörungen zu entwickeln.
Hinweis
Wenn Schwangerschaftsdiabetes rechtzeitig erkannt und behandelt wird, können die gesundheitlichen Risiken für die Mutter und das Kind deutlich gesenkt werden.
Welche Symptome können auftreten?
Meistens verursacht Schwangerschaftsdiabetes keine Beschwerden. In seltenen Fällen, wenn der Blutzuckerwert sehr hoch ist, können Diabetes-typische Symptome auftreten, z.B. Müdigkeit, Schwäche, starkes Durstgefühl. Zudem können folgende Anzeichen auf einen Schwangerschaftsdiabetes hindeuten:
- erhöhter Blutdruck
- gesteigerte Fruchtwassermenge
- erhöhter Zuckergehalt im Urin
- häufige Blasenentzündungen
- starke Gewichts- und Größenzunahme des ungeborenen Kindes
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose eines Schwangerschaftsdiabetes wird mit einem sogenannten Zuckerbelastungstest gestellt. Der Test wird auch als oraler Glukosetoleranztest, kurz oGTT, bezeichnet. Er ist in den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen für jede Schwangere zwischen der 25. und der 28. Schwangerschaftswoche vorgesehen.
Der Zuckerbelastungstest zeigt an, wie gut der Körper Zucker verarbeiten kann. Die Ärztin bzw. der Arzt nimmt der Schwangeren dafür drei Blutproben aus der Vene ab. Für die erste Blutprobe muss die Schwangere nüchtern sein. Danach bekommt sie eine zuckerhaltige Lösung zu trinken. Nach einer sowie nach zwei Stunden wird erneut eine Blutprobe abgenommen.
Mehr zum Thema: Diabetes: Diagnose
Hinweis
Wenn die Schwangere ein hohes Risiko für Schwangerschaftsdiabetes hat oder Symptome aufweist, die auf die Diagnose hindeuten, untersucht die Ärztin oder der Arzt unter Umständen schon zu einem früheren Zeitpunkt den Blutzuckerwert.
Schwangerschaftsdiabetes oder Typ-2-Diabetes?
Wenn in der Schwangerschaft erstmals erhöhte Blutzuckerwerte festgestellt werden, gibt es zunächst zwei Möglichkeiten: Es handelt sich entweder um einen Schwangerschaftsdiabetes, oder es handelt sich um eine andere Form von Diabetes – meist Typ-2-Diabetes -, der zuvor noch nicht entdeckt wurde.
Die Unterscheidung erfolgt durch die Höhe des Blutzuckerspiegels. Für den Zuckerbelastungstest gelten folgende Grenzwerte:
Schwangerschaftsdiabetes | Diabetes | |
Nüchternblutzuckerwert | 92 mg/dl oder mehr | 126 mg/dl oder mehr |
Blutzuckerwert nach 1 Stunde | 180 mg/dl oder mehr | |
Blutzuckerwert nach 2 Stunden | 153 mg/dl oder mehr | 200 mg/dl oder mehr |
Bei einem Schwangerschaftsdiabetes normalisiert sich der Blutzuckerspiegel meistens bereits nach der Geburt, spätestens jedoch im Wochenbett wieder. Andere Diabetesformen verschwinden nach der Schwangerschaft nicht von selbst wieder. Sie müssen nicht nur während, sondern auch nach der Schwangerschaft behandlet werden, um Folgeerkrankungen zu vermeiden.
Wie erfolgt die Behandlung?
Die wichtigsten Maßnahmen zur Behandlung eines Schwangerschaftsdiabetes sind eine Umstellung der Ernährungs- und der Bewegungsgewohnheiten. In vielen Fällen reichen diese Maßnahmen schon aus, um den Blutzuckerspiegel zu normalisieren. Auch das Risiko, später Typ-2-Diabetes zu entwickeln, wird dadurch reduziert.
Gesunde Ernährung
Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes müssen keine spezielle Diät einhalten. Empfohlen wird eine ausgewogene und vollwertige Mischkost. Wichtig ist es, einen sehr schnellen und hohen Blutzuckeranstieg nach dem Essen zu vermeiden. Dabei können folgende Tipps hilfreich sein:
- Teilen Sie Ihre Mahlzeiten auf drei mittelgroße Hauptmahlzeiten und drei kleine Zwischenmahlzeiten auf. So bleibt der Blutzuckerspiegel über den Tag verteilt konstanter.
- Essen Sie weniger zuckerhaltige Lebensmittel. Verzichten Sie insbesondere auf Produkte, denen viel künstlicher Zucker zugesetzt ist, z.B. Süßigkeiten, Kuchen, Fertigprodukte, Limonaden etc.
- Geeignete Kohlenhydrate sind z.B. Vollkornprodukte, Gemüse, Hülsenfrüchte. Solche unbearbeiteten Lebensmittel enthalten natürlichen Zucker. Er wirkt sich weniger stark auf den Blutzuckerspiegel aus. Verzichten Sie auf sehr süße Obstsorten wie Weintrauben oder Bananen.
- Essen Sie lieber pflanzliche Fette als tierische Fette.
- Achten Sie auf eine ausreichende Zufuhr von Eiweiß, z.B. in Form von Milchprodukten.
- Als Getränke eignen sich vor allem Wasser und ungesüßter Tee.
Bei der Ernährungsumstellung hilft die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bzw. eine spezielle Ernährungsberatung. Der Speiseplan wird individuell auf jede Patientin abgestimmt.
Mehr zum Thema: Ernährung in der Schwangerschaft
Hinweis
Trotz der Ernährungsumstellung muss die ausreichende Versorgung des Ungeborenen sichergestellt sein.
Regelmäßige Bewegung
Regelmäßige Bewegung hilft dabei, die Insulinempfindlichkeit der Zellen zu verbessern und den Blutzuckerspiegel zu senken. Welche Art von Bewegung infrage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. wie die Schwangerschaft verläuft und wie fit und belastbar die Schwangere ist.
Geeignete Sportarten können z.B. sein
Auch ein täglicher schneller Spaziergang von rund 30 Minuten Dauer hat positive Effekte auf die Gesundheit.
Mehr zum Thema: Sport in der Schwangerschaft
Blutzucker messen
Betroffene Frauen lernen, ihren Blutzuckerwert regelmäßig selbst zu kontrollieren. So kann überprüft werden, ob sich die Werte normalisieren. Die Schwangeren messen in der Regel den Blutzucker nüchtern in der Früh sowie jeweils eine Stunde nach Beginn einer Mahlzeit. Gemeinsam mit der Ärztin bzw. dem Arzt werden individuelle Grenzwerte vereinbart.
Medikamentöse Behandlung
Wenn der Blutzucker durch Lebensstilmaßnahmen nicht ausreichend gesenkt werden kann bzw. wenn er bestimmte Grenzwerte übersteigt, ist eine medikamentöse Behandlung notwendig.
In erster Linie kommt eine Behandlung mit Insulin infrage. Das Insulin wird von der Schwangeren selbst unter die Haut gespritzt. Durch die Anwendung von Stechhilfen – sogenannten Pens - wird die Verabreichung vereinfacht. Es gibt verschiedene Formen der Insulinbehandlung. Die Ärztin oder der Arzt legt gemeinsam mit der Schwangeren fest, welches Schema individuell am besten geeignet ist. In speziellen Schulungen erhalten die Betroffenen die notwendigen Kenntnisse rund um Insulin und dessen Verabreichung.
Mehr zum Thema: Diabetes: Insulintherapie
Hinweis
Das verabreichte Insulin gelangt nicht in den Kreislauf des Kindes, da es die Plazenta nicht passieren kann. Es entfaltet nur bei der Mutter seine Wirkung und senkt den Blutzuckerspiegel. Dadurch geht in weiterer Folge auch weniger Zucker in den kindlichen Kreislauf über.
In manchen Fällen, vor allem bei starkem mütterlichem Übergewicht, kann eine Behandlung mit Metformin notwendig sein. Metformin wird in Tablettenform eingenommen. Es kann anstelle des Insulins oder zusätzlich zur Insulintherapie eingenommen werden.
Wie ist der weitere Verlauf?
Mit den entsprechenden Maßnahmen verläuft die Schwangerschaft in den meisten Fällen unkompliziert, und die betroffenen Frauen bringen ein gesundes Kind zur Welt. Um mögliche Komplikationen rechtzeitig zu erkennen, kontrolliert die Ärztin bzw. der Arzt regelmäßig den Gesundheitszustand der Schwangeren und des ungeborenen Kindes. Dazu gehören z.B. Kontrollen des Blutzuckerspiegels, Harnuntersuchungen, Blutdruckmessungen, Gewichtskontrollen, Ultraschalluntersuchungen sowie CTG-Kontrollen. Wie oft Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden, hängt davon ab, wie hoch das individuelle Risiko für Komplikationen ist. Mehr zum Thema: Schwangerschaft: Untersuchungen
Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes können ihr Kind oft auf natürlichem Weg auf die Welt bringen. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Kaiserschnitt zu planen oder die Geburt ein wenig früher einzuleiten. Die Geburt sollte in jedem Fall in einem Krankenhaus mit angeschlossener Kinderabteilung bzw. Neonatologie stattfinden. Das Neugeborene wird in den ersten Lebenstagen regelmäßig untersucht, um mögliche gesundheitliche Probleme umgehend zu erkennen.
Bei einem Schwangerschaftsdiabetes normalisieren sich die Blutzuckerwerte nach der Geburt von selbst. Wenn in der Schwangerschaft eine Insulinbehandlung notwendig war, kann diese unmittelbar mit der Geburt beendet werden.
Der Blutzuckerspiegel wird in den nachfolgenden Tagen mehrfach gemessen und kontrolliert. Zudem sollte sechs bis zwölf Wochen nach der Entbindung der Zuckerbelastungstest wiederholt werden. Wenn sich der Blutzuckerwert nicht normalisiert hat, besteht der Verdacht auf Typ-2-Diabetes.
Hinweis
Da Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes ein erhöhtes Risiko haben, später Typ-2-Diabetes zu bekommen, wird empfohlen, dass sie den Blutzuckerspiegel regelmäßig - zumindest einmal jährlich - kontrollieren lassen.
Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes sollten auch nach der Schwangerschaft auf einen gesunden Lebensstil achten. Mit gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung und einer Normalisierung des Körpergewichtes kann das Risiko für das spätere Auftreten eines Typ-2-Diabetes reduziert werden. Auch das erneute Auftreten eines Schwangerschaftsdiabetes in einer nachfolgenden Schwangerschaft nimmt dadurch ab.
Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes wird zudem empfohlen zu stillen, sofern es möglich ist. Denn Studien haben gezeigt, dass auch Stillen das Risiko für das Auftreten eines Typ-2-Diabetes verringern kann.
Wohin kann ich mich wenden?
Die Betreuung und Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes erfolgt durch
- eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Gynäkologie oder
- eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Innere Medizin.
Zusätzlich können Diätologinnen und Diätologen bei der Anpassung der Ernährungsgewohnheiten helfen.
Wie erfolgt die Abdeckung der Kosten?
Die e-card ist Ihr persönlicher Schlüssel zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen und zweckmäßigen Diagnose- und Therapiemaßnahmen werden von Ihrem zuständigen Sozialversicherungsträger übernommen. Bei bestimmten Leistungen kann ein Selbstbehalt oder Kostenbeitrag anfallen. Detaillierte Informationen erhalten Sie bei Ihrem Sozialversicherungsträger. Weitere Informationen finden Sie außerdem unter:
- Recht auf Behandlung
- Arztbesuch: Kosten und Selbstbehalte
- Was kostet der Spitalsaufenthalt
- Rezeptgebühr: So werden Medikamentenkosten abgedeckt
- Reha & Kur
- Heilbehelfe & Hilfsmittel
- Gesundheitsberufe A-Z
sowie über den Online-Ratgeber Kostenerstattung der Sozialversicherung.
Die verwendete Literatur finden Sie im Quellenverzeichnis.
Letzte Aktualisierung: 23. Januar 2023
Erstellt durch: Redaktion Gesundheitsportal
Expertenprüfung durch: Prim. Univ.Prof. Dr. Bernhard Ludvik, Facharzt für Innere Medizin, Zusatzfach Innere Medizin (Endokrinologie u. Stoffwechselerkr.)